Shout it out loud!

Laut, lauter, am lautesten. Wir haben den Protestsongcontest um ein paar Antworten gebeten, wo die Wut nach zehn Jahren am lautesten sitzt. Seit Ende Jänner stehen die Finalisten fest, am Dienstag wird der zehnte Gewinner gekürt.

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„Rotzbremsn san wieder in“, „Finganeglbeissa“ oder „Ich hoff du schläfst beschissen“. Auf solche und sieben andere Wutbürgerischen Wortklaubereien darf man sich beim Finale vom Protestsongcontest wieder freuen. Zum zehnten Mal sollen No-Name-Artists ihrer Aggression und Kreativität freien Lauf lassen. Der Sieger darf, wie gewohnt, den nächsten Protestsongcontest mit einem Solokonzert im Rabenhof einläuten. Das wichtigste: Hauptsache dagegen. Das zehnte Finale gibt es am kommenden Dienstag.

Antworten auf unsere Fragen hat uns Mitinitiator Gerald C. Stocker gegeben.

In zehn Jahren Protestsongcontest, gab es Songs, die reale Auswirkungen hatten?

Wegen dem Protestsongcontest sind sicherlich keine Politiker freiwillig zurück getreten und es wurden meines Wissens auch deshalb keinerlei Gesetze geändert, aber wir hatten über die Jahre zahlreiche Beiträge, die sich mit ganz konkreten tagesaktuellen innenpolitischen Themen beschäftigen.

Es gab unter anderem musikalische Beiträge von Sympathisanten der im Tierschutzprozess Angeklagten, der Protestbewegung des Lobauer Frühlings sowie heuer von den Refugees des Vienna Refugee Camps, die rund um die Votivkirchenbelagerung für große Aufmerksamkeit sorgen, und von einem Salzburger Schülerprojekt, das um den Verbleib eines von der Abschiebung bedrohten Mitschülers kämpft.

Was ich in den letzten Jahren aber vor allem feststellen konnte, war, dass ganz besonders jungen Menschen sich zunehmend um politische Inhalte bemühen. Denen und auch allen anderen wollen wir mit dieser Veranstaltung auch in Zukunft eine Plattform bieten. Da jedes Jahr die musikalische Palette von Punk, über Hip-Hop bis hin zu Electronic, Singersongwriter und sogar operettenhaften Songs reicht, gelingt es dem PSC, eine sehr heterogene Schicht an Künstlern zusammenzubringen, was sich auch im Publikum widerspiegelt. Daraus haben sich in weitere Folge auch zahllose künstlerische Austauschprojekte ergeben und viele Künstler konnten sich mit den jeweils anderen Themen inhaltlich beschäftigen und sogar solidarisieren.

Auf Wikipedia steht, du hattest die Idee zum Protestsongcontest mit Thomas Gratzer und Roman Freigaßner. Dabei gab es im alten Fluc etwas ganz Ähnliches von den Schwestern Brüll. Habt ihr das gekannt?

Nein, diese Veranstaltung kannte ich persönlich nicht, und wir haben uns auch an keinerlei möglichen Vorbildern orientiert. Es ist natürlich im Laufe der Menschheitsgeschichte nicht auszuschließen, dass irgendwer irgendwann schon einmal eine Veranstaltung auf die Beine gestellt hat, bei der Protestslieder präsentiert wurden. Den Protestsongcontest, wie er in dieser Form nun bereits sehr erfolgreich seit nun mehr zehn Jahren existiert, haben wir aber de facto selbst entwickelt. Dazu brauchte es keinerlei anderer Geburtshelfer.

Welche Themen gewinnen eher bei euch, Tagesaktuelles oder Gefühlig-Allgemeines? Was sind Dauerbrenner und inwiefern hat sich die Themenpalette über die Jahre verändert?

Im Laufe der Jahre konnten wir beobachten, dass es sich von allgemeineren Protesten gegen Staat und Kirche mehr zu individuellen Unmutsäußerungen entwickelt hat. Die Menschen sind zorniger geworden, es wird viel mehr aus einer Ich-Perspektive über prekären finanziellen Situationen und ausländerfeindliche Zwischenfälle berichtet. Zu den Dauerbrennern zählen mehr oder minder aktuelle Politiker, die immer wieder auf die Schaufel genommen werden. Bei den Siegernummern ist jedoch festzustellen, dass sich meist eher allgemein gehaltenere Nummern im Vorderfeld platzieren konnten.

Nach Globalisierungskritik war es die Nuller Jahre über vergleichsweise ruhig bis Wutbürger und Occupy ankamen – konntet ihr das so ähnlich an den Einsendungen beobachten oder überschätzen wir da das Sensorium von Musikern?

Waren es in den ersten Jahren noch die politischen Veränderungen im Österreich („schwarz-blaue Regierung“) und den USA („George W. Bush“) sowie brennende Umwelt- und finanzpolitische Themen, die viel Aufmerksamkeit auf sich gezogen haben, verlagerte sich in den folgenden Jahren der Protest sehr stark in Richtung individuelle, soziale sowie gesellschaftspolitische Unzufriedenheit, deren Auslöser sehr konkret definiert wurden.

Viele Künstler schaffen es dabei sehr gut, ihren Zorn ganz konkret zu definieren. Kunst – und hier im speziellen Musik – hat aber schon immer dazu beigetragen, Menschen wach zu rütteln. Zur Veränderung eines aus dem Gleichgewicht gekommenen Systems gehört aber auch eine couragierte Zivilgesellschaft jenseits der Kunst.

Haben die größten Protestsänger dieses Landes – Gustav, Ja, Panik oder Attwenger – auch schon Songs bei euch eingeschickt?

Diese drei Künstler waren bis dato noch nicht am Start, wir würden uns aber über Einsendungen von ihnen selbstverständlich freuen. Dafür hatten wir aber über die Jahre wunderbare Beiträge von Binder & Krieglstein, Christoph & Lollo, dem Ersten Wiener Heimorgelorchester, Manuel Normal, Nino aus Wien, Hoerspielcrew feat. Garish, Mieze Medusa & Tenderboy feat. Violetta Parisini und Yasmo, von denen man übrigens einige beim Best of Konzert am 9. Februar im Rabenhof live sehen kann.

Außerdem wurden manche der Teilnehmer durch den PSC erst sogar ein wenig bekannter, wie zum Beispiel der Blonder Engel, pauT oder auch Rainer von Vielen, der in der Folge sogar mit den Fantastischen Vier auf Deutschland Tour ging und Johanna Zeul, Udo-Lindenberg Panikpreisträgerin, die sogar nach ihrer PSC Teilnahme in Deutschland beim Bundesvisionsongcontest antrat.

Diese genannten Künstler sind außerdem allesamt auf den beiden PSC Kompilation CDs vertreten. All jene darüber hinaus bekannten Musiker, die es zweifelsohne über die Jahre gab, es aber letztendlich mit ihren Songs aus den unterschiedlichsten Gründen nicht unter die Top 25 geschafft haben, möchte ich aber hier nicht erwähnen.

Nach dem abgesagten Hinichen-Konzert wurden ein paar Leute darauf aufmerksam, dass euer Vorjahressieger Rotzpipn auch ein paar wenig freundliche Zeilen für Frauen übrig haben. Müsste euch das beschäftigen, steht ihr zu der Entscheidung?

Natürlich stehen wir zu der Entscheidung, denn die Songs, die Rotzpipn in den letzten Jahren am beim Protestsongcontest am Start hatten, war in diese Richtung völlig unverdächtig und die Band zählt seit Jahren zu den authentischsten Revoluzzern, die dieses Land hervorgebracht hat.

Am 9. Februar wird es ein Best-Of Konzert im Rabenhof Theater Wien geben. Das Finale des Protestsongcontests 2013 startet am 12. Februar um 20:00 ebenda.

Bild(er) © Protestsongcontest, Dimo Dimov
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