„Sie werden mich in einem Sarg aus dem Fluc raustragen müssen!“

Das Fluc als Comedy-Bühne. War es zwar immer schon ein bisschen – jetzt braucht man aber nicht mehr hinter vorgehaltener Hand lachen. Ein E-Mail-Quicky mit Hosea Ratschiller, der als Zeremonienmeister durch den Stand-up-Abend führt.

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Ab 20. Oktober startet vierzehntägig Stand Up Comedy Club „Stand Up Fluc“ am Praterstern. Wie läuft das Kuratieren dafür und … schon nervös vorm Start?

Der Kuratorenjob ist ja schon erledigt. Nämlich von Andreas Fuderer, dem Leiter vom Kabarett Niedermair und dem Stadtsaal Wien. Der hat ein unfassbares Line-up zusammengestellt. Und als ich gefragt habe, ob ich auch mitspielen darf, hat der Fuderer gemeint: "Vielleicht ist es besser, wenn du einfach die Kollegen ansagst". Nervös bin ich, ja, aber wunderbar nervös. Beziehungsweise: Ich freue mich schon sehr.

War ein regelmäßiger „Stand Up Club“ etwas, was Du in der heimischen Humorszene vermisst hast?

Ja. Weil ich die Form sehr mag. Gute Stand Up Comedians können mit wenigen Sätzen ein ähnliches Flirren erzeugen, wie ein Roman. Und seit Josef Hader diese Tür aufgestoßen hat, machen ja ziemlich viele Kabarettisten in Österreich Stand Up. Und zwar ziemlich gut. Das Publikum wiederum schaut sich auf Youtube Louis CK, Jimmy Fallon und ähnliches an. Und für alle, die doch noch hin und wieder gern aus dem Haus gehen, schaffen wir jetzt ein unwiderstehliches Angebot. Also ich hätte da mit dem Schlafsack vor dem Eingang campiert, wenn ich nicht mitmachen dürfte.

Wo kommen Idee und Konzept für den Club her?

In Deutschland gibt es ja unzählige TV-Sendungen mit humoristischen Kurzauftritten. Das fehlt in Österreich leider seit dem Ende von Dorfers Donnerstalk völlig. Für die Szene wäre das aber ungeheuer wichtig. Nicht nur um die eigene Lebendigkeit und Vielfalt abbilden zu können, sondern auch als Ansporn, sich zu verbessern, oder inhaltlich und formal noch mehr zu wagen. Hinter dem Club im Fluc steht jetzt zwar nicht das Fernsehen, aber zwei wichtige Wiener Theater. Ein Auftritt dort kann also durchaus eine Eintrittskarte sein und für die etablierten Leute eine Möglichkeit, neues Material vor kritischem Publikum auszuprobieren.

War das Fluc Prämisse, um mit einem bis dato weitgehend humorunverdächtigen Ort vielleicht neues Publikum anzusprechen?

Wir haben tatsächlich lange nach dem richtigen Ort gesucht. Für das Fluc hat die absurde Schönheit der Architektur und die großartige Lage am Praterstern gesprochen. Und natürlich sein programmatischer Ansatz – diskursive Unterhaltung, da ist ja durchaus auch eine Kernkompetenz des Kabaretts.

Was erhoffst Du Dir von diesem Format, ist es etwas langfristiger angelegt? bis jetzt sind es ja nur vier Abende…

Sie werden mich in einem Sarg aus dem Fluc raustragen müssen.

Die Gästeliste, die im Fluc auftreten wird, liest sich ja wie das Szene-Who-is-Who. Hader, Maurer, Stipsits & Rubey oder Christoph & Lollo . Dazu Shooting-Stars wie Marcel Mohab und Paul Pizzera… War es eigentlich schwer die Künstlerzusagen zu kriegen?

Nein. Wir waren selber verblüfft. Alle, auch die größten Stars, freuen sich drauf und wollen unbedingt mitmachen. Zu verdienen gibt es ja kaum was, also dürfte da irgendeine seltsam romantische Form von Lust im Spiel sein.

Gibt es Vorgaben an deine Gäste? Oder werden sie dieses Format vorwiegend als Werbe-Plattform für ihr eigenes Kabarett-Programm nutzen?

Naja, es gibt natürlich Zeitvorgaben. Aber ich denke, die Newcomer werden eher ihre Glanznummern präsentieren und die Stars werden eher neues Material testen. Aber wie sich der Club inhaltlich entwickelt, das hängt gerade bei Stand Up sehr stark vom Publikum ab. Man ist ja in so einer Bar viel näher am Bühnengeschehen, es gibt viel mehr unkontrollierbare Geräusche, Lichter, Luftzüge etc. als in einem Theater. Das wird sehr spannend.

Interessant klingt die Schiene „Kaltes Wasser“, bei der junge, unerfahrene Comedians erstmals Bühnenluft schnuppern können. War es eine Bedingung für Dich dieses Element ins Showkonzept einzubauen?

Ja, das habe ich mir tatsächlich gewünscht. Zum einen, weil ich einfach ein extrem guter Mensch bin, aber auch weil ein Open Mic gut für die Stimmung ist. Wenn Dinge passieren dürfen, die man noch nicht so gut einschätzen kann, bricht das die Routine. In der Regel räumen die Open Mic Acts bei solchen Abenden auch ziemlich ab. Man hat den Frischlings-Bonus und ist gierig auf die Bühne. Da müssen sich die Stars dann mehr anstrengen.

Was macht gute Stand Up Comedy für Dich aus?

Ich bin da echt kein Maßstab. Ich lache regelmäßig weit unter meinem Niveau. Aber, wenn ich es mir aussuchen darf, dann ist in dem Act ein formales und/oder inhaltliches Wagnis eingebaut. Das finde ich einfach persönlich faszinierender. Wenn ich bei einer Nummer nach zwei Sätzen weiß, wohin die Reise geht, wird mir schnell fad. Das ist aber Geschmacksache. Viele Menschen sind auch gerne an einem sicheren Ort. Sonst wären sie ja nicht von daheim weg gegangen.

Man hatte ja den Eindruck, dass heimische Kabarettisten nie wirklich am Begriff Stand-Up-Comedy anstreifen wollten – vielleicht auch, um sich vom TV-Mainstream in Deutschland abzugrenzen. Das hat sich geändert…

Wie gesagt: seit Lukas Resetarits, aber spätestens seit Hader machen mit ganz wenigen Ausnahmen eigentlich alle Kabarettisten in Österreich Stand Up. Wenn ein humoristisches Genre bei uns im Vergleich zu Deutschland wirklich unterrepräsentiert ist, dann klassisches, feuilletonistisches Polit-Kabarett. Was sich in den letzten Jahren aber tatsächlich verändert hat ist, dass das Publikum die Vorbilder teilweise besser kennt, als man selber. Jerry Seinfeld, Louis CK, Sarah Silverman etc.. Mit denen muss man sich heutzutage messen, wenn man junge Leute in der Vorstellung haben will. Um die Kollegen Christoph & Lollo zu zitieren: Das Internet hat unser Leben zerstört.

Wo verläuft denn eigentlich Deiner Meinung nach die Grenze Kabarett und Stand Up Comedy? Ist so eine Grenzziehung überhaupt sinnvoll und nötig?

Ich finde die Grenzziehung durchaus sinnvoll, weil Komik ja selten subventioniert wird. Und dann ist es in der Regel für alle Beteiligten besser, das Publikum weiß, worauf es sich einstellen kann. Obwohl natürlich gerade Satire oft die spannendsten Ergebnisse zeitigt, wenn nicht groß drauf steht: Achtung, lustig! Mit diesem Ansatz ist aber kaum Geld zu verdienen. Ganz im Gegenteil: Derzeit wird eher damit Geld verdient, dass man Satire drauf schreibt, wo wirklich keine drin ist. Das Lehrbuch sagt jedenfalls: Kabarett, das ist, wenn auf der Bühne eine relativ unpersönliche aber durchaus pointierte Einschätzung der Weltlage oder des regionalen Korruptionsskandals abgeliefert wird. Und Stand Up Comedy schließt das Private, vor allem das Private der Bühnenfigur mit ein. Beide Formen können gut oder schlecht gemacht sein, man kann die Formen mischen und es gibt sogar noch andere Formen, aber wenn das Publikum nicht kommt, kannst du drauf schreiben, was du willst.

Die Comedy-Plattform „Stand Up Fluc“ startet am Mo., 20. 10. um 20.30 Uhr.

Kabarettist und Autor Hosea Ratschiller empfängt alle zwei Wochen heimische Humorstars und führt als MC durch den Abend. Den Beginn machen Christoph & Lollo, Marcel Mohab, Klaus Eckel, Clemens Maria Schreiner und Paul Pizzera. Zudem gibt es auch ein Open Mic für Nachwuchs-Komiker.

Bild(er) © Christian Pitschl
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