Slow Shopping statt Fast Fashion: Wie glaubwürdig kann sich Arket positionieren?

70 Jahre lang stand H&M vor allem für Fast Fashion. Mit der in diesem Sommer lancierten Marke Arket will man nun neue Wege gehen und nachhaltig denkende Konsumenten anziehen, die bereit sind, für zeitloses Modedesign mehr Geld auszugeben.

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Ein moderner Wochenmarkt, der zeitlose und funktionale Mode ebenso wie Wohnaccessoires, Kinderspielzeug, ausgewählte, organische Lebensmittel und im angeschlossenen Café gesunde vegetarische Kost, dem »New Nordic Food Manifesto« folgend, anbietet: Arket, schwedisch für Blatt Papier, könnte dem Konzept nach eine neue Seite in der Firmengeschichte der H&M-Gruppe beschreiben. Slow Shopping statt Fast Fashion heißt das Credo, das nun bewusster lebende und gleichzeitig zahlungskräftigere Kunden anziehen soll. Neben eigenen Kreationen, die sich an der »nordischen Tradition von Funktionalität und langlebigem Design« und damit mehr an den skandinavischen Wurzeln orientieren, wie Ulrike Bernhardtz, Creative Director bei Arket, erklärt, werden auch ins Konzept passende, markenfremde Produkte angeboten. Der erste Arket-Store eröffnete am 25. August 2017 in London, hierzulande kann man über den Online-Shop bestellen, der zeitgleich mit der ersten Shoperöffnung in 18 europäischen Ländern gelauncht wurde.

Schnell und schneller

Bekannt geworden ist das schwedische Familienunternehmen, das in diesem Jahr 70-jähriges Jubiläum feiert, für einen dem Arket-Modell gegenteiligen Ansatz. Aus der Idee von Gründer Erlin Persson, leistbare Mode anzubieten, und dem ersten Damenbekleidungsgeschäft mit dem Namen Hennes, schwedisch »für sie«, wurde ein Geschäftsmodell, das die Modeindustrie vor neue Herausforderungen stellte und H&M bis heute zum zweitgrößten Modeunternehmen machte. Der Konzern prägt seit Jahren das immer wieder kritisierte Fast-Fashion-Modell, das vor allem auf Schnelllebigkeit basiert. Innerhalb weniger Wochen schafft es das Unternehmen, einen Entwurf als fertiges Produkt in die Stores zu bringen. Neben eigenen Kollektionen versucht sich H&M zudem mit immer neuen Kollaborationen neu zu erfinden – während die ersten Kreationen von Designern wie Karl Lagerfeld kreiert wurden, arbeitet man heute auch mit Musikern, in dieser Saison etwa mit Ace Tea und The Weeknd, zusammen. Ob das Hip von Hip Hop dabei auf H&M abfärbt? Schwer zu sagen, doch dem Konzept nach sollen trendbewusste Kunden durch die laufende Kreation neuer Kollektionen und durch das ständig wechselnde Sortiment möglichst oft in die Geschäfte gelockt werden. Das gelingt, brachte dem Moderiesen in den letzten Jahren allerdings immer wieder Kritik für die Produktionsbedingungen ein.

Die schnelle und vergleichsweise günstige Produktion macht dem Unternehmen aber auch auf andere Weise zu schaffen. Durch die langen und kostenintensiven Transportwege wird H&M in Sachen Schnelligkeit und Profitabilität von der Konkurrenz überholt. Das erste Mal seit vier Jahren sanken Verkaufszahlen und Umsätze, die H&M-Aktie ist auf dem niedrigsten Stand seit 2011 – nicht zuletzt, weil sich der Druck auf die Modekette durch die starke Konkurrenz erhöhte. Marktführer Inditex (Zara, Bershka, Pull & Bear) produziert seine Ware zu 60 Prozent in Europa und Afrika und kann seine Kollektionen durch kürzere Transportwege noch schneller in die Läden bringen, Mitbewerber Primark schafft es, seine Mode noch billiger anzubieten. Zudem gibt es auch im immer wichtiger werdenden Onlinehandel Aufholbedarf für den Konzern, wie Vorstandschef Karl-Johann Persson bei der Vorlage des Geschäftsberichts Anfang des Jahres zugab. Dementsprechend gerät H&M gewissermaßen in Zugzwang. Seit 10 Jahren versucht man, das Angebot zu verbreitern – eine Strategie, die Konkurrent Inditex mit mittlerweile elf Brands schon viel früher verfolgte. Die erste Sub-Brand Cos erwirtschaftet heute einen Umsatz von einer Milliarde Euro – ein zweites Standbein ist sie aber, wie auch die ein Jahr später aufgekauften skandinavischen Marken Weekday und Cheap Monday, die eigens kreierte Streetwear-Brand Monki und die vor zwei Jahren eingeführte Marke &OtherStorys, nicht. Rund 90 Prozent der Umsätze werden nach wie vor von der Dachmarke H&M erwirtschaftet.

Zurück zum Ursprung?

Mit Arket setzt H&M nun auf Entschleunigung. Die Kollektionen sollen weniger oft wechseln und sich weniger an kurzweiligen Trends orientieren – stattdessen konzentriert man sich auf qualitativ hochwertiger produzierte Design-Klassiker. «Die Marken-DNA von Arket steht für Zeitlosigkeit, Frische, Qualität und Wärme. Die Zeitlosigkeit steht für einen Stil jenseits von Trends, die Frische ist das notwendige Gegenstück dazu, denn es ist für uns elementar, stets relevant, modern und neu zu bleiben. Bei der Qualität geht es nicht nur um das Tragegefühl der Kleidung, sondern auch um die Art der Produktion«, erklärt Kreativdirektorin des Labels Ulrika Bernhardtz. Ein Arket-Store, so die Kreativdirektorin, soll zu einem ganzheitlichen Einkaufserlebnis einladen und die auf Qualität, Funktionalität und Nachhaltigkeit bedachten Kunden nicht zuletzt entspannen.

Dabei folgt man gewissermaßen dennoch einem Trend, denn Themen wie Nachhaltigkeit, Umweltbewusstsein und die Einhaltung sozialer Mindeststandards werden in der Textilproduktion zu einem immer größeren Thema, dem sich auch Mode-Großkonzerne PR-wirksam widmen. Kleidung, die aus Biostoffen oder recycelten Materialien hergestellt wurde, fand in den letzten Jahren den Weg von Öko-Shops auf internationale Laufstege von Top-Designern oder in die Kollektionen großer Brands. H&M startete 2013 seine Conscious-Collection, bei der man, so das Unternehmen, immerhin mit »umweltfreundlicheren« Grundstoffen arbeitet. Das Bestreben, die Bedingungen für Arbeiterinnen und Arbeiter in Entwicklungsländern zu verbessern, sich mehr für den Umweltschutz zu engagieren oder weniger Chemikalien zu verwenden, steht nicht zuletzt auf der Agenda der H&M-Gruppe, weil Konsumenten mündiger und informierter geworden sind. Laut einer Studie des deutschen Zukunftsinstituts spielt für 69 Prozent der Konsumenten die Einhaltung von Sozial- und Umweltstandards eine Rolle bei der Kaufentscheidung, 67 Prozent legen beim Kauf Wert auf nachhaltige Produktion und nachhaltigen Vertrieb und für 66 Prozent ist die Transparenz der Herstellungsbedingungen relevant. Mit den LOHAS, englisch kurz für Lifestyles of Health and Sustainability, hat sich eine Konsumentengruppe entwickelt, die nachhaltige, faire und umweltbewusste Produktion nicht nur als moralisch korrekt, sondern zudem als »cool und anders« begreift und Modebewusstsein und Gesundheitsbewusstsein vereint. Genau diese Zielgruppe will man mit Arket nun ansprechen und setzt dabei neben Nachhaltigkeit auf Transparenz.

Betrachtet man die Geschichte des Unternehmens, wird die Bobo-Familie, die Bio-Birkensaft trinkend durch einen Arket-Shop schlendert und neben dem Pullover aus Merino-Wolle auch fair gehandelte Kaffeebohnen in den Einkaufskorb packt, zum Paradoxon. Dennoch versucht das Unternehmen, mit seiner neuen Marke mehr Transparenz zu schaffen und Kunden den neuen Weg glaubhaft zu machen. Mit der Arket-ID können Konsumenten bei jedem Kleidungsstück nachvollziehen, welche Materialien verarbeitet wurden und wo das Produkt produziert wurde. Käuferinnen erhalten nicht nur Informationen darüber, welches Garn verarbeitet wurde, sondern auch in welcher Weise es verarbeitet wurde. 80 Prozent der Produkte werden weiterhin in Asien produziert, 20 Prozent in Europa. Aber nicht nur die Produktion betreffend erhalten Kunden einen Einblick in die Arbeitsweise des Konzerns: Arket stellt auch Hintergrundinformationen zum Designprozess bereit, erklärt, woher Inspirationen für bestimmte Muster stammen, oder wie der Trenchcoat zum Kultobjekt wurde. Insgesamt setzt die Brand bei ihren Designs auf weiche, großteils gedeckte Farben und cleane, klassische Schnitte. Das Design, so Ulrike Bernhardtz, sei international ausgerichtet, skandinavisch sei daran vor allem die Idee der Funktionalität und Praktikabilität.

Voll und ganz skandinavisch ausgerichtet ist dagegen das angeschlossene Café, in dem den Kunden vegetarische und gesunde Kost angeboten wird. Wer sich die Zeit zum Einkauf abseits von Onlineshops nimmt, soll diese angenehm verbringen können, so die Idee. Damit setzt Arket eher auf ein altes Konzept mit neuer Marketingstrategie. Dennoch: Der Wochenmarkt, auf dem einkaufen wieder mehr Freude als Stress bereitet, auf dem man gerne länger verweilt und auf dem frisch zubereitetes Essen neben Kleidung und Produkten des täglichen Bedarfs angeboten wird, ist zwar nicht neu, nicht unbedingt skandinavisch und nur bedingt hip, darf letzteres aber gerne werden.

Arket liefert auch nach Österreich, hier geht’s zum Onlineshop. Wann hierzulande ein Arket-Store eröffnet, ist noch nicht bekannt.

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