The Prodigy sind 2015 mit einem neuen Album zurück. Mit Keith Flint haben wir über das Altern, USB-DJs und das Verhältnis zu Österreich gesprochen.
The Prodigy sind zurück, mal wieder. Nach definierenden 90er Alben haben die Briten noch nicht aufgehört, an ihrer Idee von Punk und Breakbeat weiterzumachen, so auch auf dem neuen Album, "The Day Is My Enemy", das am 27. März erscheinen wird. Nach sechs Jahren Blaupause und der Ansage, mindestens gleich bedeutend zu sein wie Oasis und Blur, ist man 2015 wieder zurück.
Das Album dabei klingt. nun ja, nicht neu, dafür aber bekannt, nach ihrer Handschrift eben. Vocoder-Ansage, Amen Breaks, Fick das System-Attitüde, alles beim Alten. Weil im schnelllebigen Musikbiz solche Beständigkeit eigentlich Fremdwort ist, kann man das irgendwie gut finden, werden sich auch The Prodigy selbst denken.
Bei der Gelegentheit, mit Keith Flint zu sprechen, hat der Mastermind verraten, welche Drogen ihn über die Jahre in Form halten, ob man in Großbritannien Haftbefehls Heckmeck kennt und warum The Prodigy Österreicher so gut finden.
Euch gibt es 2015 noch. Welche drei Worte beschreiben das neue Album?
Aggressivität, Heavy, pure Energie.
Zwischen "Invaders Must Die" und "The Day Is My Enemy" sind sechs Jahre vergangen. Was habt ihr die ganze Zeit über gemacht und warum gerade jetzt ein neues Album?
Ehrlich gesagt waren vier der sechs Jahre eine einzige Ansammlung von Gigs. Bei all dem Fun, die uns jeder Auftritt bereitet, lässt das Rotieren zwischen Bühne und Hotelzimmer wenig Zeit zu, um neue Musik zu machen, und vor allem, sich intensiv damit zu beschäftigen. Weil wir nicht Labels hinter uns haben, die ein neues Album pushen, können wir zudem selbst bestimmen, wann es Zeit wird, mit neuem Material an die Öffentlichkeit zu gehen.
Wir hatten wir nie das zwingende Gefühl, etwas dringend mitzuteilen, bis vor etwa zwei Jahren. Der Trend um elektronische Musik im Pop lässt sich ja schon länger beobachten. Ob Rap oder Rihanna, Dance Music ist so kommerzialisiert, dass wir finden, es ist an der Zeit, ein Zeichen zu setzen. Bei all der Cheesyness wollen wir mit unserer Musik das dunkle Gegenstück liefern, das Ying Yang elektronischer Musik sozusagen.
Das klingt nach jeder Menge Energieverschluss. Wann bist du denn das letzte Mal 48 Stunden wach geblieben? Raver machen sowas ja.
Das ist gar nicht so lange her und war die letzten Monate eigentlich ziemlich normal. Während der Album-Aufnahmen vergisst man sowas wie Zeitgefühl recht schnell. Irgendwann merkt man, dass es schon wieder 6:00 Uhr morgens ist, obwohl man den Morgen zuvor ins Studio gekommen ist – man gewöhnt sich an alles, auch an Tageslicht-Entzug.
Deswegen auch der nachtaktive Fuchs auf dem Cover?
Ja schon. Nachdem wir das Studio mal wieder verlassen hatten, ist uns sicher drei Mal die Woche ein Fuchs über den Weg gelaufen. Irgendwann hats bei mir Klick gemacht und ich hab die Verbindung gesehen. The Prodigy und Großstadtfüchse sind sich ziemlich ähnlich. Beide funktionieren nachts am Besten, machen das, was sie für richtig halten und vertreten eine gewisse Außenseiterrolle. Auch vom Inhalt der Platte passt die Symbolik ganz gut, was sich auch am Titel der Platte ablesen lässt.
"The Day Is My Enemy" stammt ja eigentlich aus Ella Fitzgeralds Song "All Through The Night", dessen Lyrics Cole Porter geschrieben hat. Ich hab den Refrain vor Jahren in irgendeinem Pub gehört und seitdem sind die Zeilen bei mir hängen geblieben. Ursprünglich hätte das neue Album "How To Steal A Jet Fighter" heißen sollen, während der intensiven Nacht-Aufnahmen fanden wir den jetzigen Titel jedoch passender. Prodigy macht eben Night Music, nichts für Mittagskränzchen.
Viele Österreicher finden eure Musik richtig gut. Kann man die neuen Songs auch hier Live hören?
Ja klar, wir werden irgendwann im Sommer nach Österreich kommen. (beim Frequency, Anm.d.Red.) Die letzten Gigs waren ja immer großartig, und mit Österreich verbinden uns generell gute Erinnerungen.
Welche?
Damals, zu Beginn der 90er, als das ganze Warehouse- und Technoding noch total neu war, lief in Österreich und Deutschland der große Rave. Wir sind dann oft nur deswegen zu euch gereist, also dem Feiern wegen. 1991 haben sich The Prodigy gegründet, 1993 hatten wir dann unseren ersten Gig in Österreich. Die Leute feierten uns hier schon damals ab, obwohl wir noch recht unbekannt waren. Sowas vergisst man nicht.
Die neuen Songs kommen wieder zornig daher. Von wem abgehört?
Wir hören uns nicht Musik andere Leute an, um dann davon abzukupfern. The Prodigy macht stets seinen Sound, der aus drei wesentlichen Zutaten besteht: Punk, Public Enemy und Rave. Das sind unsere Quellen, das war immer so und wird auch so bleiben. Aber klar, man bekommt schon mit, was sonst noch geht. Während der Albumaufnahmen haben wir zum Beispiel jede Menge Pirate Radio gehört, wo über Old School Jungle bis zu Grime immer Gutes läuft.
Public Enemy, also Rap, gibt es auch auf Deutsch. Noel Gallagher sagte kürzlich, deutschsprachiger Hip Hop sei das absurdeste Genre wovon er jemals gehört hat. Wie findest du Haftbefehl?
Haha. Na gut, Noel sagt viele komische Sachen, davon braucht man nicht alles allzu ernst nehmen. Aber ehrlich gesagt habe ich keine Ahnung wer Haftbefehl ist, aber das liegt vermutlich daran, dass ich bis jetzt noch keinen Rap aus Deutschland gehört habe. Worauf ich im Moment persönlich ziemlich abfahre, ist Hip Hop aus den Niederlanden, genauer gesagt DOPE D.O.D. Seine Rhymes und Beats, fuckin great.
Ihr steht ja wirklich auf Reime. Für euren Song "Ibiza" sind die Sleaford Mods als Feature dabei. Gemeinsam auf Ibiza Urlaub gemacht oder wie kam es dazu?
Nicht ganz. Nachdem ich mit Prodigy einen Gig auf der Insel hatte, blieben viele Eindrücke der dortigen Szene hängen. Nicht falsch verstehen, ich hab nichts gegen das Land oder die Leute, die auf Ibiza leben, aber es gehen an diesem Ort echt viele beschissene Sachen vor sich.
Irgendwelche Typen, die sich als DJs ausgeben, weil sie Menschen zum Mitklatschen bringen und dabei nichts als einen USB Stick bedienen können, ein einziger Witz sowas. Das sind Animateure, nicht Musiker. Fünf Minuten Ruhm, sich abfeiern lassen, Geld einsacken und das wars. Jason (Sleaford Mods) und ich haben uns irgendwann kennengelernt. Weil ich wusste, dass er ähnlich wie ich über das Musikbusiness und manche Dinge, die dort vor sich gehen, denkt, machten wir einen gemeinsamen Song daraus.
Der Song "Beyond The Deathray" klingt im Vergleich zu den anderen Songs ziemlich friedlich, irgendwie ungewohnt. Gibt es doch noch Hoffnung für die Menschheit?
Naja, eigentlich scheint es, dass es alles noch schlimmer wird als bisher. Also nicht gerade positive News für die Zukunft. Aber ja, in all dem Chaos und der Hektik, die das Musikgeschäft, das Leben und besonders das neue Album mit sich bringen, ist es wichtig, mal runterzukommen, einen Augenblick innezuhalten. Ein Lichtblick zwischen der ganzen Dunkelheit, dafür steht "Beyond The Deathray".
Es gibt nicht viele Musikvideos, die so provokant waren wie "Smack My Bitch Up". Ist sowas heute noch möglich, mit all dem Stuff im Internet?
Ganz klar, Nein. Was sich im Web rumtreibt und nur zwei Klicks entfernt ist, dagegen wirkt "Smack My Bitch Up" ziemlich harmlos. In dem Ausmaß wie Damals wäre das Heute sicher nicht mehr möglich.
Dazu muss man sagen, wir wollten mit dem Video nie einfach nur schocken oder provokant sein. Wir sind ja nicht Marilyn Manson oder so, das war mehr ein natürlicher Prozess. Uns ging es auch nicht darum, auf uns aufmerksam zu machen. Zu der Zeit wurden in Großbritannien ja heftig Zensurmaßnahmen diskutiert. Durch das Video wollten wir ein Zeichen setzen, und dann ging die Kontroverse eben los.
Im Video gehts auch um bunte Pillen und so. Kannst du welche empfehlen, damit man das so lange durchhält wie ihr?
Gute Frage. Um ehrlich zu sein, wenn man so lange im professionellen Musikgeschäft dabei ist wie wir, läuft die Zeit irgendwann anders ab. Das übliche Zeitgefühl geht dann verloren. Man denkt nicht, "in 3 Jahren werde ich 40", sondern nächstes Jahr kommt das neue Album raus. Das sind dann so Zyklen die man durchlebt. Tour, Studio, Promo usw. Ich schätze, das Musikding ist die Droge, die für uns am besten funktioniert. Sowas hält wach, kann ich dir sagen.
Das neue Album "The Day Is My Enemy" von The Prodigy erscheint am 27. März. Live hören kann man die Songs in Österreich auf dem Frequency Festival, von 20. bis 22. August.