Niemand kann Austrotrash so gut wie Kurt Razelli. Und das seit ziemlich genau drei Jahren. Ein Porträt eines Mannes ohne Gesicht.
ATV- und Austrotrash
Ja, es würde ihn freuen, ein Album zu machen; an die Rechte zu kommen wird allerdings das Hauptproblem sein. Analog zu Austropop sollte das Genre wohl Austrotrash heißen – ganz ohne das negativ zu meinen. Denn Kurt Razelli macht gute, richtige Arbeit, indem er aus dem ganzen Fernseh-Junk Food feine Häppchen zaubert. Genießbar werden sie aber erst durch mehrmaligen Konsum. Ob Hochkultur, Pop, Trash oder wertige Unterhaltung – all das wird erst durch eine gewisse Auseinandersetzung spannend und verständlich. Gut gemachter Trash ist ja nicht einfach glatt oder zugänglich. Man muss sich einlassen. In diesem Fall auf den »Razelli-Style«, wie er ihn selbst betitelt. Missverständnisse passieren erst, wenn diese Auseinandersetzung nicht stattfindet. Wie die Vermutung, dass Razelli ausländerfeindlich sein könnte oder einem bestimmten politischen Lager angehören würde. Völlig unbegründet, wenn man das Gesamtbild im Auge behält und sich ein bisschen Mühe macht in »die eigene Welt«, wie Razelli sie nennt, einzutauchen. Eine Mühe, die es immer wert ist, egal, ob es um die Vamummtn, Moneyboy oder Mozart geht.
In ein anderes Licht gerückt
Nur, weil nicht alles immer 100%ig ernst gemeint ist, ist Mister Kurt Russels Musik – so heißt der Youtube-Kanal – aber noch keine Verarsche: »Das einzige Mal, wo ich Material wirklich in ein anderes Licht gerückt habe, war beim ‚Stronach Song’. Aber sonst verdrehe ich die Aussagen ja nicht. Die Leute sagen das ja so vor einer Kamera, präsentieren sich so. Das kann man dann nur insofern als Verarsche bezeichnen, als das Original schon eine Verarsche ist.« Auch seine Leadsänger fühlen sich – so wie in Filmen von Ulrich Seidel – eher geschmeichelt als parodiert. Robert Nissel, bekannt aus der ATV-Serie »Das Geschäft mit der Liebe«, hat ihm persönlich geschrieben; sonst verfolgt Razelli interessiert via Facebook, wer seine Songs teilt und unterstützt. Auch kritische Stimmen, die Haters, beobachtet er – eingreifen würde er bei negativen Kommentaren aber nicht.
Das Gespenst Razelli
ATV und ORF legen ihm wegen der Rechte in Moment keine Steine in den Weg. Da Razelli außer über Merchandise so gut wie kein Geld mit den Songs verdient, scheinen sie sich eher über das gratis Werbefenster zu freuen. Gerade in Österreich, wo »Promis« erst mühsam in eigens dafür geschaffenen TV-Formaten herangezüchtet und vom Boulevard herbeigeschrieben werden müssen, können sich Sender – ob öffentlich oder privat – über jeden weiteren Verstärker freuen.
Razelli möchte nun nicht, dass man weiß, wer genau ihn gerne vor den eigenen Karren spannen wollte, aber ja, es gab solche Anfragen. Er weiß auch, dass er sich bei seinen Fans unbeliebt machen würde, wenn er im Razelli-Style plötzlich Werbung machen würde. Aber es geht ihm nicht nur darum, Razelli will sich einfach ungerne in sein Konzept reinreden lassen: »Das Gespenst Razelli«, »der Mythos Razelli«, so will er wahrgenommen werden. Nur nicht zu viel preisgeben. Interviews wählt er sorgfältig aus – so war das Gespräch zu diesem Porträt – nach einem Text im Ballesterer – erst der zweite Termin mit einem Magazin. Auch bei Live-Auftritten ist er wählerisch: »Es muss einfach passen. Auf irgendeiner Geburtstagsparty spiel’ ich sicher nicht«, sagt er. Geburtstage von Freunden – dafür macht er natürlich Ausnahmen.
Immer mit Maske
Die Maske bleibt so gut wie immer auf dem Gesicht. »Komischerweise wär’s ja den Leuten ziemlich wurscht, wenn ich das ohne Maske machen würde. Es ist halt trashiger, wenn ich das mit Maske mach’ und es war einfach auch von Anfang an ein Markenzeichen.« Jetzt gerade trägt er die Züge der Heldin des »Wien Song« auf seiner Maske. Andere Charaktere – wie er seine geborgten Sänger nennt – werden auch noch drankommen. Er hat sie alle wirklich gern. Über ein Foto mit Marko Arnautovic, Star des »Arnautovic Song«, würde er sich ganz besonders freuen, Gerhard »Disco« Doser aus »Wir leben im Gemeindebau« möchte er gern kennenlernen.
Pläne? Am Live-Auftritt wird Razelli noch ein wenig feilen, bald steht das 100. Video an – da sollte was Größeres kommen. Wenn Razelli den Geburtstag seiner Kunstfigur nicht wieder vor lauter Stress verpasst, wird es wohl auch demnächst Feierlichkeiten geben. Mit der Musikproduktion und Verbreitung über Youtube wird es weitergehen wie gehabt. Und welche Musik hört Razelli so privat, gibt es Einflüsse? Nur Kurt Razelli. »Ich bin selbstverliebt, ich kann nur mich selber hören die ganze Zeit«, sagt er und grinst breit.
Über 90 Videos aus Kategorien wie »Disco«, »Alltagsgeschichten«, »Fußball« oder »Politiker« finden sich bereits auf dem Kanal des maskierten Musikers: www.youtube.com/user/MisterKurtRussel
Die Autorin auf Twitter: @oidaamira