Sportla san mia! – E-Sport und Videospiele ernst nehmen statt Stereotype zu dreschen

Eine Replik auf Florian Vetters Der-Standard-Kommentar zur angeblich nutzlosen »Fortnite«-WM.

In einem Kommentar in Der Standard empört sich ein überraschend junger Sportjournalist über die »Fortnite«-Weltmeisterschaften. Unreflektierte, käseweiße Nerds seien das. Gesund ist das sicher nicht. Süchtig macht das auch. Mit Sport hat es natürlich nichts zu tun und gesellschaftlichen Nutzen hat es ebenfalls keinen. Pauschale Verweise auf wissenschaftliche Fakten – die natürlich, so man sie tatsächlich recherchiert, so eindeutig nicht sind – bekräftigen den Anspruch objektiver Beurteilung. Aber was Kommentator Florian Vetter hier abliefert, ist billiges, unreflektiertes Gepolter, das so wohl nur abgedruckt wird, weil Videospielkultur trotz aller Breitenwirkung noch immer die Akzeptanz fehlt.

Demonstrativ geschwellte Brust

Besonders auffallend und gleichzeitig naheliegend ist, dass dieser Kommentar, der an die moral panic der 2000er erinnert, aus dem Sportressort kommt. Das schreibe ich als Gamer und ehemaliger Leistungssportler. Über den Vorwurf, E-Sport würde von einer milliardenschweren Industrie getragen und habe keinerlei gesellschaftlichen Nutzen kann man mit Blick auf Fußball und Formel 1 fast nur schmunzeln. Das ist die demonstrativ stolz geschwellte Brust des verunsicherten Platzhirsches, mit der hier geschrieben wurde. Der Sport als wackelnde Bastion von Männlichkeit und Heldentum ist erzürnt, mit diesen käseweißen Nerds in Verbindung gebracht zu werden – vielleicht getrieben vom verdrängten Bewusstsein, selbst genauso viel oder wenig zu nutzen.

Als Wettkämpfer auf internationalen Karate-Turnieren habe ich viel vom kompetitiven Spielen an der Konsole gelernt. Hier konnte ich üben, unter Druck fokussiert zu bleiben. Hier habe ich die Erfahrung gemacht, dass scheinbar Unmögliches mir viel Übung möglich wird. Und bei Stresslevel-Messungen, die wir gemeinsam mit dem Sportinstitut der Uni Graz am Grazer Button Festival durchgeführt haben, hat sich gezeigt, dass E-SportlerInnen ähnlich souverän mit Stress umgehen, wie ihre  Pendants im Hochleistungssport. Aber darum geht es Florian Vetter wohl nicht wirklich.

Unreflektierte Stereotype

Massentaugliche Empörung ist das Beste, was im medialen Kampf um Aufmerksamkeit passieren kann. Digitale Spiele sind in diesem Zusammenhang noch immer gefundenes Fressen. Sicher passiert rund um diese Spiele vieles, das kritikwürdig, manches, das besorgniserregend ist. Aber daran wird sich durch unreflektierte Kommentare eines Stereotype dreschenden Sportjournalisten nichts ändern. Ganz im Gegenteil: Es braucht Medien, die Videospiele und ihre Kultur ernst nehmen und verstehen, wann nicht nur gepoltert, sondern konstruktiv kritisiert werden soll.

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