»Niemand ist zufrieden mit seinem Vermögen, und jedermann ist zufrieden mit seinem Verstande.« (Leo Tolstoi)
»Step into my office, baby« (Belle & Sebastian)
Yetis, es gibt sie wirklich. Nicht die behaarte Variante aus Film und TV-Dokus. Die urbane Form. Die Yetis, die ich meine, sind menschlich, verhalten sich aber so irregulär, dass man denkt, sowas kann es nicht geben. Tut’s doch. Menschen, die tatsächlich jene Fäustling-Paare für Verliebte tragen, bei denen es zwei normale Fäustlinge und einen fürs Händchen-Halten gibt. Mädels, die T-Shirts mit der Aufschrift »popp that pussy« tragen, und bei Jungs mit »Schluck, Du Sau«-Auto-Klebern einsteigen. Frauen, die sich schmucke Selbst-Verwöhn-Wellness-Abende einrichten, mit Duftkerzen, Aromatherapie, Badezusätzen, Glockenklang-CDs und Marille/Mandel-Gesichtsmaske. Indie-Style-Cheftheoretiker mit dicker Brille, die Elliott Smith für den wichtigsten Songwriter der 90er Jahre halten. 23-jährige Chefverkäufer, die 3.500 Euro im Monat verdienen, denen ihr Job und die verdiente Kohle über alles geht und die mit Ausnahme der drei oder vier einverleibten Leistungs-Prinzipien keinerlei Gegenargumente anerkennen. Vielleicht ist Yeti das falsche Wort, aber wahrscheinlich ist es exakt richtig. Wie sollte man Menschen nennen, deren Existenz man für unmöglich gehalten hat, die man aber trotzdem plötzlich trifft? Im richtigen, echten Leben und von Angesicht zu Angesicht. Und der Chefverkäufer redet nur von seinem Audi A3, der bald ein Audi A4 Turbodiesel wird. Und der Indie-Theoretiker redet über den postmodern-revolutionären Impetus der Modemarke Ferragamo. Und die Selbstverwöhn-Frau arbeitet in der Finanzabteilung und freut sich auf zusätzliche Projekte, da dies ihrer Karriere sicher förderlich sein wird. Und die Scooter-Mädels und -Jungs halten zusammen, wenn es in der Disco hart auf hart kommt, und die Verliebten-Fäustlings-Pärchen trennen sich, weil es keine richtige Kommunikation mehr zwischen ihnen gibt. Er findet Jennifer Aniston plötzlich zum Kotzen und sie, sorry du, aber ich mag dich nicht mit den Kumpels durch die Kneipen ziehen lassen, das ist mir zu sehr nicht echt, sondern. Also kaufen sie die passenden Yeti-Produkte. Eine Schattenspiel-Krippenspiel, eine Raritäten-Box von Elliott Smith, eine Rolex und einen Artikel über richtig guten Sex in der /Maxima/. Und das Traurigste daran: Niemand erkennt die Großartigkeit der Unplugged-Aufnahmen von Tori Amos, weil alle viel zu sehr damit beschäftigt sind, ihrem eigenen Traum nachzujagen; der dann doch nur ein vorfabriziertes Schmuckstück ist. Weil schon Marx erkannt hat, dass alles Produkt ist, sogar man selbst. Da liegen die Buddhisten mit ihrem Dogma vom aus Leiden bestehenden Leben falsch, denn die Lösung ist eben nicht, sich klarzumachen, dass man den Plan nicht ändern und jederzeit sterben kann, sondern dass man nicht alles kaufen kann und man daher die Dinge, die man kaufen kann, nochmal höher wertschätzen sollte. Aber das ist auch keine Lösung (und in Gedanken an asiatische Rennboliden glaube ich fast, die wissen das auch).