Stefan Raab: Das Ding der letzten Jahre

Stefan Raab meldet sich im Fernsehen zurück – zumindest als Produzent. Wir haben uns noch einmal seine Karriere angesehen. Und Raabs Balanceakt zwischen Peinlichkeit und Entertainment.

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© Pro Sieben / Willi Weber

Fleischhauer sein ist wirklich nicht sexy. Stefan Raab ist eigentlich auch nicht sexy, aber irgendwie eben doch. Die Ambivalenz Raabs findet sich schon in seinen Ursprüngen: Während er eine Fleischhauerlehre im Betrieb seiner Eltern machte, studierte er nebenbei Rechtswissenschaften. Ersteres bringt einen dazu, nervös zu kichern, Zweiteres zu einem approving Kopfnicken. Stefan Raab ist wie Risotto: auf den ersten Blick nicht immer überzeugend oder besonders ansprechend, aber dann doch sehr geil.

Raab verdankt seine Sexyness vor allem seinem Erfolg der sich aus Durchhaltevermögen, Innovationen und bösartigem Humor zusammensetzt. Immer wieder bestand der Mann mit den großen Zähnen den Balanceakt zwischen Peinlichkeit und peinlich gutem Entertainment. Damit dominierte er die TV-Unterhaltung im deutschsprachigen Raum für mehr als zwei Jahrzehnte.

2015 wurde dramatisch das Ende seiner TV-Karriere verkündet, seit gestern wissen wir: So endlich ist das Ende nicht. Raab will als Produzent im Hintergrund an der neuen Pro-Sieben-Show „Das Ding des Jahres“ mitwirken. Comebacks können ganz schön nach hinten losgehen, wir sind gespannt wie der er das ambitionierte Ziel „unpeinliches Comeback“ angehen wird. Bevor wir uns aber der Zukunft widmen, blicken wir noch einmal zurück: Momentaufnahmen einer Karriere.

Raab: Musiker und Produzent

Achtung, es folgen ein paar unangenehme Ohrwürmer! Begonnen hat Raab seine Musikkarriere eigentlich mit der Produktion von Jingles. Dann kam „Böörti Böörti Vogts“, ein Lied in dem sich über den damaligen Fußball-Bundestrainer lustig gemacht wurde und das viele Fußballfans da abholte, wo sie musikalisch so stehen. Es folgten (Achtung, harter Ohrwurm): „Ein Bett im Kornfeld“ mit Die Bekloppten feat. Jürgen Drews & Bürger Lars Dietrich, „Hier kommt die Maus“ und „Sexy Eis“ mit Bürger Lars Dietrich.

Auch schön: „Hol mir ma ne Flasche Bier“ und der in Zusammenarbeit mit Shaggy entstandene Song „Gebt das Hanf frei“. Beide Songs wurden Anfang der Nullerjahre veröffentlicht und sind Politikerparodien. Erstere bezieht sich auf den damaligen Kanzler Gerhard Schröder, der sympathischerweise vor laufender Kamera artikulierte, dass er Bock auf eine Flasche Bier hätte. Und „Gebt das Hanf frei“ auf eine Aussage von Grünen-Politiker Christian Ströberle. Den größten musikalischen Hit hatte er dann aber wohl 1999, als er in seiner Show „TV Total“ das Lied „Maschendrahtzaun“ performte.

Eurovision Song Contest

Stefan Raabs Engagement beim Song Contest ist repräsentativ für seinen Balanceakt. Der Eurovision Song Contest ist an sich jetzt nicht das Event, bei dem man sich auf musikalisch hochwertige Innovationen freut oder das man mit dem Prädikat „cool“ auszeichnen würde. Trotzdem hat Raab es geschafft, mitzumachen, ohne dass es so richtig peinlich wurde. Das erste Mal schickte er 1998 Guildo Horn mit (erneute Ohrwurmgefahr) „Guildo hat euch lieb“ ins Rennen, dieser erreichte immerhin Platz sieben. Wer das peinlich findet, sollte bitte daran denken: Es waren die 90er. Außerdem muss man schon zugeben, dass das Konzept der Unterhaltung mit dem Sänger als Personifikation der Vokuhila funktioniert.

Raab gab sich zwei Jahre später selbst die Ehre und performte für Deutschland „Wadde hadde dudde da“. Nicht besonders anspruchsvoll, trotzdem überzeugte der stumpfsinnige Text, kombiniert mit trashiger Entertainer-Perfomance – zumindest die Deutschen. Es folgte die von Raab organisierte Entsendung von Max Mutzke, der Mann mit der Monobraue, dann kam Lena Meyer Landrut, die das „Ding“ ja bekanntlich nachhause holte und dort gleich noch einmal performen durfte. Über das musikalische Niveau der beiden kann gestritten werden. Fakt ist, dass die Deutschen Raab zu einer Art Nationalheld erhoben, nicht zuletzt weil das „Wir sind Song Contest“-Gefühl eben schon ganz nice ist.

Raab: Das TV-Wunder

Ab 1993 moderierte Raab die Sendung „Vivasion“ auf Viva. Wer sich an 1993 nicht mehr erinnern kann, findet hier einen schönen Ausschnitt in repräsentativer 90er-Qualität, in dem Raab in jungen Jahren Falco (!) interviewt.

1999 kam dann der Durchbruch: Die Sendung „TV total“ wurde gestartet. Eine fahrbare Couch, Spott und Hohn für den Großteil der restlichen Medienlandschaft und die regelmäßig eingespielten Nippel machten das Format erfolgreich. Die Interviews waren zum Teil einfach nur eine Aneinanderreihung verbaler Ohrfeigen Raabs – der ein oder andere Gast wirkte dementsprechend fast ehrfürchtig. Im Jahr 2001 wurde dann der „Praktikant“ Elton eingeführt, der als pummeliger, unbeholfener Sidekick zum Publikumsliebling wurde.

Einer der schönsten Momente von „TV total“ war sicherlich das Interview mit Will Smith. Smith sorgt für die Lässigkeit, das deutsch ausgeprochene „TH“ Raabs für den Rest.

Die Übernahme

Danach übernahm Stefan Raab Pro Sieben förmlich. „TV total“ trieb die Quoten in die Höhe und Pro Sieben zum Höhepunkt. Der Erfolg gab Raab recht und brachte ihm Sendezeit: „Schlag den Raab“ zeigte den Entertainer als unfassbar zähen, verbissenen Endgegner, denn Raab agierte hier eher als Cyborg denn als Mensch. Obendrauf kamen dann Formate wie „Stock Car Crash Challenge“, „TV total Turmspringen“ und die „Wok-WM“, wofür Raab stets seine solide Fanclub-Sammlung deutscher A- bis C-Promis um sich versammeln konnte. 2012 moderierte er auch die Show „Absolute Mehrheit“, die versuchte, politische Argumentationen in den Mainstream-Unterhaltungsbereich zu bringen. 2013 agierte er beim TV-Duell von Merkel und Steinbrück ungewohnt seriös neben Anne Will.

Das Ende

Stefan Raab hatte gegen Ende von „TV total“ dann doch mit sinkenden Quoten zu kämpfen und konnte den Eindruck eines etwas angestaubten Showmasters nicht ganz vermeiden. So tat er das Schlauste, was berühmte Mainstream-Menschen in dem Fall machen und was Bands wie beispielsweise Die Toten Hosen verpasst haben: Er beendete seine Karriere. Aber nicht ohne letzten Streich: Raab schützte sein Privatleben immer und war ein großer Feind der Boulevardzeitungen. Seinen Rücktritt verkündete er am 17. Juni 2015 um 22:11 Uhr. Innerhalb der Medienbranche wurde gemunkelt, dass Raab diesen Zeitpunkt bewusst gewählt hätte, weil er nach dem Redaktionsschluss diverser Boulevardmedien lag.

Die offene Frage: Der Duschkopf

Doosh – Screenshot: Butlers.com

Vielleicht der ungewöhnlichste Punkt in Raabs Karriere. Man stellt sich die Frage, warum zum Teufel ein Mensch wie Raab einen Duschkopf entwickelt, ob er das ernst meint oder ob das alles eine ironische Aktion, wie man sie heutzutage von Jan Böhmermann kennt, ist. Anyway, Raab entwickelte einen Duschkopf namens „Doosh“, der es ermöglicht zu duschen, ohne das die Haare nass werden. Warum er das getan hat, werden wir wohl nie erfahren – vielleicht kommt es im Rahmen seines Comebacks noch raus.

Wie gestern bekannt wurde, wird Stefan Raab als Produzent der Pro-Sieben-Show „Das Ding des Jahres“ sein TV-Comeback feiern. Hinter der Kamera, wohlgemerkt. Der Start der Show ist fürs erste Halbjahr 2018 geplant.

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