Sommerzeit ist Impulstanz-Zeit. Auch in diesem Jahr wartet das Festival mit einem umfangreichen Programm aus Workshops und Performances auf, zudem lockt die beliebte Nightline jeden Abend ins Vestibül. Wir haben mit dem künstlerischen Leiter des Workshop-Programms, über die Kuratierung und die Anfänge des Festivals gesprochen.
Dieses Jahr stehen rund 120 Performances und 250 Workshops auf dem Programm. Abgesehen von den Zahlen, die ja für sich sprechen: Welchen Stellenwert haben die Workshops beim Impulstanz Festival?
Lustigerweise hat Impulstanz ursprünglich als Workshop-Festival begonnen. Karl und Ismael (Karl Regensburger, Impulstanz-Leiter und Ismael Ivo, künstlerische Berater des Festivals) haben in einem Tanzstudio gearbeitet, Ismael als Lehrer und Karl als Buchhalter. Die beiden haben sich dann gedacht, sie könnten das besser, haben die Schmelz gemietet und dort drei Wochen lang mit fünf Lehrern 15 Workshops gemacht. Das lief vier Jahre lang, ohne irgendeiner Förderung – so lange, bis George Tabori, der damals das Schauspielhaus Wien geleitet hat, gesagt hat: „Wollt ihr nicht den Schlüssel zum Theater haben? Ihr könnt dort im Sommer dort Aufführungen machen.“ So ist alles 1988 losgegangen. Es gab damals insgesamt 17 Aufführungen, also elf angesetzte Performances und sechs Zusätze.
Gibt es andere Tanzfestivals die ein vergleichbares Workshop-Programm haben?
In Amerika gibt es das American Dance Festival auf einem Unicampus in North Carolina und und in Massachusets gibt es das Jacob’s Pillow Festival , die auch eine eine Mischung von Workshops und Performances offerieren. Diese Festivals laufen aber anders ab, es gibt Stipendien. Man kann dort nicht einfach hinfahren und mitmachen. Die Besonderheit hier ist ja, Amateure, Anfänger, Fortgeschrittene und Profis auf einem Festival zu vereinen, genauso wie Kinder, Senioren, Behinderte und Nicht-Behinderte. Ich habe mir schon öfters überlegt, als die Workshops immer größer geworden sind, ob man nicht einfach Sachen streicht, damit man noch mehr Platz für Zeitgenössisches hat. Aber diese Mischung ist eben etwas Einzigartiges, was gerade die zeitgenössischen TänzerInnen sehr schätzen. Die würden nie im Leben irgendwo hinfahren und Bollywood-Workshops machen, aber wenn sie hier sind, dann machen sie mit, weil sie es geil finden und sie auch aus diesen Kursen etwas für ihre eigene Arbeit mitnehmen können.
So etwas wie „Bollywood“-Stunden gibt es mittlerweile in jedem Fitnesscenter. Auch Boxworkshops, wie sie zum Beispiel Florentina Holzinger bei euch macht, sind eher sportlich. Wo liegt für dich die Grenze zwischen Tanzworkshop und Sport-Workout?
Die verschwimmt hoffentlich immer mehr. (lacht) Die Tanzmenschen haben uns eh am Schirm. Für uns ist eigentlich interessant, wenn mehr Leute kommen, die eher Angst vor kreativen Workshops haben, aber trotzdem Lust haben, sich zu bewegen. Wenn wir es schaffen, diese Menschen für uns zu gewinnen, dann werden sie sich eher trauen zu tanzen. Ich finde, dass man alle dort abholen sollte, wo sie stehen. Damit diese Leute Dinge probieren und sich trauen, ist es oft ganz gut, die Latten unterschiedlich hoch zu legen. Manche brauchen eine große Herausforderung, anderen liegt eher das Vorsichtige. Ich finde es total super, dass zum Beispiel über die Florentina, übers Boxen, Leute zu uns gekommen sind. Florentina ist ja zeitgenössische Tänzerin, sie verbindet Bewegungsmuster vom Boxen mit zeitgenössischem Tanz. Dann denkt sich jemand, der immer nur zugehauen hat: „Aha stimmt, das könnte man mit dieser Bewegung ja auch machen und es macht eigentlich Spaß!“
Welchen Kurs würdest du jemanden vorschlagen, der sich noch nie bewegt hat und der noch nie was mit Tanz zu tun gehabt hat?
Noch nie bewegt und noch nie getanzt, sind zwei unterschiedliche Kategorien. Wenn sich jemand noch nie bewegt hat, dann würde ich ihm Bodywork-Kurse vorschlagen: Feldenkrais, Yoga, so Kurse, bei denen man sich hinlegt und angeleitet und bewegt wird, um überhaupt ein G‘spür für den Körper zu bekommen. Leute wie Samantha Van Wissen oder Peter Jasko, zeitgenössische Tänzer, die in Brüssel leben und eigentlich bei uns nur AnfängerInnen unterrichten, können Leute, die noch nie einen Tanzworkshop gemacht haben, auf eine Art abholen, sodass sie danach dann sagen: „Jetzt will ich mehr davon, weil eigentlich macht mir das total Spaß.“
Wie findest du die Leute? Reist du herum und besuchst andere Tanzfestivals?
Ich fahre schon auch herum, aber die meisten Leute finde ich über andere Menschen. Das sind sowohl andere Veranstalter, Schuldirektoren oder –direktorinnen, aber ich frage auch viele Teilnehmerinnen, damit ich von allen Seiten Input bekomme. Ich suche vor allem Leute, die sowohl die Geduld als auch den Speed in sich haben, um andere mitzureißen.
Was sind so Dauerbrennerkurse?
Joe Alegado ist seit Anfang an dabei und da weiß ich auch, dass die Kurse immer funktionieren. Das ist der einzige, der jedes Jahr, bei jeder Sommertanzwoche, bei jeder Wintertanzwoche und bei jedem Impulstanz dabei war. Das hat selbst Ismael Ivo nicht geschafft, weil er beispielsweise dazwischen auf Tour war. Heuer haben wir sechs Kurse mit ihm und er hat insgesamt über 300 Leute in seinen Kursen.
Was ist sein Geheimnis?
Naja, sein Geheimnis … Er ist ein wirklich guter Lehrer und ein fescher Kampel – das macht auch was aus. Es ist sehr weich und er hat sehr schöne Musik. Ich glaube, jeder, der da schon einmal zugesehen hat, findet einfach Gefallen daran. Ich glaube, niemand von den zeitgenössischen Minds würde zu ihm in den Workshop gehen, aber jeder, der so ein bisschen eine Tanzsehnsucht hat, wird bei ihm sehr glücklich.
Welchen Workshop würdest du dieses Jahr selbst gerne besuchen?
Ich find den „Shalala – An Attempt on Borderline Musical“ super. Den machen zwei Isländer, die haben einen totalen Knall. Erna Omarsdottir ist eine sehr lustige Frau. Ich kenne sie seit zwanzig Jahren, als Studentin einer Tanzschule, wo ich sie in einer Art Spätpubertät erlebt habe – alles sehr wild. Dann hat sie selbst begonnen, sehr extreme Stücke zu machen: Vier Kilo Butter auf der Bühne gegessen, nackt, neben ihr ein toter Hund. Mittlerweile ist sie Direktorin der Icelandic Dance Company und wirkt bei Filmen mit. Ihre Arbeit ist total abgefahren, was die Ästhetik betrifft. Ihr Lover ist Hard-Rock-Musiker und sie verbinden extrem technischen, aber auch extrem bildgewaltigen Tanz mit der schweißtreibenden Kraft seiner Musik und die Performances, die sie machen, hat man vorher noch nie so gesehen.
Wie schaut dann deine Arbeit während dem Festival aus, wenn die Workshops laufen?
Troubleshooten. Aber auch viel Dialog mit den ganzen Lehrerinnen, die kommen, genauso wie mit den TeilnehmerInnen. Man will ja ein Gefühl dafür kriegen, ob das was man macht, Leute interessiert. Wo muss man was verteidigen, weil man es inhaltlich spannend findet, wo muss man noch ein bisschen vermitteln, weil die Leute es nicht lesen können … diese Fragen muss man eben klären. Ich mag Leute, die sagen: „Das was ich mache ist super und das zeige ich hier am Festival und wenn es nur fünf Leute interessiert dann ist es für fünf Leute super und wenn dreißig Leute kommen, ist es für dreißig Leute super“ Aber die Leute messen sich ja doch und man will nicht, dass manche einen Blues kriegen, weil sie weniger Leute haben als die anderen. Da muss man vermitteln.
Fallen dir Beispiele ein, wo sich Künstler am Festival gegenseitig beeinflusst und inspiriert haben und das auch in ihre Arbeit eingeflossen ist?
Es gibt so ein paar so Sachen, wie beispielsweise die Susanne Linke, die den afrikanischen Tänzer Koffi Kôkô kennengelernt hat. Susanne Linke ist eine deutsche Tänzerin mit einer ganz genauen Tanzsprache, die daher kommt, dass sie, bis sie sieben war, nicht reden konnte. Sie sagt immer, das ist der Grund, warum sie von klein auf so eine strenge Form für sich gebraucht hat, bevor sie überhaupt mit dem Tanzen angefangen hat, weil sie über ihre Gestik kommuniziert hat. Genau diese Susanne Linke ist dann immer mit hochroten Kopf aus den Afro-Tanzklassen von Koffi Kôkô rausgekommen und hat „Das ist so geil!“ gebrüllt. Die beiden haben dann auch gemeinsam ein Stück konzipiert.
Boris Charmatz, der französische zeitgenössischer Choreograph, hat beispielsweise immer bei Butoh-Workshops mitgemacht. Er hat auch teilweise seinen ganzen Lehrgang verpflichtet, bei den Klassen von Carlotta Ikeda mitzumachen, weil er gesagt hat: „Wir müssen bei ihr Gehen lernen.“ Die Carlotta Ikeda war eine, die gesagt hat, man muss zuerst einmal drei Jahre Gehen lernen, bevor man überhaupt zu tanzen beginnen kann.
Aber ja, viele Sachen passieren auch unter den Teilnehmerinnen, die sich einfach in den Workshops kennenlernen und dann so dermaßen hungrig sind, dass sie sagen: „Können wir nicht irgendein Studio haben, wir müssen da jetzt was ausprobieren“ Das ist das tolle an der Quantität, dass sich daraus auch wieder eine Qualität ergibt. Wenn 3000 Leute kommen, ist die Potentialität auch da, dass viele TänzerInnen auch gut zusammenarbeiten können.
Und wie bist du vom Gehen zum Tanzen gekommen?
(lacht) Mit dem Rad! Ich war Veloce-Fahrer und Frisbee-Spieler. Ich habe vier Mal in der Woche trainiert und bin jedes zweite Wochenende auf ein Turnier gefahren.
Frisbee-Turniere?
Ja. Ich habe eine Zeitung herausgegeben und ich habe das Nationalteam organisiert.
Gab es schonmal einen Frisbee-Workshop?
Nein, aber ich würde sagen, die Hälfte unserer Tech-Crew sind Frisbee-Spieler. So funktionieren die Familien dann. Das sind ähnliche Szenen – beide sind so klein, dass sie fast nur international Sinn machen und beide sind sehr reflektiert. Die Frisbee-Szene ist für Sport sehr reflektiert, man ist verantwortlich für alles, weil es ein Sport ohne Schiedsrichter ist. Damit sind da Leute dabei, denen es nicht nur darum geht, gut zu werden, koste es was es wolle. Jeder kann immer bei wem anderen übernachten, man fahrt international herum, man organisiert sich, weil man begeistert von dem ist, was man tut und man macht das nicht, weil man reich und berühmt werden will. Da gibt es lustige Parallelen, ich habe ja über zehn Jahre hinweg beides gemacht.
Kannst du dich noch an deine erste Performance erinnern?
Da kann ich mich sehr gut erinnern: 1992 im Künstlerhaus am Karlsplatz haben wir ein Festival gemacht und da war Mark Tompkins mit seinem Solo, „Witness“. Da ging es um den Verlust eines Freundes an AIDS und das war das erste Stück, das mich wirklich berührt hat. Nicht nur, was den Tanz an sich angeht, sondern auch was die Message betrifft. Das Thema war damals irre arg für die ganzen Amerikaner – ich habe damals dann auch 2 Jahre lang in New York gelebt …
Warst du für das Festival dort?
Nein, für mich. Ich wollte in einer anderen Stadt leben und bin nach New York gezogen um für eine Tanzcompany zu arbeiten und hab dann immer wieder Geld gebraucht und bin daher auch immer wieder zum zurück Festival gekommen. Insofern habe ich keine Ausgabe versäumt. (lacht)
Das große persönliche Engagement des ganzen Teams, sieht man auch daran, dass fast jeder aus dem Team im Sommer einen Abend in der ImPulsTanz-Lounge im Vestibül auflegt. Was ist dein Lied, um alle auf die Tanzfläche zu bekommen ?
Was ich irrsinnig gern auflege, ist diese lustige Brass Band, die Sexual Healing spielt. Das ist fast 8 Minuten lang.
Und was ist deine Rausschmeißer-Nummer?
Audrey Hepburn mit Moonriver. Das ist ein Rausschmeißer und eine Schmusenummer…
Wer’s dann noch nicht geschafft hat …
Schafft’s nicht mehr. (lacht)
Schaffen sollte man es in diesem Jahr auf jeden Fall zu einem der Impulstanz-Workshops. Eine Übersicht über die Kurse gibt es hier, außerdem verlosen wir 2×2 Workshopplätze für Michelle Rizzo – „Higher“.