Es ist wieder Diagonale-Zeit. An Tag 1 startete man gestern gemächlich mit Reden, mehr Reden und der Österreich-Premiere von „Untitled“.
Am ersten Tag ging es eigentlich noch gemächlich zu, steht doch heute lediglich die Eröffnung in der Helmut List Halle inklusive der Österreich-Premiere des Films „Untitled“ von Michael Glawogger und Monika Willi am Programm. Nach der vielen noch aus Studienzeiten bekannten akademischen Viertelstunde betritt der Schauspieler und Moderator des heutigen Abends Michael Ostrowski die Bühne. Ostrowski, dessen Regiedebütfilm „Hotel Rock’n’Roll“ am Mittwoch auf der Diagonale gezeigt wird, besitzt trotz seiner 44 Jahre noch immer den Bubencharme, weshalb es nicht verwundert, dass er nach ein paar humorvollen Aussagen das Publikum gleich auf seiner Seite hat. Dann sind die Diagonale-Festivalleiter am Wort. Sie erinnern an das turbulente Jahr 2016 und an vermeintliche Selbstverständlichkeiten (wie etwa die Gleichstellung von Mann und Frau, die Akzeptanz verschiedener Lebens- und Liebesformen, die Pressefreiheit in vielen Ländern – um nur ein paar zu nennen). Und daran, wie langwierig es ist, ein Festival dieser Größe auf die Beine zu stellen. Die beiden kommen auch auf den österreichischen Musiker Hansi Lang zu sprechen und lassen diesen danach selbst sprechen bzw. singen: Sein Lied „Keine Angst“ tönt kurz aus den Lautsprechern. Eine Ansage. Bundespräsident Alexander Van der Bellen teilt dem Publikum in seiner anschließenden Rede mit, wie er als 13-jähriger Bub in Tirol vergeblich Filme mit FSK ab 16 sehen wollte und zum Abschluss hält die Regisseurin Elisabeth Scharang eine Laudatio auf Johannes Krisch, den diesjährigen Gewinner des Großen Schauspielpreises.
Kaleidoskop der Welt
Und dann ist es endlich Zeit für die Österreich-Premiere von „Untitled“, den Film, den Michael Glawoggers langjährige Editorin Monika Willi nach dessen Tod zu Ende gebracht hat. Glawogger, bekannt geworden mit (Dokumentar-)Filmen wie „Megacities“, „Nacktschnecken“, „Workingman’s Death“ und „Contact High“, starb am 22.04.2014 in Liberia an Malaria. Er hatte seit 2013 an seinem Projekt „Untitled“ gearbeitet, hatte vier Monate und 19 Tage in Italien, am Balkan und Nordwest- und Westafrika verbracht. Sein Intention stellte er dabei folgendermaßen dar: „Dieser Film soll ein Bild der Welt entstehen lassen, wie es nur gemacht werden kann, wenn man keinem Thema nachgeht, keine Wertung sucht und kein Ziel verfolgt. Wenn man sich von nichts treiben lässt außer der eigenen Neugier und Intuition.“
Neugierde, so merken es auch Michael Ostrowksi und Monika Willi an dem Abend nochmals an, sei immer die treibende Kraft Glawoggers gewesen: Um etwas zu verstehen, müsse man dorthin reisen. Und so liefert „Untitled“ Bilder aus der nahen und fernen Weit, Bilder von Körpern, von Menschen in Bewegung, von Kämpfen, Nahrungszubereitung, von zerstörten Häusern; und dazwischen immer wieder Tiere, viele Tiere, manche tot, andere lebendig. Glawogger und Willi sowie ihren Kameramann Attila Boa gelingt es, das Nahe-Herangehen an die (meist männlichen) Protagonisten; ihr Blick ist kein voyeuristischer, sondern einer der Neugierde. „Untitled“ lässt dabei ein Kaleidoskop der Welt entstehen, zugleich lässt der Film aber auch Glawoggers markanten Blick und seine Neugier auferleben. Michael Glawogger und Monika Willi gelang ein Film über das menschliche Leben an sich. Nicht mehr, aber auch nicht weniger.
Die Diagonale läuft noch bis 02.04.2017 in Graz. Das Programm findet ihr hier.