Der zweite Tag der Diagonale besticht unter anderen mit Filmen, die offene Enden zelebrieren und ohne Klischees auskommen.
Die Schwierigkeit miteinander zu kommunizieren, Wünsche und Sehnsüchte zu äußern und sich selbst bewusst zu werden, was man im Leben und in der Liebe will, das alles verhandelt der Episodenfilm „Liebe Möglicherweise“ von Michael Kreihsl. Besetzt mit aus Theater und TV bekannten SchauspielerInnen wie etwa Otto Schenk, Gerti Drassl und Edita Malovčić richtet der Regisseur seinen Blick auf moderne Großstadtpaare und deren weitere Bezugspersonen. Unter den Figuren lassen sich unterschiedliche Bezugspunkte knüpfen, was sie alle eint, ist ihr kommunikatives Scheitern, die Sehnsucht nach Nähe und daraus resultierende brüchige Beziehungen, in denen Menschen einander begegnen und so auch gleich wieder abstoßen. Kreihsl wollte einen internationalen Film machen, der überall auf der Welt verstanden werden kann. Die Motive der Figuren bleiben zwar (vermutlich gewollt) etwas undeutlich, dennoch ist „Liebe Möglicherweise“ alleine schon wegen seines von (Wien-)Klischees befreiten Bildern sehenswert, zeigt er doch nicht beliebte Drehorte wie etwa den ersten Bezirk, Schönbrunn oder den Prater, sondern vielmehr das Grätzl rund um den achten Bezirk (für Öffis-Fans gibt es übrigens genug Einstellungen in der U6 zu sehen).
Von Wilden Mäusen
Am Abend konkurrieren unter anderem „Wilde Maus“ und „Siebzehn“ um die Aufmerksamkeit des Diagonale-Publikums. „Wilde Maus“ von und mit Josef Hader ist der aktuelle Österreich-Film, auf den sich – zurecht – alle einigen können. Der Film verhandelt ein Leben, das aus der Bahn geraten ist, und ist damit zugleich Milieustudie und Diskurs über gesellschaftlichen Abstieg, verpackt mit typischem Hader-Humor. Vor der Österreich-Premiere von „Siebzehn“ (Regie: Monja Art) ist der sechsteilige Kurzfilm „O! Fortuna! Work in progress I-IV“ von Karin Berger zu sehen, dessen ersten drei Teile damals ebenso auf der Diagonale gezeigt wurden. Berger behandelt dabei die Geburt und das Aufleben ihrer Tochter – angefangen von ihrer Schwangerschaft bis zum Auszug der Tochter. Geleitet vom feministischen Slogan „Das Private ist politisch“ und unterstrichen mit pathosgetränkter Musik wird das Publikum konfrontiert mit der Thematik der alleinerziehenden Mutter, die sich sowohl auf ihre Arbeit, als auch auf die Erziehung ihrer Tochter und den Haushalt konzentrieren muss.
Und wilden Sehnsüchten
Filme über Jugendliche und deren Lebenswelten stellen meist ein schwieriges Unterfangen dar, viel zu leicht locken Plattitüden, viel zu selten herrscht Authentizität. Ähnlich verhält es sich mit Geschichten, deren Hauptfiguren nicht heterosexuelle Männer sind. Bei „Siebzehn“ ist dies jedoch gelungen. Mit viel Einfühlungsvermögen erzählt Monja Art, die zuvor bereits für einen Kurz- und einen Dokumentarfilm mit Jugendlichen gearbeitet hat, von dem titelgebenden Lebensjahr ihrer ProtagonistInnen und deren Sehnsüchten. In „Siebzehn“ lernen wir Paula (Elisabeth Wabitsch) kennen, eine Schülerin, die sich um ihren Vater und ihre Schulkarriere kümmert. Dass einem dabei die Last des Land- und Schullebens, das zwischen Matheschularbeiten, Nächten in der Dorfdisco und zwischenmenschlichen (Liebes-) Dramen stattfindet, mitnehmen kann, das weiß jedeR – selbst wenn er/sie älter als 17 und nicht am Land aufgewachsen ist. Zudem entdeckt Paula ihre Zuneigung für ihre Freundin Charlotte (Anaelle Dézsy), während sie sich von ihrer Klassenkollegin Lilli (Alexandra Schmidt) permanent provoziert fühlt. Monja Art wollte keinen Coming-Out-Film machen und ein Coming-Out braucht es auch nicht, diverse sexuelle Ausrichtungen sind für die Jugendlichen in dem Film so selbstverständlich wie ihre Smartphones. „Siebzehn“ erzählt von dem Gefühl, dass das Leben bald beginnen wird, von Liebe und von Machtspielen und von der Sehnsucht, die allen Figuren gemeinsam ist.
Was es am ersten Tag der Diagonale zu sehen gab, könnt ihr hier lesen.