The Land Of Feel-Bad-Cinema

Heuer wird das erfolgreichste Jahr für den österreichischen Film seit fünf Jahren sein. Wir haben bei vier Filmexpertinnen und Experten über die Gründe und die aktuelle Filmlandschaft nachgefragt.

Seitner: Im Jahr 2006, als die New York Times anlässlich einer Filmschau im Lincoln Center den Artikel veröffentlichte, waren Eigenarten wie der gesellschaftskritische Sozialrealismus im Filmdrama und schwarzhumorige Komödien tatsächlich stilprägend für den österreichischen Film. Zehn Jahre später hat sich der österreichische Film aufgrund verschiedenster Faktoren weiterentwickelt. Eine Verjüngung auf Produzenten- wie auf Regieseite brachte neue Stimmen und Ausformungen mit sich. Heutzutage besticht der österreichische Film durch eine breite Vielfalt an Zugängen. Unter den prämierten Festivalbeiträgen der letzten Jahre finden sich neben den renommierten Regiegrößen Filme verschiedenster Façon – immer öfter von jungen Talenten, die Österreich in Zukunft immer mehr zu einem Filmland machen werden, das nicht mehr auf ein Etikett passt.

Österreich war gerade in Anbetracht seiner Größe eines der erfolgreichsten Filmländer der letzten Jahre. Die Förderlandschaft gilt als optimal. Trotzdem gab es immer wieder Rufe nach besserer Förderung. Woran liegt das?

Teichmann: Na ja, optimal gibt’s im Bereich der Filmförderung wohl nie, es gibt immer zu wenig Geld für zu viele gute Projekte und die Selektion ist beinhart. Bessere Förderung bedeutet wohl in erster Linie immer mehr Geld, aber Geld allein ist es natürlich auch nicht. Ich denke, dass unsere aktuellen Förderstrukturen ganz gut funktionieren, dennoch müssen wir aufpassen, nicht in eine Art Stillstand aus Zufriedenheit zu geraten. Wir müssen in Schwung bleiben und uns immer wieder neu kritisch hinterfragen. Das gilt auch – unabhängig vom leidigen Thema Geld – für das Fördersystem an sich. Ich sehe hier aktuell noch keinen dringenden Änderungsbedarf, aber die Zeiten ändern sich immer schneller und wir werden hier wohl zum hoffentlich richtigen Zeitpunkt wieder aktiv werden und uns weiterentwickeln müssen.

Seitner: Es ist uns ein permanentes Anliegen, den Förderbereich weiter zu optimieren. Festzustellen ist, dass die kulturelle Ausrichtung der großen Filmförderstellen mit ihren kommissionellen Vergabesystemen eine notwendige Basis bietet, um Filmen aller Genres die Möglichkeit zu geben, realisiert zu werden. Dies hat die vergangenen Erfolge ermöglicht und Österreich zu einem international anerkannten Filmland gemacht. Vor allem für den Filmnachwuchs stehen die Chancen in Österreich im Vergleich zu anderen Ländern besonders hoch, Debütfilme zu realisieren. Die Bewilligungsquote liegt bei der Herstellungsförderung des Filmfonds Wien bei etwa 50 Prozent. Die Nachwuchsförderung ist einer der wesentlichen Schwerpunkte. Ebenfalls kulturpolitisch getragene Voraussetzung für die nachhaltige Entwicklung sind die seit Jahren hohen Budgets, die der heimischen Branche ein kontinuierliches Arbeiten ermöglichen.

Schernhuber / Höglinger: Besser kann es immer sein, das ist ein Allgemeinplatz, ein nicht allzu schlauer obendrein. Um konkreter zu werden: Es stimmt, dass Österreich eine verhältnismäßig gute und auch differenzierte Förderstruktur hat. Dennoch muss man sich die Frage stellen, wie viel Wert der Kunst und Kultur in einem Land im Vergleich zum Gesamthaushalt beigemessen wird. Hier gibt es zweifelsohne eine Unverhältnismäßigkeit. Die erwähnten Rufe hängen so gesehen auch oder insbesondere mit der politischen Kultur dieses Landes zusammen. Wenig optimistisch ließe sich mutmaßen, dass es um diese gegenwärtig nicht allzu gut steht.

Hat sich die Wirtschaftskrise auf die Filmförderungen ausgewirkt?

Teichmann: Bei uns direkt noch nicht, die Filmförderbudgets sind stabil, aber die Rahmenbedingungen insbesondere bei den auch für die Finanzierung von Kinofilmen notwendigen Fernsehsendern werden immer schlechter. Auch wird es zunehmend schwieriger, Geld für Koproduktionen zu bekommen.

Seitner: Glücklicherweise blieben dem Kulturbudget der Stadt Wien gröbere Kürzungen erspart, wie das in anderen Bundesländern und im europäischen Ausland der Fall war. Stattdessen wurden zusätzliche Mittel mobilisiert, um etwa die hohen Investitionen der Wiener Programmkinos bei der Umstellung auf digitale Projektion zu unterstützen.

Schernhuber / Höglinger: Hier einen direkten Zusammenhang zu attestieren, wäre unseriös. Was wir sehr wohl beobachten, ist, dass die so genannte Krise vor allem im Bereich privater Sponsorings Vorwand für Kürzungen ist. Eine Grundstimmung, die mit der Rede von der Wirtschaftskrise allerorts Einzug hielt, wirkt sich zweifellos auf sämtliche Lebensbereiche aus.

Welche österreichischen Filme, die derzeit gedreht werden, könnten ihrer Meinung nach ebenfalls zum Kassenmagneten werden?

Prenner: Ob’s ein Kassenmagnet wird, kann man natürlich nicht sagen, aber die eben in Endfertigung befindliche Horrorhetz „Attack of the Lederhosenzombies“ von Dominik Hartl, der mit dem in diesem Herbst anlaufenden „Beautiful Girl“ das weiß Gott nicht einfache Genre der Coming-of-Age-Komödie nicht bloß pannenfrei, sondern sogar richtiggehend erfrischend bespielt hat, könnte sich schon als großer Gewinn für das kommende Kinojahr herausstellen.

Schernhuber / Höglinger: Gleichermaßen gemutmaßt wie hoffend werden wohl Arbeiten wie Mirjam Ungers Verfilmung des Nöstlinger-Klassikers "Maikäfer flieg" oder auch Elisabeth Scharangs Kinospielfilm "Jack" große Aufmerksamkeit erfahren. Mit Stephan Richter ("Einer von uns") und Jakob Brossmann ("Lampedusa im Winter") feiern außerdem zwei junge Regisseure, die man längerfristig am Radar haben sollte, in den kommenden Wochen Premiere auf internationalen Großfestivals.

Seitner: In Vorbereitung befinden sich derzeit die beiden Regie-Debüts von Josef Hader – "Die wilde Maus" – und Michael Ostrowski – "Hotel Rock’n’Roll" –, beides Quoten-Kandidaten, die voraussichtlich 2016 zu sehen sein werden, ebenso der Psycho-Thriller "Die Hölle" von Oscar-Gewinner Stefan Ruzowitzky. Der Coming-of-Age-Film "Beautiful Girl", ebenfalls Erstling von Filmakademie-Absolvent Dominik Hartl, könnte im kommenden Kinoherbst eine Rolle spielen. Der Kinderfilm "Ritter Trenk", der den TV-Serienhelden auf die Leinwand bringt, wird dagegen mit Sicherheit viele junge Fans ins Kino bringen. Ihr Nischenpublikum erreichen werden hoffentlich die Festivalfilme "Stille Reserven", ein futuristischer Film-Noir-Thriller, und "Kater" über eine zerbrochene Beziehung zweier homosexueller Musiker.

Die Charts der Film Austria gibt es hier. Einen Überblick über Filmstarts österreichischer Filme und neue Trailer gibt es hier bei Austrian Film.

Bild(er) © Christoph Prenner (SKIP - Das Kinomagazin), Roland Teichmann (Österreichisches Filminstitut), Peter Schernhuber / Sebastian Höglinger (Diagonale Filmfestival), Gerlinde Seitner, Filmfonds Wien
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