All about that Rückschritt

Nur weil ihre Musik nach den 50er-Jahren klingt, sollte Meghan Trainor nicht Rollenklischees aus den Fünfzigern reproduzieren.

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Diese Woche hat Meghan Trainor mit „Dear Future Husband“ ihr drittes Video gedroppt und sollte es bis jetzt noch Zweifel gegeben haben, dann ist es hiermit bestätigt: Meghan Trainor ist eine sexistische junge Frau deren Geschlechteridentität in den Fünfzigern stecken geblieben ist. Unter einem Zuckerguss aus farblich abgestimmten Pastell-Pop-Videos kommunizieren ihre Texte vor allem Eines: weibliches Selbstbewusstsein legitimiert sich durch männliche Bestätigung.

Was zum Anfassen

Ihr erster Hit „All About That Bass“ erzeugte weitgehend positives Echo, da er ein bejahendes Körperbild vermittelt und mit strengen, dünnen Schönheitsstandards bricht. Aber schon während des Hypes im Herbst stieß es Einigen bei der Zeile „Boys like a little more booty to hold at night“ seltsam auf. Ach Männer mögen das, wenn Frauen ein bisschen fülliger sind?! Ja klar, dann kann ich mich ab jetzt auch selbst mögen. Fuck dem skinny bitches, tired of magazines, saying flat buts are the thing.

Bringing Booty Back

Im Kontext dieses Songs und eines Jahres voller Arschliebe nimmt man ihr sogar noch ab, dass sie das nicht so ernst meint, und einfach ein lustiges Lied über ihre Wertschätzung für ihrem Booty und ihrem Body schreiben wollte. Und grundsätzlich sollen ja auch alle ihren Booty und Body lieben. Aber abgesehen davon, dass die neueste Veröffentlichung einfach genau wie „All About That Bass“ und „Lips Are Moving“ klingt, hat „Dear Future Husband“ Meghans p(r)oppigem Popsch nun die antifeministische Krone aufgesetzt.

„Dear Future Husband“ ist die Quintessenz einer nervigen, fordernden, heteronormativen Beziehungsvorstellung, zusammengepresst in 3:21 Minuten Girl-Pop-Tarnung.

Von Booty Back zu Marry Me

Es ist natürlich legitim, heiraten zu wollen bevor man weiß, wen man heiraten möchte. Aber allein die Zeile „Dear Future Husband“ und das Konzept, einen Brief mit einer Wunschliste an einen fiktiven zukünftigen Ehemann zu schreiben, fühlt sich an wie ein unpersönliches, kulturell bedingtes „Heiraten des Heiratens wegen“, was nicht unbedingt ein Wert ist, den man potenziell selbstbestimmten jungen Frauen mitgeben möchte.

If you wanna get that special loving

Aber dass sie das Bild dieser Ehe mit einer hysterischen, rechthaberischen Frau zeichnet, die Sex als Druckmittel sieht um immer Recht, frische Blumen und Ringe zu bekommen, ist noch einmal ein riesiger creepy Schritt in die Welt von Doris Day. Wenn sie Blumen zum Jahrestag bekommt, wird sie auch die perfekte Hausfrau sein und brav Lebensmittel kaufen gehen. Das ist jetzt auch keine stilistische Übertreibung, sondern eine Zeile im Text. Im Grunde sieht eine erstrebenswerte Beziehung für Meghan Trainor so aus, dass sie ihre Allüren ausleben darf, und ihr Mann für das Ertragen mit Sex belohnt wird. Gleichberechtigung läuft.

Keine Hook-Ups für Meghan

Wer jetzt noch gern eine Prise Objektivierung dabei hätte, dem empfiehlt sich ihr Lied „Title“ anzuhören. In dem Song stellt sie einen Mann vor ein Ultimatum, um endlich das Fix vor das Zam zu bekommen. (Pop-Kultur stellt Frauen ja leider öfter als auf der verzweifelten Suche nach einer Beziehung dar, aber das ist schon gut so, dass sich die Meghan traut, ihre Wünsche zu artikulieren). Leider erzählt sie dabei ihren Hörerinnen, dass ihr Partner mit ihr angeben und sie wie eine Trophäe ins Regal stellen soll. Sie objektiviert sich dadurch zu einem Preis den man ausführt und vermittelt, dass es ihr nicht um den Dude, sondern um die Bestätigung durch den Status als seine Freundin geht.

Y so serious?

Das kann man jetzt auch alles nicht so streng sehen. Weil die Beats halt gar so catchy sind und man auch richtig gut im Pyjama dazu herumtanzen kann. Das bleibt im Kopf und wer hört schon so genau auf den Text. Aber Meghan Trainor ist ziemlich erfolgreich mit dem was sie tut, und Pop-Kultur ist nun einmal Teil unserer Sozialisierung und beeinflusst auch unser Verhalten. Erfreulicherweise sind die beiden aktuell wohl am erfolgreichsten weiblichen Pop-Stars vorzügliche weibliche Rollenvorbilder.

Zum Abschluss lassen wir deswegen Queen B’s Zitat von Chimamanda Ngozi Adichie sprechen:

But why do we teach girls to aspire to marriage


And we don’t teach boys the same?


We raise girls to see each other as competitors


Not for jobs or for accomplishments


Which I think can be a good thing


But for the attention of men.

„Dear Future Husband“ ist Meghan Trainors dritte Single-Auskopplung des Albums „Title“ und ist am 17. März 2015 bei Epic Records erschienen.

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