In seinem – auch formal – außergewöhnlichen Dokumentarfilm »Die dritte Option« beschäftigt sich Thomas Fürhapter mit den biopolitischen Implikationen der Pränataldiagnostik. Ein Gespräch darüber, was in unserer Gesellschaft als normal und was als abnormal gilt, welche Rolle ökonomische Kriterien dabei spielen und wie freiwillig die Entscheidung für den Spätabbruch einer Schwangerschaft tatsächlich sein kann.
Zurück zu deiner Arbeits- und Herangehensweise: Wie sind Text- und Bildebene des Films, die ja durchaus auch Unterschiedliches erzählen, eigentlich entstanden?
Ich habe über 20 Interviews mit Leuten aus unterschiedlichen Bereichen gemacht, also einerseits mit Betroffenen und andererseits mit Experten aus dem Bereich Medizin, Kulturwissenschaft und Biopolitik. Die Interviews sind dann transkribiert und schließlich von Schauspielern in einem relativ nüchternen Tonfall nachgesprochen worden. Und die Bilder dazu sind auch relativ schön kadriert. Also stilisierte Bilder, eine stilisierte Sprache – ich glaub, man merkt bei dem Film, dass es etwas Hergestelltes ist, etwas Konstruiertes, kein klassischer Dokumentarfilm.
Die Bildebene mit Szenen beispielsweise aus einem Spielwarengeschäft, einem Freibad und einer Sargfabrik wirkt assoziativ, immer wieder aber auch asymmetrisch zur Textebene. Hast du vorher gewusst, welche Szenen, du filmen möchtest oder hat sich das aus dem Text ergeben?
Bevor ich drehe, mache ich mir immer Listen, suche nach Bildmotiven. Ich lese nach, dann fällt mir wieder irgendwas ein – das ergibt sich so. Parallel habe ich auch in verschiedenen Etappen die Interviews geführt. Es war ein Wechselspiel zwischen Arbeiten am Text und Arbeiten am Bild. Aber bevor wir zu drehen begonnen haben, war eigentlich schon relativ klar – mit ein paar Ausnahmen –, was wir eigentlich drehen wollen. Überhaupt nicht klar war hingegen, welches Bild am Anfang kommt und welches am Schluss und wie sich dann Text und Bild zueinander verhalten. Also diese Text-Bild-Schere, die war schon angedacht, aber wie das genau funktioniert, ist dann erst am Schneidetisch entstanden.
Ziemlich exakt die ganze erste Hälfte des Films ist kein Mensch mit Behinderung zu sehen. Ist das ein Zufall oder war es eine bewusste Entscheidung?
Es war eigentlich nicht von Anfang an klar, dass diese Szenen so spät kommen sollen, nein. Zu Beginn habe ich auch darüber nachgedacht, ob ich überhaupt Menschen mit Behinderungen zeigen soll, weil das immer die Gefahr birgt, dass man sie ausstellt. Ich hab mich dann aber entschieden, es trotzdem zu machen und mir genau überlegt, in welchem Kontext man sie zeigen kann, in welcher Kadrierung, in welchem Setting, ohne dass man sie ausstellt oder auf die Mitleidsschiene gerät – also wie Behinderung in Bildern repräsentiert wird. Es wäre mir aber auch komisch vorgekommen, sie überhaupt nicht zu zeigen. Die Bilder werden ja vom Text eh auch immer wieder in Frage gestellt.
Eingebettet in die recht ernste Thematik entwickeln manche der gezeigten Szenen durchaus einen gewissen Humor.
Vor allem in der ersten Hälfte erzählt der Film auf der Bildebene eigentlich eine glückliche Schwangerschaft – und auf der Tonebene genau das Gegenteil. Aus dieser Spannung entsteht vielleicht so etwas wie Humor, ja. Und diese Optimierungslogik hat natürlich schon auch etwas Absurdes.
»Die dritte Option« von Thomas Fürhapter läuft am 15. September 2017 in den österreichischen Kinos an.