Über „Broken Techno“ und Lotto spielen: Tiefentanz im Interview

Kasun Jayatilaka und Stefan Eder prägen die Wiener Clubszene mit ihren Veranstaltungen schon länger. Seit 2016 veranstalten sie gemeinsam unter dem Namen Tiefentanz, am Freitag haben sie sich mit Shed einen ihrer persönlichen Favourites in die Forelle eingeladen.

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Der Name Tiefentanz geistert schon länger durch die Wiener Veranstaltungsszene – bereits vor fünf Jahren gab es unter dem Namen eine Veranstaltungsreihe im Elektro Gönner, später zog man kurzfristig ins alte/neue Morrisson, mit Jacob Korn folgte dann das erste internationale Booking. „Ich hatte damals noch keine Ahnung vom Verhandeln oder von Gagen und wir hatten ein relativ fettes Minus“, erzählt Kasun heute lachend. Wirklich abschrecken ließ er sich nicht, es folgten mit Glow und BLVZE zwei weitere Club-Projekte, später übernahm er auch das Booking (nicht aber die Namensgebung, wie er gern selbst betont) für die Werk-Veranstaltungsreihe „Geil und Bogen“. Seit Anfang letzten Jahres ist Tiefentanz als Projekt wieder aktiv – seit Jänner ist auch Stefan Eder, der jahrelang bei Klub Sirene mitwirkte dabei. Im Interview erzählen sie über das neu aufgesetzte Projekt, ihre Leidenschaft zu „Broken Techno“, was man von Shed erwarten kann und warum veranstalten manchmal ein bisschen einem Lottospiel gleicht.

Peter Lindorfer und Peter Jeidler von BLVZE, Stefan Eder und Kasun Jayatilaka von Tiefentanz

 

Zu allererst, wie habt ihr euch gefunden? Wie wurde Tiefentanz jetzt wiederbelebt? 

Kasun: Die Zeit als Booker im Werk hat mir wieder Lust aufs Veranstalten gemacht. Mir hat das Booking wirklich Spaß gemacht, selbst so langweilige Dinge wie Verträge aufsetzen oder Gagen verhandeln fand ich spannend. Das ist so ein bisschen wie Lotto Spielen. Ich stell mir jedenfalls vor, dass Lotto-Spieler ein ähnliches Gefühl haben, wie Veranstalter beim Gagen verhandeln. Ich habe bei den Veranstaltungen im Werk meine eigene Linie gefunden, die es in Wien in der Regelmäßigkeit bisher nicht gab und die wollte ich mit Tiefentanz einfach weiterführen. Ich habe beim Buchen natürlich immer davor geschaut, ob der Act in Wien war und es war echt oft so, dass Klub Sirene schneller war. Das hat mich einerseits geärgert (lacht), andererseits aber auch gefreut, weil ich gesehen habe, dass es Leute gibt, die den Sound schätzen.

Stefan: Ich habe bei bzw. mit Klub Sirene vor 10 Jahren angefangen und es gab oder gibt einfach viele musikalische Überschneidungen, wenn man an Acts wie Addison Groove, Loefah, Joker oder Zed Bias denkt – die ganze UK Bass-Ecke eigentlich. Klub Sirene ist ganz langsam ausgelaufen und alle Leute von uns sind immer zu den Werk-Veranstaltungen von Kasun hingegangen. Ich fands großartig, dass es wen gibt, der solche Acts bucht und dann haben wir mal geredet. Es war dann irgendwie klar, dass wir was gemeinsam machen wollen und wir haben dann zuerst Paleman als Klub Sirene und Tiefentanz ins Fluc eingeladen. Da haben wir gesehen, dass wir sehr gut miteinander arbeiten können. Bei Sirene war nicht mehr so die Motivation da, im großen Rahmen internationale Acts zu holen, aber ich wollte dann doch wieder größere Acts auf einer guten Anlage hören. Das ist eigentlich meine Hauptmotivation fürs Veranstalten.

Paleman im Fluc

 

Wo seht ihr musikalisch die Abgrenzungen zu anderen Veranstaltungen? 

Stefan: Bei uns ist sicher die UK Bass-Ecke noch zu einem gewissen Grad da. Mit dem Ende der großen Dubstep-Ära sind viele Produzenten in die technoideren Ecken abgewandert und einige eher ins housigere und das hört man noch bei vielen Produktionen. Viele arbeiten auch immer noch die 90er auf, Tessela zum Beispiel, oder Special Request. Bei uns ist dieser leichte Früh-90er, englische, bassafine Bezug präsent – in Kombination mit Techno.

Kasun: Ich komme eigentlich aus der House-Ecke, Tiefentanz hat angefangen mit klassischem House und Deep House, womit ich jetzt eher weniger anfangen kann. Irgendwann ist es dann technoider geworden. Ich bin dann auf Labels wie Hessle Audio, Hyperdub oder 50 Weapons aufmerksam geworden. Deren Interpretation von Techno halte ich für sehr interessant und sind für meinen Geschmack viel dynamischer als klassisch straighte Techno-Produktionen. „Broken Techno“ ist die Linie bei Tiefentanz-Bookings.

Wieso passt Shed da so gut hinein? 

Stefan: Shed hat diesen offenen Techno-Zugang. Er bricht aus vorgefertigten Schablonen aus und bedient sich dabei eben auch anderen Stilrichtungen. Das ist schon auch ein Zeichen des frühen 90er-Zugangs, abseits von abgesteckten Genres. In diesem ersten Rave-Sound war viel schon angelegt: Jungle, Garage, Dubstep – viele Dinge, die sich später ausdifferenziert haben, waren damals schon vorhanden und wurden mehr eingebunden. Da gab es eine extreme musikalische Offenheit. Wir haben uns am Anfang gegenseitig eine Liste von Acts, die wir gerne hätten, geschickt und da war er eben dabei. Jetzt passt es halt besonders gut, weil er das Album rausgebracht hat und als ich das gesehen hab, haben wir sofort die Agentur angeschrieben.

Kasun: Shed kann man immer buchen. (lacht) Das klingt jetzt ur kitschig, aber der ist einfach zeitlos. Da er kürzlich sein neues Album rausgebracht hat, war es für unseren Forelle-Termin im April natürlich perfekt, weil man dann automatisch mehr Aufmerksamkeit hat. Shed ist einfach…

Stefan: … Shed. Der hat einfach so eine einzigartige musikalische Sprache gefunden. Man hört seine Nummern und erkennt ihn einfach.

Kasun: Er ist einfach unprätentiös, auf so vielen Ebenen. Auf Facebook hat er gerade einmal 30.000 Likes, obwohl es ihn schon eine gefühlte Ewigkeit gibt. Ich schätze, er kümmert sich weniger um solche Dinge. Er glänzt hauptsächlich damit, wie er produziert und was er über Musik zu sagen hat. Er könnte sich wohl viel mehr verkaufen, macht er aber nicht – das macht ihn für mich zu einem der sympathischsten Techno-Produzenten.

Wie schwierig ist es aktuell als Veranstalter?

Kasun: Generell ist es nicht unbedingt schwierig, zu veranstalten. Wenn man sich nicht blöd anstellt, bekommt man einen Termin in einem Club, einen Act buchen und ein Facebook-Event aufsetzen ist an sich auch nicht die größte Kunst. Schwierig wird es vor allem, wenn man eine Identität aufbauen und eine Linie reinbringen will oder eine größere Community außerhalb des eigenen Bekanntenkreises erreichen will. Es gibt mittlerweile so viel Angebot, dass es nicht so einfach ist unter allen anderen hervorzustechen. Facebook macht es einem in den letzten Jahren auch nicht gerade einfach Veranstaltungen zu promoten. Es ist ein sehr nützliches Tool, aber man hat auch relativ wenig Einfluss darauf, wie die eigene Veranstaltung ausgespielt wird. Viele Veranstalterinnen und Veranstalter müssen mittlerweile auf immer mehr bezahlte Werbung zurückgreifen, damit das Facebook-Event überhaupt sichtbar wird. So richtig glücklich sind wir alle nicht damit, weil die Promo gefühlt mehr Zeit und Nerven kostet, als das vielleicht noch vor ein paar Jahren war. Es gehört schon viel Begeisterung für die Musik und Idealismus dazu, sich das neben einem Brotjob anzutun.

Viele jammern über die Kommerzialisierung von Techno… Labels wie „Ostgut Ton“ sind mittlerweile doch recht bekannt, kann und will man sich das überhaupt leisten? 

Stefan: Man zahlt natürlich für eine Erwartungshaltung mit. Das Label ist aber auch vielseitig und natürlich ist das ein gewisser Qualitätsstempel und die Acts haben eine gewisse Öffentlichkeit. Innerhalb des Labels gibt es aber natürlich auch eine große Spannbreite, wie viel jeder Act zieht. Im Endeffekt geht es beim Verhandeln dann schon darum, wie viele Leute man erwartet und wie viel Eintritt man verlangen kann. Man muss einfach kalkulieren und dann kann man letztendlich auch mit den Labels reden und verhandeln. Wir respektieren an sich natürlich den Wert des Künstlers, aber es muss sich am Ende irgendwie ausgehen. Je nachvollziehbarer man argumentieren kann, desto eher gehen Agenten dann auch auf einen zu. Das ist je nach Act natürlich unterschiedlich.

Wie schätzt ihr die Wiener Clubszene aktuell ein? 

Stefan: Wenn man nicht in Wien aufgewachsen ist, ist man jeden Tag dankbar, weil es eine Clubszene gibt. (lacht) Ich glaube, dass die Szene auch vielfältig ist. Was abgeht, ist wahrscheinlich das Mittelsegment – Clubs, die mit 150 bis 200 Leuten richtig voll sind und eine gute Anlage haben.

Kasun: Nachdem das Leopold und die alte Sauna gegangen sind, fühlt es sich gerade ein bisschen leer an. Die immer größere Vielfalt an Veranstaltungen füllen diese Lücken aber mehr als auf.

Ich habe das Gefühl, dass es extrem viele ambitionierte Veranstalter gibt, die sich auf unterschiedlichste Genres konzentrieren und das auch sehr professionell machen, aber es fehlen zum Teil einfach die Locations… 

Kasun: Ja, es passiert gerade sehr viel gutes. Die Liste ist lang. Basstrace ist eine junge Truppe, die Dubstep wieder nach Wien bringt und das sehr professionell und sympathisch machen. Spritzwein ist für mich gerade die einzige Crew, die sich sehr gut um House kümmert, obwohl das Genre immer mehr aus den Wiener Clubs verschwunden ist. Mit Ashida Park hat Wien ein neues sehr liebevoll geführtes Label und gleichzeitig Veranstaltung für Hybrid Club-Musik. Florian Stöffelbauer ist mit Discus Throwers, seinem Label Neubau und diversen Veranstaltungen eh schon länger unverzichtbar. Daniel Hartl, der schon sehr lang dabei ist, bringt mit seinem Techno-Label Bare Hands nach wie vor konstant hohe Qualität. Tanz Durch Den Tag stampft zur Zeit in Rekordgeschwindigkeit ein neues Outdoor-Festival aus dem Boden. Heimlich explodiert gerade im Positiven. Hyperreality, Deep Baked, Oall Hates, Franjazzco, Sub Audio, PW-Magazin und so viel mehr, die Wien für Clubgeher gerade zu einem kleinen Paradies machen.

Am 7. März ist Shed bei Tiefentanz in der Grellen Forelle zu Gast. Das gesamte Programm findet ihr hier, alle Infos zu Tiefentanz hier. Wir verlosen außerdem 2×2 Tickets hier

 

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