Nach 55 Jahren veröffentlicht Autorin Harper Lee den Nachfolger zu ihrem Erfolgsroman "To Kill A Mockingbird". Warum "Go Set A Watchman" zwar eher trivial aber trotzdem relevant und zeitgemäss ist.
Gleichzeitig herrscht in „Watchman“ ein ziemliches Plot-Vakuum. Ein wenig wie in einem auf Südstaaten gemünzten Jane Austen-Roman wird lange darüber sinniert, ob man denn nun den örtlichen Schleimer heiraten soll oder lieber doch nicht. Scout, die einmal so voller Tatendrang und Kraft war, ist eine gelangweilte New Yorkerin geworden, die vom Beruf Tochter ist und auch ihre Machtkämpfe mit der Familie, sind kaum glaubwürdig. Eh klar, irgendwie, denn immerhin war „Watchman“ ja nur der verworfene Erstversuch, „Mockingbird“ zu schreiben. Aber war es wirklich nötig, das zu veröffentlichen?
Es war trotzdem nötig
Natürlich war es das, denn obwohl wir uns spätestens seit der Wahl Barack Obamas zum Präsidenten der Vereinigten Staaten gerne vormachen, dass die Marginalisierung von Schwarzen, wie zum Beispiel Harper Lee sie in ihren Büchern schildert, der Vergangenheit angehören, so ist das natürlich nicht wahr. „Watchman“ erscheint nicht ganz ein Jahr nachdem ein schwarzer Teenager namens Michael Brown in Ferguson von einem Polizisten erschossen wurde. Die Jury, die sich dagegen entschied, den Schützen Darren Wilson des Mordes anzuklagen, bestand aus neun weißen und drei schwarzen Geschworenen. Das sind nur drei schwarze Geschworene mehr, als im „Mockingbird“-Prozess gegen Tom Robinson. Nach Ferguson kam Baltimore und mehr und mehr Geschichten über das gewaltsame Vorgehen US-amerikanischer Polizisten gegen Schwarze. Währenddessen zittert ganz Europa vor den Flüchtlingen aus Afrika und dem nahen Osten, nennt sie Terroristen und Kriminelle.
Die post-rassistische Gesellschaft is not a thing yet und während „Go Set A Watchman“ vielleicht ein literarisch entbehrliches Buch ist, so ist es eine gute Art, die Werte, die uns in „Mockingbird“ erklärt wurden, einzumahnen. Mit ihrem beliebteren Buch hat Harper Lees ihre Leser Idealismus gelehrt, „Watchman“ aber zeigt die Realität: Du musst deine Helden töten und selbst für die Rechte anderer einstehen. Und vielleicht liest du zwischendurch noch ein- oder zweimal „To Kill A Mockingbird“, denn natürlich kommt „Watchman“ dessen Genialität nicht einmal nahe.
"Go Set A Watchman" von Harper Lee ist bereits bei DVA erschienen.