Tomas Zierhofer-Kin im Porträt: Der mit dem Wolf tanzt

Vom Donaufestival zu den Wiener Festwochen – Tomas Zierhofer-Kin hat sich als unangepasster Kulturmanager im tiefschwarzen Niederösterreich bewährt. Nun wechselt er ins rote Wien. Wie er so tickt? Ein Annäherungsversuch.

Wie beim Donaufestival und zu Beginn seiner Laufbahn beim Zeitfluss-Festival im Rahmen der Salzburger Festspiele, mit dem er recht bald nach dem Gymnasium und ein paar eher frustrierenden Versuchen mit diversen Studien (Philosophie, Musikwissenschaft, Komposition, Gesang und Kulturmanagement) in den Kulturbetrieb eingestiegen ist, arbeitet Zierhofer-Kin auch bei den Festwochen in Wien wieder in einem höchst repräsentativen Umfeld, das von der Gunst der Politik abhängig ist – wenngleich in gänzlich anderer Farbe. Einmischungen gebe es aber auch hier keine: »Mir ist das noch nie irgendwo passiert. Es liegt vielleicht auch daran, dass ich noch nie mit Politikern gemauschelt habe. Und dass ich noch nie das Gefühl hatte, dass es irgendeinen anderen außer einen inhaltlichen Grund gibt, über irgendetwas zu reden. Vielleicht war ich da am Anfang meines Festivalmachens aus Naivität heraus einfach so, dass ich das nie gehabt habe.«

Dass ein »unkoventioneller Kulturmanager« (Andreas Mailath-Pokorny, Wiener Kulturstadtrat) unabhängig von seinen politischen Überzeugungen im schwarzen Niederösterreich ebenso gefragt ist wie im roten Wien, freut auch Rainer Krispel, Obmann der Wiener Arena: »Es macht einem Hoffnung, dass Kompetenz die Politklüngel doch transzendiert. Ich schätze ihn wahnsinnig. Er hat am Land etwas aufgebaut, das abstrahlt. Dabei fordert er das Publikum stets und versteckt sich nicht hinter dem Markt.« Auch aus Krispels Umfeld kämen positive Stimmen: Zierhofer-Kin sei weder aufgetakelter Exzentriker noch Kunstmachtmensch, gelobt werden stimmige Abläufe – aus künstlerischer wie struktureller Perspektive. Boris Ceko vom Wiener Performance-Kollektiv God’s Entertainment, das auch heuer wieder, bei Zierhofer-Kins letztem Donaufestival, mitwirken wird, nennt ihn gar einen »Visionär«.

Eine Bedeutung, die es nicht hat?

Auch wenn es zu seinem Job dazugehört, ein guter Verkäufer zu sein und Zierhofer-Kin dabei niemals schmierig wirkt: Alle kann auch er nicht von sich und seinen Ideen überzeugen. Er habe es in seiner Zeit beim Donaufestival gut verstanden, dem, was er getan hat, durch seine Präsentation eine Bedeutung zu verleihen – die es nicht unbedingt habe, sagt einer, der nicht genannt werden möchte. »Er ist halt schön unkonventionell, kein Anzugträger – das ist natürlich angenehm, aber auch Teil der Inszenierung. Die Dinge, die er macht, sind gut, aber nicht großartig ungewöhnlich. Außerdem habe ich die sonst große Kollegialität in der niederösterreichischen Kulturszene bei ihm vermisst. Da hat er sich immer rausgehalten.«

Tomas Zierhofer-Kin: »Es geht mir schon darum, dass ich prototypisch mein Stadtfestival zeigen und zustande bringen will.«

Im Interview erweist sich der 1968 in Salzburg geborene »Popstar der Szene« (Klaus Totzler, ORF Kultur – »Manche könnte es stören, dass er seine Künstler links außen überholt.«) als unkomplizierter und interessierter Gesprächspartner mit viel, teils schelmischem Humor. Eine gewisse Eitelkeit räumt er ein. Die Lust daran, Leute vor den Kopf zu stoßen, ebenso. Dass Tomas Zierhofer-Kin für seine Themen brennt, wirkt authentisch. Er ist ein Getriebener – inklusive Selbstausbeutung, wegen der er sich aber auch gezielt Auszeiten nimmt und auf einen möglichst gesunden Lebensstil setzt. Selten, aber doch sei auch Zeit dafür, sich »nur« zu unterhalten – Freunde zu treffen, gut zu essen, viel Wein zu trinken oder abends im Bett Absurditäten am Laptop anzuschauen: »Ich bin ein unheilbarer Gerhard-Polt-Fan.«

Und was beschäftigt den Menschen Zierhofer-Kin zur Zeit am meisten? »Zwangsläufig, wie das alles weitergeht mit der Welt, mit diesem Europa, mit diesem Amerika. Kolonialismus, Kapitalismus – das ist alles auf eine Spitze getrieben. Was ökologisch passiert, was an Ausbeutung passiert. Ich kann kaum noch über etwas anderes nachdenken, weil mich das so irrwitzig rasend macht. Wir hatten so lange Zeit, Gegenmodelle zu entwickeln, und es ist nichts passiert. Ganz im Gegenteil.« Ansonsten interessiere es ihn, in fünf Jahren mit den Festivals aufzuhören. »Ich hab seit meiner Kindheit eine Wolfsobsession und ich möchte mich irgendwo aufs Land zurückziehen mit vielen Wölfen und viel Garten. Mich irgendwie mal aus dem ganzen Zirkus rausnehmen.« Klingt fast so, als würde er wieder an seinem Wikipedia-Eintrag arbeiten.

 

Die letzte Ausgabe des Donaufestivals unter der künstlerischen Leitung von Tomas Zierhofer-Kin findet von 29. April bis 7. Mai 2016 in Krems statt. Bei den Wiener Festwochen ist er von 2017 bis (mindestens) 2021 als Intendant für das Programm verantwortlich.

 

Bild(er) © Klaus Pichler
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