Konzentration in der Arena

Tortoise spielten anlässlich ihres neuen Albums »The Catastrophist« in der Wiener Arena. So großartig – da braucht es keine Höhepunkte.

Es ist rund zwanzig Jahre her, dass Tortoise als Wegbereiter eine Blaupause für Post-Rock abgeliefert haben. Eigentlich ja Blaupausen, mehrere. Denn zumindest bis zu »Standards« hat sich ihr Stil immer wieder mal deutlich geändert, haben neue Einflüsse Einzug gehalten. Schon ab dem zweiten, großartigen »Millions Now Living Will Never Die« haben sie dabei auf manch Genrekonstante schon wieder verzichtet, wie die Laut-Leise-Dynamik, die für andere heute noch das beliebteste Stilmittel ist. Das merkt man auch beim Konzert in der Wiener Arena.

Begonnen hat der Konzert-Abend mit Blondy Brownie, zwei Belgierinnen, die auf französisch charmante Pop-Songs spielen. Auf ihrem Album lassen sie sich pro Song von bis zu einem »Boy« begleiten, einmal eben auch von John McEntire. Sein das Duo einmal live unterstützendes Schlagzeug, verleiht dem Song Druck, der sonst nicht unbedingt das Ziel von Band sein dürfte.

Danach gibt Sam Prekop auf der Bühne eine Art Steve Zissou der Elektronik. Der Sänger von The Sea and Cake sitzt mit roter Mütze und übereinander geschlagenen Beinen solo an einer Maschine, die selbst gebastelt aussieht und der er durch immer neu zusammengestellte Kabelverbindungen Sound entlockt. Er verzichtet auf jegliche Show, Songs und andere zu eingängige Elemente. Trotzdem sieht man ihm gerne dabei zu.

Schließlich dann Tortoise mit einem beinahe überraschend dichten Programm. Bis auf die zweite Nummer gibt es auch beim Konzert wenig klassische Dynamik, wenig Laut-Leise, keine herausgestellten Highlights, aber auch keine Momente der Zurückhaltung. Die Band wechselt die Plätze und Instrumente … und bis zur Zugabe schauen sie nicht so drein, als würde ihr Job besonders viel Spaß bereiten. Entspannung ist ihres nicht. Für das Publikum in der abgehängten, aber doch gut gefüllten Arena bedeutet das einen Streifzug durch ihr Schaffen mit einem naheliegenden Schwerpunkt auf dem neuen Album »The Catastrophist«. Zelebriert wird der bandeigene Sound, die unverwechselbare Gitarre, das Spiel mit den Rythmen – die Instrumentenwechsel machen das noch Interessanter, ergeben aber nur bedingt zuordenbare Muster (wie das etwa bei Sebadoh ist). Das alles hat Druck, ist dicht und überzeugend. Mit der Zugabe kommt dann die Entspannung, man sieht ihnen die Freude am Tun an, den Spaß zwei Schlagzeuger miteinander spielen zu lassen und auch leichte Verschiebungen in den Songs zuzulassen. Tortoise müssen heute nichts mehr beweisen – und doch scheint es als sähen sie sich als Dienstleister an ihrer Musik und am Publikum. Und für das zahlt sich der Konzertbesuch ganz klar immer noch aus.

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