Der Musiker und DJ Apparat, im bürgerlichen Namen Sascha Ring, im Gespräch über die Musikstadt Berlin, seine Aufnahme bei den John Peel-Sessions und die Gemeinsamkeit mit Depeche Mode.
Eine Stadt und ihre Klischees. Während man im Salzburger Crowne Plaza Hotel in der geradezu imperialen Lobby sitzt und auf das Interview mit dem deutschen Soundgenie Apparat – mit bürgerlichen Namen Sascha Ring – wartet, tut sich einem eine sonderbare (Parallel-)Welt auf: Die Rezeptionistin nimmt Sound of Music-Tour-Bestellungen entgegen, Japaner in Anzügen und pinken Kleidern gehen sichtlich nervös in der Lobby auf und ab und überall werden Fotos gemacht, um das tatsächlich Erlebte dann auch zuhause präsentieren zu können.
Dies alles getragen von einem Sprachenmischmasch aus Japanisch, Italienisch und Englisch. Genau, es ist Festspielzeit und die Stadt an der Salzach gibt sich dem hin, was sie ohnehin tagtäglich vorzeigt: Dem zwischen Kitsch und Märchen angesiedelten Catwalk auf dem Touristenpfad. Sprich: Red Bull meets Mozartkugel. Als es später auch noch Schnürlregen spielt, schließt sich quasi der Kreis und man merkt, dass es tatsächlich sehr schwer fällt, in einer Pop-Kritk dieses S-Wort auszusparen. Klischees, sich selbst erfüllend?
Während man diese Kulisse also vor Augen hat, kommt einem zwanghaft der Gedanke, dass in meinem Kopf heute zwei Erlebnisswelten kollidieren – einerseits jene Impressionen aus dem Umfeld der Festspiele und auf der anderen Seite ein Streifzug durch die moderne Pop-Musik elektronischer Prägung beim Tag 3 des hervorragenden Stuck!-Festivals im Salzburger Rockhouse. Aber vielleicht sollte man an dieser Stelle nicht zu viel abwägen, Vergleiche ziehen, nach einem Kontext suchen, der vielleicht gar nicht existiert, sondern diese zwei Sphären einfach nebeneinander leben und sie unhinterfragt einwirken lassen.
Das Konzert später im Rockhouse bestätigt den bereits beim heurigen Spring-Festival gewonnenen Eindruck: Hier sind Meister der elektronischen Klangkunst am Werk. Bereits vom ersten Ton an ist man als Zuhörer ergriffen von diesem Bombast aus verletzlich wirkender Stimme von Sascha Ring und dem Entlocken von weinerlich anmutenden Klanggebilden mithilfe von Schlagzeug, Keyboards und Bass. Hier werden ganz große Gefühle durchgeschüttelt!
Das aus Nummern von dem neuen, bald auf dem grandiosen Label Mute Records (siehe dann Interview) erscheinenden Album „The Devil’s Walk“ sowie alten bekannten Stücken bestehende Set will bewusst durch Mark und Bein dringen. Auch das Bühnenbild spiegelt die fragile und verletzliche Stimmung perfekt: Da sind 4, 5 kleine Lampen auf Mikrofonständern montiert, die alle in Zeitabständen voneinander gelb/orange für einen kurzen Moment leuchten.
Als die Band dann auch noch „Arcadia“ anklingen lässt, jene Nummer von seinem besten Album „Walls“ (Shitkatapult), welche mir bereits in vielen Down-Phasen meines Lebens zur Seite stand, ist der Saal kollektiv beseelt. Die Emotionen, sie sind sprichwörtlich (an-)greifbar.
The Gap: Du lebst ja schon seit einigen Jahren in Berlin, wie nimmst du die elektronische Musiklandschaft dort wahr?
Sascha Ring: Das Problem ist, dass wir so viel auf Tour sind und deshalb nicht mehr so viel davon mitbekommen. Es ist natürlich nach wie vor viel los dort. Die Stadt ist ein großer Melting Pot für allerlei Artists, die nach Berlin kommen, weil die Stadt im internationalen Vergleich komischerweise immer noch billig ist und einen hohen Lebensstandard vorweisen kann. Aber das Berlin, das ich vorgefunden habe, als ich vor 13 Jahren hierher gezogen bin, gibt es halt so nicht mehr. Das war damals eine hedonistische Feierkultur, die allumfassend war. Die Veranstalter haben das gemacht, weil sie alle Bock auf den Spaß hatten und jetzt ist es ein großes Geschäft geworden.
Das hat mit sich gebracht, dass auch die meisten Clubs und auch die DJs nicht mehr so viele Risiken mehr eingehen, weil es ja auch Geld zu verlieren gibt dabei. Ich finde diese Entwicklung ein bisschen schade und deswegen ist diese ganze Club-Kultur eigentlich relativ uninteressant für mich geworden, mit ein paar Ausnahmen, welche die Regel bestätigen. Aber es gibt natürlich auch immer wieder neue spannende Sachen, die einem dann doch interessieren. Vielleicht bekomme ich die andere Musik nicht mit in Berlin, aber ich habe schon das Gefühl, dass andere Weltstädte da mehr vorzuweisen haben. Berlin ist schon nach wie vor elektronisch dominiert.
Du hast im Jahr 2004 einen Auftritt bei den legendären John Peel-Sessions gehabt. Wie ist da die Vorgeschichte dazu, wie bist du dazu gekommen?
John Peel ist ja zeit seines Lebens dafür bekannt gewesen, dass er jede Platte hört, die rauskommt und einen sehr extravaganten Musikgeschmack hat. Und er hat irgendwie meine Platte gefunden. Damals habe ich ja noch bei Shitkatapult gearbeitet, bin dort im Büro gesessen und habe meine Platte überall hingeschickt. Die werden bemustert und John Peel hat sich die angehört und darauf kam es zu einer Einladung, ganz unspektakulär. Bei den Aufnahmen war er aber nicht da, es ist nicht so, dass der bei jeder Peel-Session da steht und mit dir einen Kaffee trinkt.
Der hat wirklich ein professionelles Studio, in dem du mit deiner Band dann eben an einem Tag drei Songs aufnimmst. Und der Anspruch ist dabei auch nicht, das in krasser CD-Qualität zu machen, sondern mehr eine Live-Performance für eine Radioaufnahme eingefangen werden soll.
Das klingt ja alles sehr unspektakulär…
Natürlich! Die paar Sachen in meinem Leben, die mir passiert sind, haben sich unspektakulär zugetragen.
Kommen wir zu einer anderen pop-historisch durchaus interessanten Kollaboration: Du hast vor kurzem beim berühmten Londoner Label Mute Records unterschrieben. Wie bist du in Kontakt mit Daniel Miller, dem Label-Gründer, getreten?
Das ist tatsächlich sehr unspektakulär, weil Daniel Miller schon ziemlich lange in unserem Dunstkreis unterwegs ist. Der Kontakt kommt von Thomas Fehlmann, der ein Kumpel von uns ist, und von meinem Manager und Freund Daniel Meteo. Außerdem hatte Daniel immer schon etwas mit Shitkatapult am Hut. Er ist außerdem nicht der Typ, zu dem man Promos schickt, sondern er kommt im Büro vorbei und nimmt sich die Platten mit. Das ist der Unterschied und auch das Coole dabei. Daniel ist wirklich der allermusikinteressierteste Labelbesitzer, den man sich vorstellen kann und am wenigsten der Business-Büro-Typ.
Deswegen gab es da also schon den Kontakt zu ihm und dann stand die Frage im Raum, was mit meiner neuen Platte gemacht wird, die komplett anders klingt, weil sie nicht mehr so elektronisch ist. Ich wollte die immer raus aus diesem Berlin/Elektronik-Kontext haben. Wenn wir die nämlich zum Beispiel bei Bpitch Control veröffentlicht hätten, würde immer wieder überall stehen: „Der Elektronik- oder der Dance Producer Apparat!“
Und genau das wollte ich, soweit es in meiner Macht steht, vermeiden. Seitdem Mute Records wieder ein Indie-Label geworden ist, wurde das auch interessanter. Als die noch bei EMI waren, hätte ich die nicht einmal mit einer Kneifzange angefasst. Nachdem sich Daniel Miller also meine Platte angehört hatte, meldete er sich bei mir und hat mir damals mehr oder weniger den Urlaub in Thailand versaut (lacht), weil wir in diesen zwei Monaten ständig verhandeln mussten.
Als ich mit dem Zug hierher gefahren bin, hab ich mir eine Depeche Mode-Remix-CD angehört, die auf Mute Records erschienen ist, und mir gedacht: Wahnsinn, ihr seid jetzt auf demselben Label wie Depeche Mode!
Ich hab mal irgendwann ein Interview mit einem der Greenwood-Brüder von Radiohead gelesen, und einer meinte eben, dass es früher auch ein Grund war, bei einem Label zu unterschreiben, weil man da mit den anderen geilen Bands auf dem gleichen Label ist. Ja, und jetzt sind Depeche Mode so eine geile Band und man denkt sich: Wow, die sind auch auf diesem Label!
Zu Depeche Mode hab ich übrigens eine ganz krasse Verbindung und die geht so: Im Osten Deutschlands wo ich aufgewachsen bin, gab es nicht so viel Musik, aber Depeche Mode und The Cure waren sehr beliebt. Und meine Schwester, die älter ist als ich, hat mich mit diesen Bands connected. Da war ich 13 und sie hat mich eines Nachts ganz schwarz angezogen und angemalt und auf ein Depeche Mode-Treffen mitgenommen. Also die ersten Musikerinnerungen die ich habe, sind an Depeche Mode, The Cure oder Die Ärzte.
Du bist mal DJ, jetzt arbeitest du gerade mit der Band zusammen, dann wieder mit Moderat: Genießt du diese ständige Abwechslung?
Natürlich, ich bin immer auf Kontraste aus, ich will gerne was anderes machen und mich weiterentwickeln. Jetzt ist es gerade lustig, aber wenn du mich vor einem Monat gefragt hättest, hätte ich gesagt „Ich lege nie wieder auf, ich mache nur mehr Band-Gigs!“. Morgen muss ich zum Beispiel auf Ibiza im Space auflegen, Thema Ravehölle. Ich sehe das aber heute mit einem inneren Lächeln. In meiner naiven Sicht der Dinge ist das Touren mit Band angenehmer, weil man 4 Monate tourt und dann eine Pause macht und danach eben wieder runterkommt.
"The Devil’s Walk" von Apparat erscheint am 23.9. via Mute Records.