Und plötzlich Vocoder

Bilderbuch kehrten gestern nach zwei Jahren auf die heimische Indie-Pop Bühne zurück. Mit dabei – eh klar – »Plansch«, aber auch eine überaus vielversprechende neue Single namens »Maschin«, Vocoder-Vocals und ein neuer Schlagzeuger. Mona Hermann schaute, Franziska Tschinderle hörte.

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Im Vergleich zu Francis International Airport im Mai bespielten Bilderbuch ihre Rückkehr in den österreichischen Indie-Pop gestern im WUK mit etwas weniger Pomp: Keine dramatische Lichtershow oder sich in die Länge ziehende Soundcollagen-Intros. Stattdessen spielt ein DJ über eine Stunde Whitney Houston, Michael Jackson und Toto-Klassiker. Irgendwann dann auch Drake, Jay Z und Missy Eliot. Am liebsten aber Whitney Houston. Ohne Remix und Übergänge, denn er ist selbst mit Tanzen beschäftigt. Bilderbuch waren nach ihrem zweiten Album »Pest im Piemont« für zwei Jahre von der Bildfläche verschwunden. Zurück blieben düstere Songs, die nach dem Arctic Monkeys-ähnlichen Gitarren-Pop ihres Debütalbums erstmals intensiv an Atmosphäre und Perkussion feilten. Neben dem neuen Material ihrer EP »Feinste Seide« – die es bereits als violette Vinyl zu kaufen gab – kommen alte Songs wie »Karibische Träume«, »Yoghurt auf der Bluse« oder »Die Kirschen waren toll« unglaublich gut an.

Falco-Theatralik

Apropos neue Songs, die gibt es auch. »Deswegen sind wir ja alle hier«, wie Sänger und Gitarrist Maurice Ernst in die Menge ruft. Er hat den Look aus dem Plansch-Video nicht abgelegt: Wasserstoffblond gefärbtes Haar, wie einst Eminem. Bis oben zugeknöpfte, orange Poloshirts mit Sternen drauf. Er hat inzwischen die Metarmorphose zum Prototyp-Frontman-Hipster hinter sich, die Art zu Singen und zu Gestikulieren macht ihn aber immer noch unvergleichbar: Theatralische und zuckende Bewegungen wie der junge Falco und die nahe am Sprechgesang vorbeischrammenden Vocals: Man ist jetzt vorrangig Sänger und nicht Gitarrist.

Jetzt auch mit Vocoder

Highlight des Abends hätte vieles sein können: »Plansch« – eh klar – das überlange Gitarrensolo am Ende oder das großartige »Lambrusco«: Ein ehemaliger B-Seiten-Song der von wilder Bongo-Percussion lebt. Am meisten überzeugt hat aber der neue Song »Maschin«: Single für das kommende, dritte Album und am Tag davor das erste Mal im Radio. Maurice Ernst singt von Autos mit 70 km/h auf der Autobahn, während der Beat nach vorne groovt und die eingespielten Riffs wie Bläsersätze klingen. Über das neue Album kann man noch nicht alles sagen. Aber vieles: Nach dem teils gruseligen Pathos-Spektakel auf »Pest im Piemont« dürfte es wieder fundamental anders werden. Klar, Synthesizer sind dabei und nicht zu vergessen die R&B ähnlichen Vocoder-Vocals. Die Gitarren bleiben aber nach wie vor zutiefst rockig und – abgesehen vom electroiden Ping-Pong Beat in »Plansch« – scheint der neue Schlagzeuger noch nicht unterbeschäftigt zu sein.

Bevor »Kopf ab« den sanften Pogo eröffnet erklingt »Ein Boot für uns« mit der herrlich metaphorischen Zeile »Unsre Jugend wird dahin sein wie der Rauch aus dem Schornstein«. Immer und immer wieder. Maurice Ernst redet plötzlich von Stronach, dem Älter werden und Runzeln im Gesicht. Am Ende aber auch davon, dass es Bilderbuch immer geben wird. Wir hoffen es!

Bild(er) © ©Mona Hermann
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