Der Kramladen darf alles!

Die Szene in Wien floriert. Doch neben den großen Locations wird nach wie vor in kleinen Clubs, in den Beisln und Pubs der Hauptstadt gefeiert. Doch tut sich da irgendwas? Genau hier fragen wir nach. Heute bei Sascha, Thomas und Aron vom Kramladen.

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Der Kramladen ist das neuste Baby am Wiener Gürtel. Zwischen Carina und Rhiz versuchen sich die Herrschaften des Kramladens seit Anfang September als Live-Club zu etablieren. Der erste Eindruck: Es funktioniert. Vielleicht ist es der Charme, vielleicht das Line-up. Aber wenn man mal die Eingangstüre zwischen Baustelle und Drogenquartier gefunden hat, will man so schnell gar nicht mehr hinausgehen.

Von Live-Elektro, über Klezmer, Singer-Songwriter bis Punk findet man hier alles. DJ-Lines gibt es natürlich auch. Entweder als fixer Programmpunkt oder spätestens nach den Konzerten. Prinzipiell gilt: Der Kramladen darf alles, aber alles mit Qualität. Was sich während des Interviews wie ein eingeübter PR-Satz anhörte, hat sich bei mittlerweile zwei Folgebesuchen aber definitiv bestätigt. Wenn Sascha, Thomas und Aron, die Booker des Kramladens, nicht gerade Parties veranstalten, machen sie wohl selbst gerade Musik. Captain Knife, Trillain, Glowing Eyes… um nur ein paar zu nennen. Mehr dazu haben sie uns aber bei einem Gespräch erzählt.

Seit wann gibt es den Kramladen?

S: Also wirklich Programm haben wir seit dem Gürtel Nightwalk. Seit 1. September.

Und wer seid ihr zum Kramladen?

S: Ich bin der Booker.

T: Ich bin auch ein Booker. Ich mache meinen Monatsclub, den Firletanz. Das ist meine Aufgabe hier.

Der Betreiber des Lokals ist aber ja wer anderer. Wie seid ihr zu ihm gekommen?

S: Es war früher ein Lager und die Jungs haben sich gedacht, dass es eigentlich ziemlich schade ist, dass es ein Lager ist, und haben dann eben eine Bar rein gemacht. Also ich bin eigentlich über den Sänger meiner Band hereingekommen. Der hat den Kramladen irgendwie entdeckt, und da ich das Booking für meine Bands mache, hat sich das dann so ergeben. Dann ist es immer irgendwie mehr geworden und jetzt haben wir ein Monatsprogramm.

T: Der Sascha hat mich dann auch gefragt, weil ich früher schon ein paar Veranstaltungen gemacht habe, ob ich Interesse habe, diesen Club, also das Programm, mit aufzubauen. Und jetzt versuchen wir noch immer mehr Leute mit ins Boot zu holen, die gerne nebenbei so Monatsclubs machen wollen.

Aus welchem Bereich kommt ihr ursprünglich? Aus der Gastro oder aus dem Eventbereich?

S: Ich habe ganz früher mal Gastro gemacht und in Kärnten auch unheimlich viele Events geschmissen – ich habe in einer Jazz Bar ursprünglich gearbeitet. In Wien dann am Anfang im Bach ein bisschen. Wir zwei haben früher mal in einer Band gespielt, daher kennen wir uns. Die anderen Booker kenn ich auch über Bands, befreundete Bands oder von Events. So ergibt sich das Ganze eigentlich.

Wie setzt sich bei euch das Programm zusammen?

S: Also völlig gemischt eigentlich. Wir haben Live-Electro, so wie heute. Wir hatten Petrol Girls da – feministischer Hardcorepunk aus England. Bis hin zu Metal und andere Sachen. Jede Clubveranstaltung macht ihr eigenes Ding.

T: Und diese Clubs variieren auch noch mal in sich selbst. So ist es bei mir zum Beispiel. Ich fahr da auch quer durchs Musikbeet.

Gibt es dann so etwas wie ein Lektorat, das sagt: So etwas spielt es bei uns nicht?

S: Ja, das bin dann ich. Also wenn irgendeine Nazi- oder homophobe Geschichte wäre, dann natürlich nicht. Natürlich gibt es auch Qualitätsunterschiede, aber generell gilt unsere Vision: der Kramladen darf alles, aber alles mit Qualität. Jeder Stil ist erlaubt, solange das Niveau passt. Da ich in vielen Bands gespielt habe, habe ich da schon ein bisschen ein Gespür. Und für die Musikstile, aus denen ich schon herausgewachsen bin, habe ich ja dann meine Partner.

Ihr seid ja alle selbst Musiker, was ich so mitbekommen habe, oder?

A: Ja, ich spiele sogar heute. Und veranstalte – also doppelt Stress. Das mache ich nur einmal. Und auch nur weil das Jahresende vor der Tür steht. [Anm. Interview wurde noch 2015 geführt]

S: Ja die Leute unterschätzen das. Veranstalten ist ein harter Job, vor allem mit einem neuen Club. Aber es hat sich schon herumgesprochen.

T: Die Laufkundschaft steigt. Trotz Baustelle.

S: Es ist natürlich nicht immer voll, aber wir hatten es schon oft knackevoll.

Wir sind gerade etwas abgedriftet. Eigentlich wollte ich noch ein bisschen mehr Einblick in euer Programm bekommen.

S: Es gibt mehrere Leute, die fixe Monatsclubs haben, aber ansonsten sind wir sehr flexibel. Wir verstehen uns schon als Live-Club – also drei bis viermal die Woche Konzerte – sehr ambitioniert, aber momentan funktioniert das so.

A: Ich gehe eher in die elektronische Richtung. Aber eine Mischung aus eine elektronisch und akustisch – das heißt die Symbiose aus klassischen Livebands gemischt mit DJs. Beispielsweise heute haben wir Jazz-Musiker, die ein elektronisches Set mit Schlagzeug spielen.

S: Ich decke auch mehrere Schienen ab. Mein Händchen habe ich über die härtere Gitarrenkost, aber generell ist auch alles offen. Klezmer, Elektrorock, ein paar DJ-Lines… Wir dürfen alles, aber alles mit Qualität eben. Das bedeutet aber auch, dass wir nicht der dritte Aufguss eines Chelseas zu sein versuchen. Das Chelsea ist super, aber wir wollen es natürlich nicht nachahmen. Wir versuchen unser eigenes Ding zu machen, um den Gürtel um eine weitere kleine Location zu bereichern.

Wenn es "knackevoll" ist – kann man sich dann noch unterhalten?

S: Also das kommt wirklich auf das Konzert an. Wenn es ein richtig lautes Konzert ist, muss man schon auch im Barbereich etwas lauter reden. Im Vergleich zu allen anderen Gürtelclubs spielen wir nicht in den Bogen rein, sondern aus dem Bogen raus. Deswegen ist auch der Sound für die Größe des Lokals super. Der Sound in den anderen Lokalen ist auch super, aber man hört schon einen Unterschied.

Habt ihr viel österreichische Musik in eurem Line-Up? Unterstützt ihr die Szene?

T: Ich denke, es gibt in unserem Land sehr viel qualitative Bands. Von den Medien und Radios werden diese meistens zu wenig unterstützt. Wir erfinden die Sache jetzt nicht komplett neu, aber wir wollen auch eine Plattform für heimische Musik bzw. junge Bands sein. Wir sind sehr fair, bei uns muss man keinen Mindestumsatz machen oder erst mal 500 Tickets verkaufen, damit man spielen darf. Ich bin auch seit neun Jahren in der Jury bei einem Band Contest vom Planet und da habe ich auch einen guten Draht zu jungen Bands.

Also findet ihr, dass es zu wenig Unterstützung für Musiker bzw. junge Musiker in Österreich gibt?

A: Es ist halt schon eine Freunderlwirtschaft. Aber es ist halt auch schwer, in einem kleinen Land mit acht Millionen Einwohner, wo so viele talentierte Leute wohnen. Umso kleiner das Land und umso mehr Talent, umso größer ist natürlich auch die Konkurrenz. Es gibt schon Musikförderungen in Österreich. Aber wenn man die nicht bekommt… man muss einfach am Ball bleiben, auch wenn es teilweise schwer ist. Man muss sich selber Touren buchen, dran bleiben, Konzerte buchen, Platten aufnehmen und da springen halt dann manchmal Leute ab, weil sie es sich anders vorgestellt haben.

S: Ich glaube, dass das Netzwerk in der Branche sehr wichtig ist. Belassen wir es bei dem.

Seht ihr euch bereits als Teil der Clubszene am Gürtel?

S: Wir sehen uns als Ergänzung am Gürtel. Wir wollen niemanden in die Quere kommen. Es gibt hier viele gute Clubs und Liveclubs, in die wir selber gehen, wo wir schon selbst mit unseren Bands gespielt haben. Ich finde schön, dass es einen Platz wie den Gürtel gibt, wo sich an einem Ort so viel tut und ich freu mich, dass wir auch schon nach drei Monaten, ein kleiner Teil davon sein können. Wir sind jetzt schon da, wo wir nach neun Monaten sein wollten. Ich habe gedacht, dass es länger dauern wird, aber es hat gut funktioniert.

Und wieso, denkst du, hat es gut funktioniert?

S: Wir hatten am Anfang Glück mit den Bookings. Dann hat es sich mal herumgesprochen. Bei anderen Clubs, bei den Bands, etc.

A: Ja da muss ich auch sagen, dass es hier echt fair abrennt. Ich kann das ja beurteilen, weil ich hier Veranstalter bin. Hier wird niemand über den Tisch gezogen. Jeder soll gut aussteigen. Das heißt, dass Musiker genauso honoriert werden wie DJs, der Kramladen selbst oder die Kellner.

Das hört sich jetzt alles sehr traumhaft an! Was sind denn die Schattenseiten eines Lokals am Gürtel?

S: Es ist schon so, dass sich dieses Grätzel hier in den letzten paar Jahren ein wenig negativ entwickelt hat. Die Drogenszene am Gürtel ist schon gewachsen. Wir wollen, dass sich die Leute hier sicher fühlen. Und wir sind zuversichtlich, dass wir bzw. die anderen Lokale gemeinsam mit der Stadt ein gute Lösung finden werden. Als kleines Lokal alleine, kannst du da nichts machen.

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Bild(er) © Mario Baumgartner
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