Seit 5 Jahren werden "tings gerunnt", sprich die Veranstalter-Crew Runtin feiert Geburtstag in Form einer großen Sause. Eine gute Gelegenheit, uns mit Mad Hiaz, einem der Köpfe hinter dem Projekt, zu unterhalten.
Reggae, Dancehall, Grime, Graffiti aus Brasilien aber auch politisches Engagement lässt das Herz von Runtin höher schlagen. Seit fünf Jahren veranstaltet die Truppe mit Headquarter Mexikoplatz bereits in Linz und Wien, aber auch nach Berlin gibt es gute Beziehungen – generell sieht man sich allerdings als globale Angelegenheit: inklusiv, offen und leiwand. Wenn gerade keine Partys veranstaltet werden, dürfen es auch mal ein Hanfwandertag oder #freepuber- und #refugeeswelcome-Soliaktionen sein. Wir sprachen mit dem Chief-Runner Mad Hiaz über Wien als Partystadt, Politik und Roots Reggae mit Volksmusik und wünschen alles gute zum Geburtstag!
Im Gegensatz zu vielen Veranstaltern, die sich dem Party-Machen verschrieben haben, sieht Runtin sich ja schon auf als Plattform. Kannst du uns ein bisschen über die Ziele dieser Plattform erzählen? Was ist der "Auftrag" von Runtin?
Runtin sieht sich in einem größeren Frame, der quasi über dem Party-Machen steht, wenn man das als Veranstalter so sagen darf. Wir sehen uns also als vielschichtige Plattform deren Hauptmotivation "Unity" ist – weswegen wir beispielsweise auch unser 5-Jahres-Jubiläum "Unity Circus" genannt haben und die auf mehreren Ebenen Aktionen plant. "Wir machen Sachen" – "We run tings" soll einfach kreative Menschen egal welcher Herkunft, religiöser Ausrichtung oder Geschlecht dazu motivieren, miteinander in Kontakt zu treten, um gemeinsam künstlerische, kulturelle, politische oder gesellschaftliche Aktionen zu realisieren. Unsere Zielgruppe ist eine Schnittmenge von open minded, forward thinking peoples, die meist aus diversen Subkulturen kommen und gern grenzübergreifend agieren wollen – oft auch vom Rand der Gesellschaft kommen, wodurch auch der Mainstream nicht unser Interessensgebiet ist, sondern eher unterdrücktere Gruppen, unpopulärere Genres und Zwischenräume. Runtin fährt ein gemischtes Nischenprogramm, kann man so sagen – und es läuft bei uns!
Dafür, dass es euch schon 5 Jahre gibt, seid ihr ja noch etwas im Untergrund geblieben, wenn man das so sagen kann. Ist das eine bewusste Entscheidung gegen den Mainstream oder würdet ihr eigentlich eh gern mehr Leute mit euren Veranstaltungen und den Ideen erreichen?
Diese Wahrnehmung habe ich auch und es hat alles so seine Pros und Cons! Ich würde sagen, beides trifft zu, da wir einerseits entschieden und seit erster Stunde ein Alternativprogramm zum Mainstream und auch zu den im Untergrund verfügbaren Optionen bieten und uns nicht irgendwelchen Massenmedienformaten beugen oder Sponsorenrichtlinien folgen – aber wir zur selben Zeit natürlich so viele gleichgesinnte Menschen wie möglich auf uns aufmerksam machen wollen.
In letzter Zeit wird Grime ja breitenwirksamer als in den letzten Jahren. Mit Paige Cakey u.a. habt ihr auch Acts aus dem Umfeld bei eurer Feier, trotzdem verschreibt ihr euch ja Musik aus ganz vielen Genres wie Dancehall, Dub und auch mal Trap. Wie kommt es zu diesem Mix und was für Musik würdet ihr gar nicht spielen?
Yepz, richtig erkannt! Wir machten Grime und bookten UK Acts aus diesem Dunstkreis auch schon bevor Skepta und Stormzy gehypt wurden und werden dies auch weiterhin tun, solange wir die Musik feiern. Wir kommen ja eigentlich aus der HipHop/Reggae/Dancehall/Jungle-Ecke, aber über die Jahre hinweg ist unser "Runtin Sound" immer breiter, vielfältiger, deeper, härter und elektronischer geworden. Wir unterstützen gerne zu Unrecht unterbewertete KünstlerInnen – haben vor 3 Jahren zB. schon viel mit Lady Leshurr gearbeitet und produziert, bevor sie die Millionen Clicks zählte. Augenhöhe und Menschlichkeit ist wichtig bei künstlerischen Kollabos. Synergien schaffen und dadurch neue Tracks produzieren, Videos drehen, etc. ist uns wichtiger als die Leute zu booken, zu denen wir früher aufschauten. Obwohl wir das zu besonderen Anlässen auch immer wieder mal gerne machen wollen. Von Trap wollen wir uns gerade etwas distanzieren, da darunter – wie es auch mit Dubstep passiert – vor allem unter dem jüngeren Publikum hauptsächlich die EDM-Mutation à la Skrillex verstanden wird. Wir fahren aber auf der DMZ & Swamp81 Schiene – Labels beschreiben heutzutage oft besser ein Gefühl als Genres. Somit wollen wir mit unseren Runtinjamz auch einen ganz eigenen Sound schaffen, der schwer durch Genres beschreibbar ist. Ein üblicher Runtin-Abend beginnt eher gechillt mit erdig warmen Dub-Sound, der über Raggamuffin zum Boombap faded, worauf in der Regel eine oder mehrere Live-Rap Showcases folgen (mit Locals und internationalen Acts) und dann über handelsunüblichen Dancehall, Trap, Deep Dubstep/Grime und Future Beats zu mehr tanzbaren Formen wie Garage, Footwork, Bass zu Jungle/DnB führt. Was wir eher nicht bedienen sind Styles die schon an genug anderen Orten in Wien gespielt werden, wie alles mit EDM, Minimal Electro, Techno (obwohl es uns auf jeden Fall stark beeinflusst), Frenchcore oder Jumpup-DnB. Dafür supporten wir z.B. auch ein Projekt dass Roots Reggae mit aus der Volksmusik üblichen Instrumenten in Mundart neu interpretiert (1er Koda & Bauer Max)! Grundsätzlich finden wir, Mauern sollten überall abgerissen werden, nicht nur in Kreuzberg.
Wie politisch ist Runtin und denkst du, dass Veranstalter sich mehr politisch äußern sollten?
Ich finde als Veranstalter sollte man nicht den Zwang haben, sich politisch äußern zu müssen. Letztes Jahr als die erste große Flüchtlingswelle aus Syrien auf uns zukam, hab ich es allerdings als sehr schön empfunden, dass sich so viele Veranstalter in Wien mit den Flüchtlingen und den zuständigen Organisationen solidarisiert haben und ein klares politisches Zeichen durch Soli-Veranstaltungen usw. gesetzt haben. Auch wir von Runtin sehen uns als politischen Akteur, der – wann auch immer wir glauben – einen konstruktiven Beitrag leisten kann. Wir haben uns z.B. damals zur Zeit der Audimax-Besetzungen entschlossen, auch politisch aktiv zu werden. 2013 haben wir uns an einer postkolonialen, antirassistischen Wanderausstellung in Berlin gestaltend beteiligt und letztes Jahr haben wir das "Collect & Share"-Programm zur Hilfe von Flüchtlingen, vor allem in Traiskirchen, ins Leben gerufen. And the struggle continues… wenn wir uns die Tagespolitik hierzulande so anschauen… ich glaube es gibt noch einiges zu tun. Uns wird bestimmt nicht fad!
Was bei euch auffällt, ist, dass ihr sicherlich mehr Frauen bucht als viele andere. Ist das ein Anliegen oder Zufall?
Wir zielten nie darauf ab, aber es war auch kein reiner Zufall. Ich denke, dadurch, dass nach wie vor (vor allem nicht-weiße) Frauen bekanntlich eine eher unterdrückte Rolle in unserer Gesellschaft spielen und wir eben eher underrated Artists followen und booken, automatisch so Künstlerinnen wie Roxxxan, Reverie oder Paigey Cakey bei uns landen. Wir verfolgen auf jeden Fall keine sexistische Strategie, sondern es ergibt sich halt so. Zudem waren bei Runtin oft mehr Frauen als Männer aktiv im Team und auch auf der Bühne aktiv, wie z.B. Emily a.k.a. Soulcat E5 die schon sehr lang mit der Runtin-Gang herumrollt! Uns wurden schon öfters echt weirde Kommentare entgegengeworfen, von wegen, wir würden nur hübsche Frauen booken aus dem und dem Grund… aber das ist alles Bullshit und kam meistens aus den Mündern von Männern…
Deine drei Lieblingsacts zur Zeit, allgemein und aus Österreich?
Allgemein: Skepta, Ivy Lab, Sarah Farina
Österreich: Kinetical, Kimyan Law, Franjazzco
Wie schätzt du Wien als Partystadt im Allgemeinen ein und wen möchte Runtin ansprechen?
Ich schätze Wien als Partystadt sehr hoch ein.. In den letzten Jahren empfinde ich eine gewisse Berlinifizierung, die nicht unbedingt negativ sein muss. Ganz im Gegenteil, wir von Runtin versuchen das Beste rauszuholen, und dadurch dass wir ja auch in Berlin zum Teil aktiv sind, kennen wir uns auch schon seit längerem mit etwaigen unerwünschten Nebenwirkungen aus
;). Ansonsten kommen schön langsam auch Grime und Konsorten in dieser Stadt, wie üblich mit einer gewissen Zeitverschiebung… Wir von Runtin hören die Delays der Vergangenheit und singen die Echos der Zukunft. Die Zukunft ist jetzt und jetzt ist die Zeit um anzupacken und jeder ist dabei herzlichst willkommen, der dieses ewige Denken in Schranken, Käfigen und Einbahnstraßen satt hat und freshe neue, ungezwungene Dinge kreieren und am Laufen halten will! Vielen lieben Dank für das Interview, es war uns eine Ehre.
5 Years of Runtin – Unity Circus findet von 10.-12. Juni in Wien und Linz statt. Unter anderem treten Sarah Farina und Paigey Cakey auf.