Ein Stronach, der niemanden ausreden lässt. Ein HC Strache, der zu jeder Thematik eine Infografik bereit hat. Politiker-Interviews sind amüsant. Und sie sind nervig. Und mal ehrlich, wollen wir uns das wirklich antun? Armin Wolf sagt ja.
Das wohl berühmteste Politiker-Interview, das jemals ausgestrahlt wurde, ist das von Jeremy Paxman und Michael Howard. Kein anderes Video eines Politiker-Interviews kommt an die 462.254 views auf Youtube heran. Was das besondere an dem Interview ist? Michael Howard wird gegrillt. Und zwar aufs Feinste. Der Politiker will die einfache Frage „Did you threaten to overrule him“, also „Haben Sie gedroht, ihn [den Chef der Gefängnisverwaltung] zu überstimmen?“, nicht beantworten. So lange nicht, bis der Moderator die Frage insgesamt zwölf Mal gestellt hat. Und aufgibt. Das ist nicht das einzige Interview, bei dem Jeremy Paxman so direkt in die Offensive geht. Wieso er nicht schon vorher aufgibt? „Ich frage mich immer, warum mich diese lügende Bastarde anlügen“,so Paxman.
Der berühmteste Twitterer Österreichs, Armin Wolf hat solche und noch viele andere amüsante Geschichten in seiner Vorlesung an der Universiät Wien erzählt. Unter dem Namen:“Wozu brauchen wir noch Journalisten?“ veröffentlicht er eben diese im Picus Verlag. Eines der Kapitel behandelt das Thema Politiker-Interviews und wieso diese relevant für unsere Zeit sind.
Lasse reden
Wieso gibt es in Österreich keine derart offensiven Moderatoren, wie Jeremy Paxman? Gibt es bei uns keine „lügenden Bastarde“? Doch, die gibt es. Sogar viel mehr, als wir vielleicht vermuten. Aber während die Moderatoren in den USA für ihre mutigen Fragen und ihre Beharrlichkeit bejubelt werden, würden in Österreich nur sehr wenige etwas für dieses „Hartnäckig-sein“ übrig haben. Öffentlich rechtlich. Unabhängig. So muss es sein. So wird’s gemacht.
Dementsprechend fallen auch die Kommentare der Zuseher aus, wenn Armin Wolf wieder einmal eines dieser belustigenden Interviews mit dem allseits beliebten Herrn Strache führt. Da darf man mit so herzlichen Formulierungen, wie „Herr Wolf: Ist kein Moderator, sondern ein kommunistischer Verhörer. Das ist unerhört“, oder “ Herr Wolf soll seine Interviewpartner schlagen dürfen, wenn sie lügen“, rechnen. Belustigend. Das sind diese Kommentare und nichts anderes. Und sie schmerzen Herrn Wolf auch nicht wirklich. Er schreibt jedem Kunden eine kurze Antwort. „Normalerweise schreibe ich höflicher, als sie [die Kunden, die sich beschweren] mir.“
Nochamal
Nochamal, Werte, Transparenz und vor allem die Wahrheit. Jeder Österreicher kennt ihn. Der, sich für uns Österreicher aufopfernde, Herr Stronach. Gibt man auf Youtube „Politiker Interview peinlich“ ein, kommen sofort die Stronach Videos. Auf Platz Eins natürlich das, das am 29.11.2012 in der ZIB2 ausgestrahlt wurde. In dem Interview beantwortet Stronach keine Frage eindeutig, wird sogar laut und es kommt zu einem richtigen – und sehr amüsanten – Streit zwischen Armin Wolf dem Politiker. Moment. Politiker? Das will er doch gar nicht sein. Österreich retten, das will er und sonst gar nix. Und das betont er immer wieder in den Interviews. Da kann nicht einmal ein Armin Wolf auf ein anderes Thema schwenken. Trotzdem, den Zusehern gefällts.
Eigentlich wurscht
Aber warum sind Politiker Interviews dann wichtig? Eigentlich nerven sie nur. Eigentlich ärgert sich jeder darüber. Eigentlich sind Politiker Interviews wurscht. Man könnte meinen, Politiker wären unter Blödheitsverdacht. Die meisten Medienkonsumenten lachen aber über genau diese Blödheit. Ist es also des Amusements wegen? Wohl kaum. Es geht um die Interaktion zwischen dem Politiker, der keine Fragen beantworten will und dem Interviewer, der nur auf diese eine Antwort aus ist, die er sowieso nicht bekommen wird. Für den Zuschauer geht es hauptsächlich um die vorprogrammierte Aufregung, die sich gleich im Wohnzimmer breit machen wird. Dann hat der Beamte, nennen wir ihn Paul, einen Grund, sich endlich mal wieder richtig über die Politik in Österreich aufregen zu können. Und wenn das nicht klappt? Dann gibt es da immer noch den Journalisten, die Medien. Trotzdem. Sogar die Stronach Interviews haben einen gewissen Sinn und Zweck. Erstens, wissen die Österreicher jetzt die anderen Politiker, über die so viel geschimpft wurde, vielleicht doch wieder ein bisschen mehr zu schätzen. Zweitens muss der 0/8/15 Bürger aufgeklärt sein, mit allen Politikern bekannt sein. Eine Wahl wäre ja sonst sinnlos. Drittens, ok, geben wir es zu. Ein bisschen geht es doch auch ums Amusement.
Politiker-Interviews sind ein Kampf. Und nur einer kann gewinnen. Oft ist das keiner, manchmal der Journalist, denn keine Antwort ist auch eine Antwort.
Die Wahrheit
„Wäre das eine olympische Disziplin, hätten wir Medaillen ohne Ende.“ Armin Wolfs Antwort auf die Frage, ob es eine Eigenheit der Österreichischen Politiker wäre, auf Fragen nicht zu antworten. Eine Eigenheit vielleicht nicht, aber eine Häufigkeit. Politiker wollen keine Fragen beantworten. Womit wir wieder bei Jeremy Paxman und seinem berühmten 12-Fragen-Interview wären. Die Geschichte war nämlich noch nicht zu Ende.
Ein paar Jahre später, wollte Michael Howard in der Sendung „20 Jahre Newsnight“ von Paxman wissen, wieso er nicht nach dem fünften Mal fragen aufgehört habe. Die Antwort ist ernüchternd. „Als ich die Frage fünf oder sechs Mal gestellt hatte, war für mich klar, dass Sie sie nicht beantworten werden und das Interview sollte zu Ende gehen. Genau da kam eine Stimme in mein Ohr und sagte: ›Der nächste Beitrag ist noch nicht fertig geschnitten, mach mit dem noch ein bisschen weiter‹. Und ich fürchte, mir ist nichts anderes eingefallen.“ Und das ist die Wahrheit.
Armin Wolf hat seine Vorlesung "Wozu brauchen wir noch Journalisten?" im Picus Verlag veröffentlicht. Mehr zu Armin Wolf und seinem Gezwitscher gibt es in diesem ausführlichen Interview hier.