US-Seifenoper auf Euro-Kurs

Wrestling ist keine Jahrmarkt-Attraktion, sondern vereint Sport mit Soap, Showbiz und Hollywood.

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Undertaker, John Cena, Triple H, Kofi Kingston, Rey Mysterio: Noch nie von diesen Protagonisten gehört? Willkommen in der perfekt inszenierten, comic-haften Welt von World Wrestling Entertainment (WWE)! Mit einer Jahrmarkt-Attraktion – denn genau da liegen die Anfänge des Schau-Ringens – hat die Organisation mit Geschäftssitz in Stamford, Connecticut allerdings schon lange nichts mehr zu tun. 2009 erzielte das börsennotierte Unternehmen, das mittlerweile auch Departments in u.a. Shanghai, Tokyo, Sydney oder London unterhält, einen Nettoumsatz von 475 Mio. US-Dollar. Den weltweiten Boom schaffte die Sport-Promotion-Unternehmung durch die konsequente Professionalisierung ihres Produkts, der Verbreitung des Kabelfernsehens und nicht zuletzt dank des Engagements von Hulk Hogan.

Hogan, der zwischendurch auch die Rolle von Thunderlips in »span lang=“DE“>Rocky III« spielte, war Anfang der 80er Jahre gemeinsam mit Mr. T und Cyndi Lauper die Hauptattraktion von »Rock‘n’Wrestling«. Die folgende Kooperation mit MTV machte Wrestling blitzartig zu einem Pop-Phänomen, das 1985 seinen ersten Höhepunkt mit dem neu generierten Pay-TV-Format »WrestleMania« erreichte. Durch die geschickte Cross-Media-Strategie der WWE folgte die Animationsserie „»Hulk Hogan‘s Rock’n’Wrestling« auf CBS, der Album-Release von »The Wrestling Album« mit Cyndi Lauper, während die bekanntesten Wrestling-Stars wiederum in Laupers eigenen Musikvideo »span lang=“DE“>Goonies R Good Enough« aus dem gleichnamigen Richard Donner-Film agierten.

Cross-Over-Fehden

»WrestleMania« wurde zum Synonym für ein riesiges neues Pop-Spektakel oder »America‘s last variety show«, wie es WWE-Präsident Vince McMahon einmal ausdrückte. Die illustre Schar der Pop-Celebrities, die Cyndi Lauper folgten, liest sich wie das Who‘s Who des US-Entertainment: Aretha Franklin, Mike Tyson, Ozzy Osbourne, Pamela Anderson, Motorhead, Snoop Dogg – und natürlich Mickey Rourke. Der ehemalige Boxer stieg bei »WrestleMania 25«, nach seinem Auftritt als Film »Wrestler«, gegen den mehrfachen World-Heavyweight-Champion Chris Jericho in den Ring. Die mediale Vorab-Inszenierung des Duells lief wochenlang auf unterschiedlichen Kanälen wie am Schnürchen. Vor allem die hauseigene TV-Show »Raw« der WWE setzt seit dieser einzigartigen Cross-Media-Fehde auf extravagante Hosts aus anderen Entertainment-Subbranchen – u.a. Flavor Flav, David Hasselhoff, Don Johnson oder Ex-Astronaut Buzz Aldrin – und unterstreicht damit auch die jugendfreie Unterhaltungsausrichtung von WWE. Ähnlich wie in der Muppet Show werden dabei die Wrestler mit den Gastgebern in familienfreundliche Comedy-Segmente verflochten. Apropos »Wrestler«: In der Branche werden die Akteure ausschließlich als »Sports Entertainer“ oder als »Superstars« tituliert. Der Terminus Wrestler gilt als verpönt und wird weder von den Kommentatoren (das gilt im Übrigen auch für die deutschsprachigen Kollegen), den Ringsprechern noch von den Protagonisten selbst gebraucht.

Die Implementierung der Entertainmentgrößen aus dem Musik-, Sport-, TV- und Filmbereich läuft in den meisten Fällen doppelseitig: So hatten die Hauptdarsteller des Kinostreifens »MacGruber« im April einen Gastauftritt in »Raw«, um den Film zu promoten, in dem ein halbes Dutzend WWE-Superstars ihrerseits mitwirken. »span lang=“DE“>The Scorpion King«, der erste Output der Film-Produktionsfirma WWE Studios, präsentierte The Rock, eines der größten Wrestling-Idole aller Zeiten. Seine besondere Präsenz wurde auch außerhalb des WWE-Universums wahrgenommen, und so gelang ihm in der Folge der Sprung nach Hollywood. 2006 setzte die Filmproduktion dann auf das Schauspieltalent von John Cena, einem weiteren Wrestling-Superstar. Seine spezielle Trademark-Mimik machte ihn schnell zum Favoriten bei den jungen Fans, was sich in Zeiten der familienfreundlichen Ausrichtung von Wrestling bezahlt macht.

Independent Wrestling

Nur bei den sogenannten Smart Marks, also jenen Personen mit hohem Wrestling-Insiderwissen, hoher Internetaffinität und Interesse an Independent-Wrestling, ist John Cena unbeliebt. Diese Zielgruppe wird vor allem vom legendären Undertaker bedient: Der Kult-Charakter des Sensenmanns ist über die letzten 20 Jahre gesehen der wohl rentabelste Darsteller der Szene und zählt mit dem an den Marvel-Charakter Thor angelehnten Triple H. zu den Helden der primär weißen, männlichen Metal- und Comic-Fans. Weitere relevante Zielgruppen sind die afro-amerikanische und die Latino-Community, die von Kofi Kingston und Rey Mysterio (beide treten regelmäßig in der zweiten WWE-TV-Show »Smackdown« auf) erreicht werden sollen. Auch die Märkte Südamerika, Asien, Australien und Europa erhalten intensive Aufmerksamkeit: WWE-TV-Programme werden in 145 Ländern in insgesamt 30 Sprachen ausgestrahlt. Bereits in den frühen 90er Jahren entdeckte man Europa als wichtigen Markt. 2010 gibt es die WWE-Superstars hier in Form von DVDs, Action-Figuren, Trading-Cards, Magazinen und T-Shirts. Der Kartenverkauf bei den WWE-House-Shows sprengt seit Jahren regelmäßig das Fassungsvermögen der Veranstaltungsorte, egal ob in der O2-Arena in London oder jüngst bei der »Raw«-Tour in der Wiener Stadthalle.

Der Europa-Fokus machte sich auch bei der jüngsten »WrestleMania 26« im März in der Wüste von Arizona bemerkbar: Euro-Celebrities wie der Brit-Rapper Dizzee Rascal oder Deutschlands TV-Starkoch Steffen Henssler waren eingeladen, bei dieser Veranstaltung der Superlative mit 72.000 Besuchern in der Phoenix-Satellitenstadt Glendale aufzutreten, Damit übertraf das Wrestling-Event das dortige U2-Konzert im Oktober 2009 um Längen, und auch einen Vergleich mit den Zahlen der Superbowl braucht die WWE längst nicht mehr zu scheuen.

Die Intermedialität von US-Soap, Varieté und Wrestling gepaart mit modernster Cross-Pop-Promotion ist die Erfolgsformel, um in Zukunft vermehrt wrestling-ferne Konsumenten zu gewinnen. Das einstige Nerd-Phänomen Wrestling scheint unaufhaltsam auf dem Weg, ein globales Massenpublikum zu erobern.

Die »i>Raw World Tour« mit John Cena, Chris Jericho & Co. macht am 10. November auch in Innsbruck Station und am 12.11. in Genf. Die „Smackdown World Tour“ mit Rey Mysterio und Kofi Kingston gastiert am 11.11. in Nürnberg, am 12.11. in Köln und am 13.11. in Mannheim.

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