Clubmusik ist erwachsen geworden, Kunst nahbar und die Technik ihr Einfallstor in die Popmusik. HVOB (Her Voice Over Boys) legen mit »Trialog« eine Platte an der Schnittstelle von Club und Kunst vor.
Es darf ja gerne etwas mehr sein. Man will und darf sich gedanklich verstricken, verknoten, politisch und künstlerisch verschalten, Beats mit ausgefeilten Konzepten hinterlegen. Die Sets von Emptyset, Pantha du Prince oder Gazelle Twin funktionieren als Tanzmusik und Kunstwerke gleichermaßen. Nebst Bass bieten sie ausgefeilte Visuals, Performances oder Medienverschaltungen, dahinter liegen künstlerische Ideen, die weit über die musikalische Szene hinausreichen. Zwischen oder während dem Zappeln auf der Tanzfläche wird auch zum Denksport angeregt. Und seitdem auch bildende und transmediale Künstler maximalen Popstar-Status erlangen, dürfte es zwischen Kunst und Club praktisch kaum mehr Berührungsängste geben.
Deeper, härter, dunkler
Der Dialog zwischen minimalistischen Sounds und hochstilisierten, ebenso minimalen Visuals steht HVOB gut. Das Wiener Duo (Anna Müller und Paul Wallner) war immer irgendwie dazwischen – zwischen Song und Track, Bühne und Club, im Line-up noch zwischen Eintanzen und Ekstase. Nach ihrer rasanten musikalischen Adoleszenz mit einer EP und ihrem Debütalbum 2012 gehen HVOB nun mit bereits dem zweiten Longplayer ein neues Experiment ein.
»Trialog« versteht sich als Gesamtkunstwerk aus Sound, Video und Installation. Dazu hat sich die Kollaboration um den bildenden Künstler Clemens Wolf erweitert und einen ersten Einblick auf der alternativen Kunstmesse Parallel Vienna im Alten Zollamt mit anschließender Party in der damals ganz neuen Kantine gegeben. Die Visualisten von Lichterloh sind nach wie vor an Bord. Musikalisch bringt die Platte weniger euphorisch-hebende Akzente und Peaks. Aber das war auch immer das Geheimnis von HVOB, nicht den nächsten Kick zu suchen, keine Breaks mit langem Aufbau, sondern dass sich die gerade Bassdrum um sich selbst dreht und in sich erschöpft.
Dafür wurde die House-Plakette überstrichen mit einer breiteren Soundpalette. Sie sind technoider, trancy und deeper. Dennoch wirkt der Sound noch luftiger als vorher. Insgesamt klingen HVOB nun härter, dunkler im ernsten, nicht mehr so verspielten Sinne. Zehn Tracks, zehn Videos über zehn Performances – Clemens Wolf fungiert hier als künstlerischer Handwerker. Er spritzt mit Farbe, mischt, schmilzt, löst chemische Prozesse aus und bewegt Dinge. Es geht schlicht um Materialien und ihre Transformation, scheinbar zwischen Kultur und Natur, zwischen Mensch und Apparat. Makroaufnahmen der Materialien überspringen mal Momente, mal dehnen sie die Zeit. Sound und Stimme von Anna Müller reagieren darauf – assoziativ, verweisend, damit oder dagegen.
Flüssigkeiten, Gesteine, Oxidanzien
Die künstlerische Idee von »Trialog« ist also so schön anzusehen wie vage. Man könnte meinen, HVOB greifen etwas auf, das uns alltäglich so nah begleitet und subtil verändert, dass es eben gar nicht mehr sichtbar ist – unser Blick auf und in das Design der Dinge. Unser Verhältnis zur Materie und Natur wandelt sich nämlich grundlegend dahingehend, dass alles machbar, reproduzierbar, gar nicht mehr fest und starr, sondern flüssig und formbar erscheint. Quantenphysik lässt grüßen, aber auch die Synthetisierung der Musik, die Miniaturisierung der Technik und Verschmelzen von Hardware, Software und Design spielen da hinein.
In den auf jeweils ein Material und seine Veränderungen konzentrierten Makroaufnahmen der Videos scheint es gerade so, als könnten wir in die Materie hineinschauen, die Flüssigkeiten, Gesteine und Oxidantien sich von innen heraus bewegen sehen. Und so stecken in diesen organisch-metabolischen Bildern und den Freiräumen der Musik Potenziale für vielfältige Assoziationen – an Körper, an Halluzinationen, chemische Prozesse, an Natur und scheinbar Natürliches. Da es aber auch an fehlenden Worten liegt, dass der Spalt zwischen Club und Kunst noch nicht überwunden ist – und niemals sein wird –, haben wir es dennoch versucht.
»Trialog« geht also über dekorative Visuals weit hinaus. Wem das dennoch zu vage ist, kann immer noch die Schönheit der Bilder genießen.
»Trialog« von HVOB erscheint am 17. April via Stil vor Talent.