Vaters schwarze Hand

"Vaterland" zeichnet Jugoslawien oft nüchtern und mitunter extrem emotional als Porträt einer Familie nach, die teils willig, teils unfreiwillig das Opfer einer destruktiven Politik wurde. Eine beeindruckende und einzigartige Graphic Novel.

Destruktive Politik

"Die Arbeit an ‚Vaterland‘ zwang mich, das Große Ganze zu betrachten." Damit meint sie sowohl den historischen Umfang des Werks wie auch die persönliche Dimension der menschlichen Relationen. Begonnen hat es mit ihrem Wunsch, mehr über ihren Vater und dessen Vergangenheit zu erfahren. Peter Bunjevac war tief in terroristische Aktivitäten extremer serbischer Nationalisten verflochten. Mit der Recherche zum Leben des Vaters und der Geschichte hinter diesem Konflikt begann sie dessen wahre Natur zu verstehen. "Womit ich am meisten kämpfte, war die Verbindung zwischen seinem Vermächtnis und der Auflösung des Landes, das ich Heimat nenne, zu erkennen." Es ging also gar nicht anders.

Um sowohl ihrer eigenen Familie wie auch der Geschichte gerecht zu werden, musste sie ein gedachtes Seziermesser anlegen. Sorgfältig recherchierte sie über ein Jahr lang, sprach mit Familienmitglieder, durchforstete deren Fotografien und Aufzeichnungen, um ein möglichst vollständiges Bild festhalten zu können. Sie beschreibt ihr Ziel weniger als Auseinandersetzung mit dem unbekannten, verstorbenen Vater: "Meine Absicht ist es, die Effekte destruktiver Politik auf all jene zu zeigen, die zurückgelassen werden, Frauen und Kinder."

Hier taucht dann doch eine emotionale Komponente auf, wie sie kaum stärker sein könnte. Indem Bunjevac die Position ihres Vaters nicht nur in seiner Abwesenheit, sondern auch durch die Reaktionen ihrer Familie darstellt, werden eben jene Effekte sichtbar, vor allem aber auch berührend. Auf der einen Seite verdichten sich die Informationen zu Politik auf internationaler Ebene, auf der anderen Seite sind es die Details in den Handlungen und Kommentaren der Familie, die es uns erlauben zu verstehen, in was für einer schwierigen Situation diese sich befinden. Der Intuition widersprechend, ist es gerade diese Fülle an Informationen und Details, die eine tiefere Identifikation zulässt.

In einem besonders intensiven Moment – der junge Peter Bunjevac trägt seine Frustration an Katzen aus, die er bei lebendigem Leib verbrennt – fiel es Nina Bunjevac selbst schwer zu entscheiden, ob sie das in "Vaterland" sehen möchte oder nicht: "Ich habe es fast nicht verwendet, aber dann dachte ich, dass es ein sehr wichtiger Teil seiner Reise war. Es gibt viele Wege wie Menschen mit ihren Dämonen umgehen – diese Geschichte illustriert die zerstörerischen Wege. Wenn man sich die Weltereignisse heutzutage ansieht, dann wird es offensichtlich, dass zu Radikalismus tendierende Menschen, die in Schulmensen oder Einkaufszentren herumschießen, alle etwas gemein haben: Gefühle von Kränkung, Schmerz, Verdrängung, die für sie sehr real sind."

Ein williges Opfer, beeindruckend und einzigartig dargestellt

Ihren Vater besser zu verstehen gelang ihr nur teilweise: "Das Einzige, das ich heute an meinem Vater klar verstehe, ist, dass er ein williges Opfer in alldem war." Aber das größere Bild, das sie durch "Vaterland" erlangte, verhalf ihr zu einem besseren Verständnis der Zusammenhänge. Somit verhilft es uns, zum gleichen Ergebnis kommen zu können.

In dieser Hinsicht ist "Vaterland" überragend gelungen. Es ist einerseits ein massives Manifest der beeindruckenden Talente Nina Bunjevacs, andererseits stellt es Politik auf einer zwischenmenschlichen Ebene dar, dort wo sie wirklich stattfindet und Spuren hinterlässt. Anders als Joe Sacco wählt sie nicht die journalistische Route, vielmehr findet sie eine Stimme, die viel zu selten aus sozialkritischen Comics zu hören ist: Nicht moralisierend, aber klar und unmissverständlich, und in Nina Bunjevacs Fall auch einzigartig.

Sie plant diesen Weg weiter zu verfolgen: "Das nächste Projekt dreht sich um die arktische Umsiedelung kanadischer Inuit. Das ist während des Kalten Kriegs ab 1953 passiert, als fast die ganze Arktis mehr oder weniger zu haben war". Die Erwartungen sind dank "Vaterland" hoch, so ist aber auch das Vertrauen in Nina Bunjevac.

"Vaterland" von Nina Bunjevac ist soeben im Avant Verlag erschienen. Am 23. März ist die Autorin zu einem Gespräch bei Hartliebs Bücher in 1090 Wien zu Gast und stellt ihr neues Buch vor.

Bild(er) © Nina Bunjevac
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