First Aid Kit waren in Wien. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen wie es ist im Rampenlicht erwachsen zu werden. Und über Vergänglichkeit.
Johanna und Klara Söderberg haben Rotlichtbeleuchtung in ihrem Tour-Bus, hätten aber viel lieber einen Hund. Sie sitzen im zweiten Stock auf einer Eckcouch aus Leder, tragen Leggings und Strickpullover zu Chelsea Boots und lassen den noch leicht verschlafenen Blick über den nebeligen Donaukanal schweifen, an dessen Ufer sie heute morgen aufgewacht sind. Am Abend werden sie ein Konzert beim Waves Vienna spielen, bei dem der Andrang zu groß ist und nicht alle reinkommen.
Im Bus ist hinten, dort wo in einem normalen Doppeldecker-Bus Sitze hingehören, eine Bettkoje nach der anderen in die Wand eingelassen. Auf der Eckcouch kann man Videospiele zocken und zur Not auch mal die Jalousien runterlassen, wenn man von der Neun-köpfigen Crew seine Ruhe haben will. Tourbus-Wahnsinn halt.
Die Musik des Schwestern-Duos First Aid Kit wird gerne als "zeitlos" bezeichnet. Trotzdem geht es am neuen Album "Stay Gold" um das komplette Gegenteil – die Vergänglichkeit. Wir haben mit ihnen darüber gesprochen wie es ist im Rampenlicht erwachsen zu werden.
Ihr seid heute Morgen angekommen: Hattet ihr Zeit auch etwas anzusehen?
Johanna: Ich bin heute zwei Stunden herumspaziert – bis zur Oper und am Schwedenplatz vorbei. Habe mich fast wie zu Hause gefühlt (lacht). Warum heißt der „Schwedenplatz“ eigentlich „Schwedenplatz“?
Ich habe keine Ahnung…
Klara: Ich war heute viel zu müde und faul und bin hier geblieben. Es ist auch nicht unser erstes Mal in Wien – wir waren mit Conor Oberst schon einmal hier.
Ihr seid sehr früh in das Musikbusiness eingestiegen – hattet ihr jemals ein anderes Ziel vor Augen?
Johanna: Wir waren zu jung um über so etwas nachzudenken. Ich war 16 und Klara 14. Außerdem war das schon immer unser Traum gewesen, den wir uns da gerade realisierten. Wir waren also vorrangig total aufgeregt.
Klara: Da steht keine Entscheidung dahinter, die wir getroffen haben. Wir haben uns nicht gedacht: Hey, das machen wir jetzt den Rest unseres Lebens, her mit dem Vertrag! Wir dachten uns eher, dass es Spaß machen würde eine EP zu veröffentlichen und zu sehen, wie man sie aufnimmt.
Man hat sie so gut aufgenommen, dass man euch heute als DIE Folk-Newcomer-Band überhaupt feiert. Wann wurde euch das bewusst?
Klara: Wahrscheinlich zu dem Zeitpunkt als du die Highschool hingeschmissen hast Johanna, oder?
Johanna: Ja, zu diesem Zeitpunkt ging alles durch die Decke.
Was haben eure Eltern gesagt?
Klara: „Tourt doch erst einmal mit eurem ersten Album“! (lacht) Nein wirklich, sie hatten überhaupt kein Problem damit. Keine Ahnung wie das Schulsystem hier in Österreich ist, aber in Schweden ist es sehr relaxt…
Johanna: Unsere Eltern sind sehr liberal und offen und unterstützen uns bei allem was wir tun. Unser Vater ist übrigens unser Soundtechniker und unser kleiner Bruder und unsere Mum sind manchmal ein paar Tage mit uns unterwegs. Wir sind leider viel zu selten in Stockholm, also treffen wir uns meist irgendwo „on the Road“.
Welche Musik haben eure Eltern gehört und womit habt ihr euch von ihrer Plattensammlung emanzipiert?
Johanna: Unsere Eltern haben viel Rock und Grunge aus den 80er und 70er Jahren gehört: Nirvana, Pixies, Patti Smith, Lou Reed etc. Zum Folk sind wir also ganz alleine gekommen. Heute hören sie unseretwegen sogar Country.
Klara, du hast deinen ersten Song angeblich mit sechs geschrieben: Weißt du heute noch wie der klingt?
Klara: Wir haben beide von klein auf Musik gemacht. Es ist lustig, dass ich mich genau an diesen Song so gut erinnern kann. Er ist nicht sonderlich gut und ich würde ihn heute natürlich nie aufnehmen. Ich hab damals über das Auto meiner Barbie-Puppe gesungen.
Denkt ihr, dass es heute allgemein schwerer ist Musik zu veröffentlichen?
Johanna: Ja, vielleicht weil das Internet vor lauter neuer Indie-Bands übergeht.
Klara: Die gab es aber schon immer und einige sind sicher auch talentierter aber unbekannter als wir. So ist das immer. Wir hatten einfach großes Glück. Wir waren von Anfang an mit den richtigen Menschen am richtigen Ort: Wir kommen aus Schweden, ein kleines Land mit einer dichten Musikkonzentration das international gerade eine Art Hype erfährt. Wenn dich in der Szene jemand toll findet und über dich spricht, dann kann das Schlag auf Schlag gehen. Eine Band aus England oder Amerika hat es hier glaube ich viel schwerer.
Ihr zum Beispiel wurdet Schlag auf Schlag zur Lieblingsbands von Szenengrößen wie Bright Eyes, Conor Oberst, Fleet Foxes oder Jack White: Wie seid ihr am Anfang an die rangekommen?
Johanna: Bei den Fleet Foxes haben wir einen Coversong gemacht, der der Band total gut gefallen hat….
Klara: Bei Bright Eyes war es ein bisschen offensiver..
Johanna: Stalker! (lacht)
Klara: Wir haben am selben Festival gespielt und hatten Backstage-Pässe und wurden dann von einem gemeinsamen Freund einander vorgestellt.
Und 2009 habt ihr Conor Oberst die erste Kopie eurer ersten Platte überreicht: Spontanversuch?
Johanna: Nein, das haben wir geplant und vor der Show besprochen. Ein Freund unseres Labels hat uns den Tipp gegeben. Dann hat er es noch vor dem offiziellen Release-Termin gehört und uns später angerufen.