»Viele Lorbeerkränze auf dem Kopf behindern den Blick« – Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler im Interview

Mitte Mai diesen Jahres präsentierte der neue Wiener Bürgermeister Michael Ludwig sein Team, darunter die neue Kulturstadträtin Veronica Kaup-Hasler. Die Erwartungen aus der Kulturszene sind dementsprechend hoch – wie Kaup-Hasler diese erfüllen will, erzählt sie im Interview.

Hyperreality war vielleicht ein Versuch, jüngeres Publikum in die Wiener Festwochen einzubinden. Tomas Zierhofer-Kin hat seinen Vertrag nun vorzeitig beendet, wie wird sich das in Zukunft entwickeln?

Ich glaube, Tomas hat an etwas weitergearbeitet, was er sehr erfolgreich beim Donaufestival betrieben hat. Das Donaufestival hat auch deshalb so gut funktioniert, weil er es geschafft hat, nebeneinander sehr unterschiedliche Musik- und Kunstdarbietungen an einem Abend erleben zu lassen. Das ist etwas, das normalerweise sehr segregiert ist und dort zu einem wunderbaren Hybrid wurde. Das hat er hier in den Festwochen auch integriert und das ist zurecht auf großen Zuspruch gestoßen. Generell würde ich mir aber wünschen, dass es gelingt, dieses Publikum noch mehr ins Festival zu integrieren und dass dieser Teil dann nicht eine separate Insel bleibt. Es braucht Strategien, dieses Publikum in andere unterschiedliche Ästhetiken und Performances einzuladen, und dieser Transfer muss stattfinden. Bei den Festwochen ist es wichtig, dass der Bogen ganz weit gespannt ist und sich das Publikum durchmischt. Ich sehe es extrem problematisch – und da haben die Institutionen ihren Anteil –, wenn wir etwa im Bereich des Musiktheaters und der Oper mit verstaubten Inszenierungen und Formaten, die junge Leute naturgemäß nicht interessieren, diese wunderbaren Musiken in ihrer Vielfalt nicht zugänglich machen.

In der Wiener Kulturszene wird zum Teil von einem Schlag der Regierung auf das »rote Wien« und insbesondere auf den Kultursektor gesprochen. Wie schätzen Sie die Situation und die Verantwortung des Bundes ein?

Ich denke, es wäre ein fataler Fehler, wenn der Bund seine Verantwortlichkeit für die Kultur in diesem Land nicht erkennt, und ich glaube, das würde sich über kurz oder lang einfach rächen. Dieses Land und im Speziellen diese Stadt kann nicht nur die Verwalterin alten Kulturguts sein. Das ist uninteressant. Wenn man reist, weiß man, was beispielsweise Paris in neue Zentren für Kunst investiert hat. Da ist so viel entstanden, so viele alte Gebäude wurden transformiert für neue digitale Kunst, für Film, für Working Spaces. In Belgien genauso. Ich denke, man muss die Menschen an der Hand nehmen und ihnen erst mal zeigen, was in der Welt passiert, und ich kann nur sagen, wir müssen wirklich aufpassen, dass wir in manchen Bereichen nicht den Anschluss verlieren. Da gilt es zu investieren und ich werde nicht müde, Minister Blümel und seinem Team davon zu erzählen und sie mitzunehmen in diese gemeinsame Verantwortlichkeit. Ich bin erst seit kurzem da, wir werden sehen, wie der Bund sich verhält und dementsprechend wird man reagieren. Aber ich bin guter Hoffnung, dass die Befürchtungen, die im Moment im Raum stehen, nicht wahr werden.

Veronica Kaup-Hasler © Angelina Pachzelt

Was steht auf Ihrer Agenda für das nächste halbe Jahr? Wo wollen Sie sofort ansetzen?

Ich möchte mir im Sommer Zeit nehmen, mir über das Volkstheater Gedanken zu machen. Ich möchte einen Prozess unter Einbeziehung von sehr vielen Stimmen starten und die unterschiedlichsten Denkrichtungen und Möglichkeiten, die es für dieses Theater gibt, prüfen. Das ist wahrscheinlich die schwierigste Aufgabe, weil dieses Theater seit Jahrzehnten im Verhältnis zu anderen Häusern in Wien nicht die entsprechende Dotierung und zudem auch Herausforderungen räumlicher Natur zu bewältigen hat. Da gibt es viele Dinge, die den Betrieb erschweren. Jetzt kommt noch eine Sanierung dazu, die ja keine Generalsanierung, sondern eine Funktionssanierung ist.

Ebenso die Kunsthalle, auch da möchte ich einen Thinktank haben, einerseits aus Leuten aus der Stadt, aber andererseits auch aus internationalen Leuten, um nachzudenken, wie eine Kunsthalle aussehen soll und könnte. Es gibt hier auch eine Standortfrage, die nicht unproblematisch ist, die ich aber nur angehen kann, wenn ich weiß, ob es überhaupt realistische Optionen gibt, über einen veränderten Standort nachzudenken. Wenn das aus finanziellen Gründen nicht geht, dann muss man für den jetzigen, diesen doch sehr speziellen Ort, Ideen entwickeln, wie die Kunsthalle mehr Sichtbarkeit bekommt. International ist sie ja sehr anerkannt, aber lokal scheint sie, zumindest medial, nicht so angenommen zu werden, wie man sich das wünscht.

Was fasziniert Sie an Wien?

Ich bin in Wien aufgewachsen und ich habe die Stadt in meiner Jugend als verstaubt und eng erlebt und ich bin wirklich tief begeistert, wie sie sich entwickelt halt, welche Leute jetzt hier sind und wie viel Jugendlichkeit sie in so vielen Bereichen bekommen hat. Das ist für jüngere Leute vielleicht noch nicht ganz so wahrnehmbar (lacht), weil wir in manchen Bereichen Städten wie Berlin, Amsterdam, Paris oder New York noch immer hinterherhinken. Aber Wien hat sich enorm dynamisiert und gilt seit Jahren als lebenswerteste Stadt der Welt. Ich mag, dass es jetzt mehr nach Metropole riecht als früher. Je mehr Menschen aus unterschiedlichen Gegenden – national wie international – in diese Stadt kommen, desto spannender wird es. Ich habe mich immer an Orten wohlgefühlt, wo Internationalität und der Umgang mit unterschiedlichen Kulturen als Bereicherung empfunden werden. An unterschiedlichen Formen von Inklusion zu arbeiten, ist, finde ich, enorm herausfordernd und sexy.

Haben Sie Angst vor der nächsten Wienwahl?

Nein. (lacht) Ich habe grundsätzlich wenig Angst.

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