Im Rahmen der Vienna Biennale stellt das MAK Fragen an eine Zukunft, die durch den technischen Fortschritt geschrieben wird. Gefunden werden interdisziplinäre Antworten aus den Bereichen Kunst, Design und Architektur.
(Text: Johanna Wagner)
„Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft.“ – so lautet das Motto der aktuell stattfindenden Vienna Biennale, die Kunst, Design und Architektur verbindet und sich den Auswirkungen der Digitalisierung auf zukünftige Lebensweisen widmet. Dabei will man, so der nicht gerade bescheiden gewählte Ansatz, mit kreativen Ideen und künstlerischen Projekten zur Verbesserung der Welt beitragen. Große Fragen brauchen interdisziplinäre Antworten. Der Wandel durch technischen Fortschritt stellt nicht nur Fragen an die Naturwissenschaften, sondern auch an Sozial- und Gesellschaftspolitik, Moral, Ethik und an die Konstruktion von Machtstrukturen. Die Biennale wird der Diversität der Zukunft gerecht. Aufgeteilt auf die Standorte MAK, Universität für angewandte Kunst, Kunsthalle am Karlsplatz und das Architekturzentrum Wien am Nordbahnhof werden in verschiedenen Rahmungen relevante Perspektiven beleuchtet.
Morgen ist schon heute
Die Konzeption des Ausstellungsbereiches „Hello, Robot“ ermöglicht eine Erweiterung der persönlichen Zukunftsauffassung, bei der die Besucherinnen den technischen Wandeln individuell rekapitulieren können. Werden naturwissenschaftliche Innovationen wie der Roboter zu Beginn noch als alltagsfernes Monumentum in irgendeiner Zukunft dargestellt, findet man sich am Ende der „Hello, Robot“-Ausstellung plötzlich in einer modernen Realität wieder, die einen technisch-determinierten Alltag durch konkrete Beispiele greifbar werden lässt. So vergleicht man plötzlich Produkte, die passend zur Frage „Do you want to become better than nature intendend?“ angeboten werden, man verwickelt sich in einem Chat mit einer künstlichen Intelligenz, oder interagiert mit dem „empathischen Roboter KIP“ (Guy Hoffman). Es ist insbesondere der interaktive Faktor der Ausstellung, der ein Verständnis von einer sehr nahen Zukunft fördert, in der Roboter Seite an Seite mit Menschen leben.
Technik zwischen Freund und Feind
Wer beherrscht hier eigentlich wen? Die Frage nach Moral und Ethik steht genauso stark im Fokus, wie Fragen nach dem Empathie- und der Machtpotential, die durch Künstliche Intelligenz konstruiert werden. Dargestellt werden Konsequenzen für die Menschheit durch praktische Beispiele. Der humanistische Ansatz gipfelt in einem Roboter, der basierend auf einem Datenpool, welcher sich aus Lexika über Kunst, Philosophie und Technologie zusammensetzt, endlose Manifeste schreibt. Eine seiner Thesen: „Culture emerges from Idiocy“. Ein Anblick, der schnell an ScienceFiction-Dystopien erinnert. So zeigen auch Werke, wie „Robots of Brixton“ (Kibwe Tavares) oder das Musikvideo zu Flying Lotus „Kill your Co-Workers“ konzipiert von Video-Artist Beeple, feindliche Übernahmen von Robotern. Im Gegensatz dazu stehen etwa Dan Chen’s „Making Friends by Making Them“-Roboter, die uns Geborgenheit und Mitgefühl vermitteln können, indem sie mit uns interagieren. Am Ende steht man vor der Frage, inwieweit Roboter unsere Gesellschaft bereichern, aber auch inwieweit man sich selbst mit dem Ansatz anfreunden kann, das Roboter irgendwann sogar Ersatz für menschlichen Kontakt bieten könnten.
Design – Möglichkeiten und Machtstrukturen
Wird dem Zuschauer durch die Austellungsteile „Hello, Robot“ und „Artificial Tears“ eine Zukunft vor Augen geführt, die sich ganz auf das Zusammenspiel zwischen Mensch und Technik fokussiert, zeigt das MAK in den Bereichen „Design for Agency“ und „Stadtfabrik“ Ansätze von Design, Architektur und kultureller Konstruktion, die sich auf die Nachhaltigkeit unseres Zusammenlebens konzentrieren. Nach dem durchaus bedrohlich wirkenden Fingerzeig auf das hohe Niveau, auf dem sich naturwissenschaftliche Innovation mittlerweile befindet, sind diese Darstellungsansätze wie Balsam für die Zukunftsangst des geschundenen Individuums einer Industrienation. Hervorgehoben werden Ansätze von Open Source Produktionen, die zugleich deutlich markieren, wie stark einem vorgegebenen Design immer auch Grenzen eingeschrieben sind. Ideen für lebenswertere Städte, Sharing, Recycling: Diese Themengebiete sind durch Innovationen geprägt, die der zuvor gezeichneten Roboter-Zukunft mehr Raum für menschliche Solidarität und soziales Zusammenleben geben. Insbesondere in „Design for Agency“ werden konkrete Beispiele präsentiert, die das Verständnis von Nachhaltigkeit und Design in ein erweitertes Verständnis rücken. So widmet man sich beispielsweise dem Thema Lobbyismus im Interesse der Nachhaltigkeit und versucht Potential für Nachhaltigkeit auch in kulturelle Praktiken wie Kochen, Kommunizieren, Sammeln und Transportieren zu entdecken. Insgesamt überzeugt die Vienna Biennale, indem sie die Zukunft viel näher rückt als man erwartet, ohne den Besucher allein mit hoffnungslosen Weltuntergangsdarstellungen zu konfrontieren.
Ausstellungs-Tipps: Der Kurzfilm „Alice Cares“ (Sander Burger, KeyDocs) fragt, ob Roboter ein adäquater Ersatz für menschliche Interaktion sind. Das Projekt „Flight Assembled Architecture“ (Gramazio Kohler Research & Raffaello D’Andera in Zusammenarbeit mit der ETH Zürich), das architektonische Zukunftsvisionen vergegenwärtigt, sowie Cécile B. Evans „Working on What the Heart Wants„. Hier wird eine Zukunft gezeichnet, in der die Grenzen von Natur und Technik mehr und mehr verschwimmen. Empfehlenswert ist auch die Installation „Levels“ (mischer’traxler studio), die die Zerbrechlichkeit gesellschaftlicher Konstruktionen zeigt.
Die Vienna Biennale 2017: „Roboter. Arbeit. Unsere Zukunft.“ ist noch bis 1. Oktober 2017 zu sehen. Weitere Informationen findet ihr hier.