#vivahinds

Hinds aus Madrid sind dabei, einem Genre mit exzellentem Songwriting neues Leben einzuhauchen, und sind darüber selbst ziemlich hyped.

Den Lo-Fi-Charakter mit extra viel Charme hört man bei den Hinds nicht nur am kürzlich erschienenen Debüt „Leave Me Alone“, er macht sich auch im Gespräch sofort bemerkbar. Einfach drauf los, und was dabei rauskommt ist nicht berechnet. Gestern haben die vier Spanierinnen das ausverkaufte B72 zerlegt. Wir haben uns im Vorfeld mit Ana Perrote, Frontfrau von Hinds, über Karaoke, Sexismus und die Freundschaft unterhalten.

Der energiegeladene Garage-Sound mit vielen Anleihen an Sixties-Pop in Kombination mit Carlotta Cosials und Ana Perrotes manchmal dreckig-verruchten manchmal sehr süßen Stimmen fühlt sich an, wie ein Ausflug ins Erstsemestrigen-Dasein. Es gibt Hoffnung für die Zukunft des Rock ’n’ Roll. Riot, Bier – wir machen, was wir wollen. Zusammen mit Drummerin Amber Grimbergen und Bassistin Ade Martin haben sie den Spaß ihres Lebens und genießen spürbar, was sie da tun. Und dass die vier seit Monaten permanent auf Tour sind, zeigt sich deutlich in ihrer Bühnenpräsenz.

Es ist die Spannung zwischen ihrem Selbstbewusstsein und der Aufregung, die das sehr gemischte Publikum gestern von den ersten Riffs an mitriss, und auch Endzwanziger zu Teenies werden ließ, die unbedingt in die ersten Reihen müssen. Mitsingen ist außerdem ein großes Thema, das sowohl ältere Herren wie auch Altersgenossen der Girls gleichermaßen betrifft. Hinds spielen nicht einfach Konzerte, sie machen Partys. Der Sound und die Performance ist alles andere als poliert, sondern wirkt teilweise sehr improvisiert, teilweise werden aber auch mühelos außergewöhnliche Akkordfolgen gespielt.

Einen komplett verfrühten Einstieg lacht Perrote charmant weg. Ihre punkige Attitüde zeigt sich noch mal bei „Davey Crocket“, einem Thee-Headcoats-Cover, das das Konzert grandios abschloss.

Ein paar Stunden zuvor: „Weißt du schon, dass heute Abend ausverkauft ist?“ – „Es ist so verrückt. Ich bin so aufgeregt. Ich kann mir nicht vorstellen, dass wir zum ersten Mal in einer Stadt spielen und es ist gleich ausverkauft.“ Eigentlich müssten sie schon an das alles gewöhnt sein. Hinds supporteten schon Größen wie The Libertines, The Vaccines und Black Lips. Heute werden sie selbst supportet. Medien und Kritiker liegen ihnen zu Füßen, Patrick Carney von den Black Keys feiert sie ebenfalls.

Wie lange spielt ihr schon zusammen?

Carlotta und ich haben 2011 gemeinsam zu spielen angefangen. Aber wir hatten keine Auftritte. Wir haben 2014 zwei Songs aufgenommen, „Trippy Gum“ und „Bamboo“. Ich spielte Bass und sie Drums, es war eine Katastrophe. Wir wussten, wir brauchen Leute, die wissen was sie tun, und entschieden uns, jemanden dazuzunehmen. Also, wir starteten Deers mit Ade und Amber vor eineinhalb Jahren ungefähr. (Anm.: Den Name Deers änderten sie wegen einer drohenden Klage einer ähnlich benannten Band auf Hinds um.)

Euer kürzlich erschienenes Album heißt „Leave Me Alone“. Wen meint ihr denn damit?

Jeden! Alle! Weißt du, wir haben ganz allein angefangen, Musik zu machen – unser Ding. Wir hatten nur unsere eigenen Erwartungen. Und plötzlich hast du Agenten, PR-Leute, ein Label, ein Management und mit ihnen tausende Meinungen um dich. Auch Fans, die bestimmte Erwartungen haben. Das ändert alles. Alle wollen dir helfen und dir dieses oder jenes raten. Und wir wollen in dem Ganzen einfach so gut es geht bei uns selbst bleiben, bei unseren Vorstellungen von unserer Musik. Bei „Leave Me Alone“ wollten wir uns unsere Safety Area schaffen, in die uns niemand dreinredet. Wir brauchen keinen, der uns sagt: „Ihr müsst das und das ändern.“

War das auch beim Cover so? Wie ist das Foto entstanden?

Es war kurz nach einem Gig, wir gingen von der Bühne, komplett verschwitzt. Ades Freund kam zum Konzert, es war in Spanien – wenn wir spielen, kommen unsere Freunde natürlich alle und haben Spaß mit uns. Er ist Fotograf und hat schnell ein paar Fotos gemacht. Dann haben wir uns auf dieses geeinigt.

Einigt ihr euch beim Songwriting auch immer?

Eigentlich machen Carlotta und ich das. Jeder macht den eigenen Part natürlich, aber wir starten immer mit zwei Gitarren und bauen den Rest darauf auf. Bei den Lyrics ist es das Gleiche. Wir denken, das sie einer der wichtigsten Aspekte eines Songs sind. Wir sind da ziemlich eigen: Alles passiert in einem gemeinsamen Prozess, wir schreiben zusammen am Text und überlegen uns danach, wer welchen Teil singt.

Was braucht ihr, um kreativ zu sein?

Wir fühlen sehr intensiv, sowohl schlechte, als auch gute Emotionen. Wir verarbeiten alles. Hast du ein besonderes, einzigartiges Gefühl und willst darüber schreiben, musst du es sofort tun. Es ist das wahre Leben. Auf Tour geht jede Menge ab und wir erleben vieles, das wir gern verarbeiten würden, aber uns fehlt leider die Zeit. Aber wir touren wirklich gern.

Ihr habt ja auch dieses Album quasi zwischen zwei Touren aufgenommen, oder? Gratulation übrigens!

Danke! Ja, wir hatten eine ziemlich schlechte Zeit. Es war kein Spaß, glaub mir. Nach vier Wochen unterwegs hatten wir nur ein paar Tage in Spanien um das Album aufzunehmen, und wir wollten natürlich auch unsere Familien und Freunde sehen. Das war jede Menge Zeitdruck dabei und wir waren extrem müde. Ich hoffe beim nächsten Album haben wir eine optimistischere Stimmung und sind ausgeschlafener. Man hört es auch, denke ich – nicht alle Songs sind fröhlich. Wir lieben es trotzdem!

Wie war es in den USA zu touren? Gibt es da grobe Unterschiede zu Europa?

Es ist so verschieden! Die Art, wie Musiker in Amerika behandelt werden, ist ganz anders. Wir waren lang in Europa unterwegs und hatten Hardcases für die Instrumente. Aber da ging eins kaputt, also haben wir uns Softcases besorgt, die du als Handgepäck nimmst. Jedes Mal, wenn wir in ein Flugzeug steigen wollen, gibt’s Probleme. Die behandeln dich, als würdest du eine Bombe herumtragen. Wir müssen immer kämpfen, dass wir sie mitnehmen dürfen.

In Amerika nehmen sie dir die Instrumente sogar ab, wollen sie für dich tragen, wenn sie sehen, du bist Musiker. Die haben ein ganz anderes Verhältnis dazu. Sie sehen, dass du kulturell was beitragen willst und der Allgemeinheit etwas gibst mit deiner Musik. Aber in Europa ist das Publikum ganz durchgemischt, es kommen ältere Leute, über 60, die uns respektieren, das ist ziemlich cool. In Amerika feiert uns eher die Jugend. Du weißt wirklich nie, wie das Publikum sein wird.

Wie sehr werdet ihr in Spanien unterstützt?

Wir werden natürlich von Freunden und befreundeten Bands unterstützt, aber nicht so sehr von der Musikszene generell. Wir sind die erste Band, die aus Spanien wirklich rauskommt, und jeder macht sich irgendwie Gedanken dazu. Viele sind frustriert, dass sie es nicht schaffen. Da gibt’s viele Musiker, die uns verfluchen. Aber wir verschließen ja niemandem die Tür, im Gegenteil, wenn die Welt plötzlich anfängt, Richtung Spanien zu blicken, ist das ja ein Vorteil. Spanien ist etwas weird, was das betrifft.

Viele glauben nicht, dass wir es verdient haben, dass wir wirklich gut sind in dem, was wir machen. Wir hätten es so einfach, weil wir Frauen sind.

In einem Gespräch mit Pigeons & Planes sagtest du mal, dass ihr nach und nach merkt, wie fucked Frauen in der Musikwelt sind. Meintest du das damit?

Wir waren schon oft mit Sexismus konfrontiert, aber für uns war es weniger eine Barriere, im Sinne von: Wir könnten dieses oder jenes nicht machen, weil wir Girls sind. Jungs und Mädels erleben den gleichen Erfolg, aber die Schattenseiten sind anders. Die Leute sind oft extrem gemein in ihren Kommentaren, und sexistisch. Ich mein, ja, vielleicht sind wir sensibler, aber es ist eine Tatsache. Wir hören ständig, dass wir da sind, wo wir sind, weil wir Schwänze lutschen. Da musst du echt stark sein.

Wie geht ihr mit so was um?

Der Vorteil ist, dass wir zu viert sind. Wir sind Freundinnen und immer für einander da. Wir halten zusammen. Vor Kurzem wurde eine von uns vorm Konzert von einem Typ angeschrien, sie sei hässlich. Ich bin dann zu ihm hin und hab ihm gesagt, er muss gehen. Und sogar, wenn Leute eigentlich nett sein wollen: „Ich weiß sie sind Mädchen, aber sie sind gut.“ – Dude, du machst es nicht besser!

Okay, lass uns über etwas Lustigeres reden. Ihr sprecht viel über eure Einflüsse, Mac DeMarco oder The Strokes. Aber haben Hinds auch Guilty Pleasures? Irgendwas aus den 90ern?

Wir hören spanischen Hip-Hop, wir lieben Drake. Wobei ich mir nie sicher bin, ob das peinlich ist, oder nicht (lacht), und Pop natürlich, so Radiosachen. Vor Kurzem haben wir Karaoke gesungen, Oasis. Das ist einfach lustig. Was auch immer etwas in dir auslöst, weißt du – eigentlich sollte man sich für nichts schämen.

Absolut! Gibt es Wünsche für Kollaborationen?

Wir werden das öfter gefragt, und ich bin etwas besorgt darüber. Natürlich wäre es cool, mit Angel Haze oder jemand unserer Idole einen Song aufzunehmen. Aber durch unsere sehr eigene Art des gemeinsamen Musikmachens ist die Vorstellung, mit jemandem zusammenzuarbeiten, etwas stressig. Immer wenn jemand in unsere Safety Area, die „Leave Me Alone“-Blase, kommt, hab ich das Gefühl, sie ist bedroht.

„Leave Me Alone“ von Hinds ist bereits erschienen. Heuer wird die Band wohl noch zweimal live nach Österreich kommen.

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