Das Glück der Erde findet sich nicht immer nur auf dem Rücken der Pferde. Das weiß auch Regisseur Benjamin Heisenberg, der, statt Profireiter zu werden, Bildhauerei studiert hat, nun aber letztendlich doch vor allem Filme wie »Schläfer« und »Der Räuber« macht. Seine neue Arbeit »Über-Ich und Du« ist nun eine Auseinandersetzung mit Geschichte und Vergessen.
Curt Ledig sagt gen Ende »Ich bin ein Fremder in meiner eigenen Vergangenheit geworden«, was ein wenig wie ein Schlüsselsatz des Films klingt. Wie gehen Sie selbst mit dem Erinnern, aber auch mit dem Vergessen um?
(lacht) Eine deprimierende Frage. Ich bin 39, ich bin noch nicht so alt!
Ich bin auch noch nicht so alt und habe das Gefühl, ich muss mich manchmal bewusst an Dinge erinnern.
Ich kann nur sagen, ich kenn’ das total. Es ist schon besser geworden, aber zwischendurch hatte ich echt so amnesische Phasen, wo ich mir dachte, das kann doch nicht sein, dass ich das vergessen habe. Mittlerweile ist das aber besser geworden. Die Frage der Erinnerung ist aber für mich für den Film nicht so wichtig gewesen, wie der Umgang mit der eigenen Geschichte und eben dem Dritten Reich.
Das ist auch etwas, was in meiner Familie eine wichtige Rolle gespielt hat, weil mein Großvater als Atomphysiker im Dritten Reich geblieben ist. Da gibt es widersprüchliche Meinungen darüber und die Auseinandersetzung damit hat in meiner Familie natürlich stattgefunden. Diese Erinnerungs- und Aufarbeitungsproblematik von mir ist ein Teil der auf sehr eigene Weise auch im Film steckt.
Wofür stehen Curt Ledig und Nick Gutlicht, wenn es um den Umgang mit Geschichte geht?
Wenn man das weiterdenkt, kann man die zwei Charaktere im weitesten Sinn als zwei Anteile eines deutschen Selbstverständnisses sehen. Nick kann für einen Charakter stehen, der fast gewissenlos in den Tag hinein lebt und dann mit dem Resultat konfrontiert ist. Curt Ledig dagegen lebt mit der Vergangenheit, ist aber mit seinem sich verändernden Gedächtnis konfrontiert und eigentlich stark darauf fixiert, dieses Dilemma zu lösen.
Diese zwei Seiten könnten für mich zwei Fraktionen repräsentieren: die jüngere Generation, die Geschichte auch Geschichte sein und hinter sich lassen will und eher in der Gegenwart lebt. Eine Generation, die Geschichte auch stärker fiktionalisiert und in z.B. in Spielfilmen und Computerspielen konsumiert. Und auf der anderen Seite die Generation, die immer noch ganz stark in der Aufarbeitung des Dritten Reichs verhaftet ist und noch einen belasteten Zugang dazu hat.
Sie haben Ihren Großvater, den Nobelpreisträger und Physiker, erwähnt. Wie kommt es, dass Sie in die künstlerische Richtung gingen?
Ich habe die Naturwissenschaft nie abgelehnt, aber es ist so gewesen, dass ich relativ früh meine eigenen Wege gegangen bin. Erst mal bin ich semi-professionell geritten und habe lange überlegt, ob ich Jockey oder Berufsreiter werde. Dann war ich mit Leuten unterwegs, die sehr kunstaffin waren und hatte in der Schule einen sehr guten Kunstlehrer. Und aus diesen Einflüssen heraus kam irgendwann die Möglichkeit, Kunst zu studieren.
Wieso sind Sie dann doch nicht Jockey geworden?
Zum einen war ich zu groß und dann habe ich auch begriffen, dass die Berufsreiterei ein extrem harter Alltag ist. Wir haben auf einem Hof mit vielen Pferden gelebt, und mit 16 war ich sehr schlecht in der Schule und hatte irgendwann so einen Ausraster und habe meinem Vater gesagt: »Ich schmeiß’ jetzt alles hin und werde jetzt Reiter«. Und mein Vater hat überraschenderweise gesagt, ich soll so eine Lehre anfangen, um zu sehen wie das ist. Also habe ich ein paar Wochen morgens um fünf den Pferdestall ausgemistet – und danach beschlossen, dass es doch nichts für mich ist. Es war letztendlich also die Mischung von Faulheit und Realismus, die mich davon abgehalten hat.
Was haben Sie dieses Jahr noch vor sich?
Was mich dieses Jahr beschäftigt, ist zunächst einmal der Kinostart von »Über-Ich und Du« in zumindest drei Ländern. Außerdem bauen mein Bruder Emanuel und ich ein Kunstwerk im öffentlichen Raum für das neue NS-Dokumentationszentrum in München. Und ich schreibe für die Novotny Film ein Drehbuch auf Basis der Noricum-Affäre.
Wie kam es dazu?
Über meinen Galeristen habe ich eine junge Frau kennengelernt, deren Vater damals betroffen war. Der hatte darüber geschrieben und der Novotny Film das als Stoff vorgeschlagen. Seine Tochter erzählte mir vor zwei Jahren bei der Berlinale davon und dann bin ich mit der Familie und der Produktion übereingekommen, dass ich den Film mache. Das wird ein schönes Projekt.
»Über-Ich und Du« läuft seit 15. Mai in den österreichischen Kinos.