Von Löwen und Therapeuten

William Fitzsimmons, der Sänger mit dem langen Rauschebart, veröffentlicht am 17. Februar sein sechstes Album "Lions". Stephan Brückler hat mit ihm über Tiere, Therapie und Aggression gesprochen.

Du verwendest öfters Tiere in deinen Texten oder als Albumtitel. Hast du eine spezielle Verbindung zu Tieren oder verwendest du sie einfach gerne als Metaphern?

Beides, Tiere sind ein gutes Lerninstrument. Am meisten liebe ich Hunde, weil sie so loyal sind. Man kann einen Hund sehr schlecht behandeln, was man natürlich nicht tun soll, aber als Beispiel, wenn man es täte, will der Hund immer noch von dir geliebt werden, er ist gänzlich versöhnlich und loyal. Ich bin mit Tieren im Haus aufgewachsen, meine Eltern sind behindert, sie hatten Blindenhunde und auch Vögel, da meine Mutter ihre Gesänge liebte.

Die Tiere halfen mir, Dinge besser zu verstehen, denn im Prinzip sind wir ja auch Tiere. Wie auch der Löwe. Er ist ein perfektes Beispiel dafür, wie wir als Menschen sein können, einerseits sehr edel, wir können schöne Dinge erschaffen und Kunstwerke kreieren. Aber gleichzeitig sind wir grausam, zerstören Dinge, feuern Raketen auf Städte und Menschen. Aber ich möchte nicht zu politisch werden. Ich versuche immer, mich mit der Idee anzufreunden, dass ich okay mit mir bin. Auch ich habe furchtbare Dinge gemacht, aber ich habe es geschafft, damit zu leben.

Der Großteil deiner Musik ist sehr reduziert und sanft, und du hast auch eine sehr sanfte Stimme. Warst du auch mal dran interessiert, Rockmusik zu machen?

Ja, auf der High-School war ich der Rhythmusgitarrist in einer Led Zeppelin Coverband. Ich mag Rockmusik sehr, manchmal auch aggressive Sachen. Es gibt primäre und sekundäre Emotionen. Wut ist etwas, das ich sehr stark fühlen kann, aber nach außen dringt es bei mir als Angst. Die meiste Wut basiert auf Angst. So ist es bei mir auch mit der Musik. Wenn ich mich über etwas ärgere, möchte ich über den Angstanteil darin schreiben, das ist der Punkt, der mich interessiert. Im Gegenteil etwa zu Metallica, die es schaffen, Wut und Zorn in ihrer Musik auszudrücken. Das ist großartig, damit kann ich mich absolut identifizieren, aber wenn ich mich hinsetze, um zu spielen und schreiben, fühle ich mich eher mit internen, ruhigeren Dingen verbunden. Das ist das, was aus mir herauskommt.

Als ich letztes Jahr das erste Mal ins Studio gegangen bin, hatte ich den Antrieb, diesmal eine große Platte zu machen. Als ich dann begann, mit meinem Produzenten Chris Walla zu arbeiten, hatte er die Idee, einfach mal die Songs anzuhören. Wir hatten 13 Demos, die ich mit Akustikgitarre und Gesang in meinem Haus aufgenommen habe. Er sagte zu mir: “Du kannst daraus eine große, wuchtige Platte machen, das wäre ok, aber ist das wirklich das, was du in den Songs hörst?” Anfangs war ich echt wütend, da ich die Idee einer fetten Produktion hatte, doch er hatte Recht, die Songs sollten nicht groß werden, es waren keine Rocksongs. Selbst wenn man mehr Platten verkaufen oder in einer McDonald´s Werbung landen könnte, wenn man Dinge gezielt anders machen würde, wäre man dennoch nicht glücklich darüber, wenn man dann mit 70 darüber nachdenkt, was man mit seinem Leben gemacht hat. Man muss das tun, was ein Song verlangt und authentisch ist.

Also bist du zufrieden mit dem Album, wie es nun geworden ist?

Ja, ich liebe es sehr, es ist ein spezielles Album für mich. Manchmal gibt es Entscheidungen, die man immer noch in Frage stellt. Als ich das allererste Mal ins Studio ging, wollte ich alles erzwingen, ich habe selbst produziert und hätte alles tun können was ich wollte. Egal wie man es dann beendet, gibt es den Gedanken, dass es nie so gut ist, wie es hätte werden können, und dieser Gedanke ist sehr unreif. Wenn ich “Lions“ heute anstatt vor 7 Monaten aufgenommen hätte, würde es sich wahrscheinlich etwas anders anhören, aber ich war damals an einem bestimmten Punkt, und man muss es dann loslassen und einfach genießen können.

Ich finde den Song “Centralia“ auf dem neuen Album sehr interessant, wie er mit verzerrter Gitarre startet, aber dann in eine ganz andere Richtung geht. Hattest du die Rock-Gitarre ursprünglich im Kopf für den Song?

Hatte ich, doch ich habe mich wieder von davon entfernt, da es so ein schöner sanfter Song ist, der auch den Leuten sehr gefällt. Ich dachte eher, vielleicht könnten wir eine Flöte oder ein Mellotron dazu geben. Doch Chris war dagegen, denn der Song erzählt die Geschichte einer Stadt in Pennsylvania, deren Kohleminen seit 40 oder 50 Jahren in Flammen stehen. Die Stadt musste evakuiert werden, und keiner weiß, ob das Feuer je wieder erlöschen wird. Wir wollten das, was ich geschrieben habe, repräsentieren, und wenn man den Song nun hört, klingt er etwas verstörend und seltsam. Doch das wollte ich, es sollte sich bizarr anhören, schließlich ist es eine schmerzvolle Geschichte.

Dazu passt auch das abrupte Ende.

Ja, es ist kein sauberes Sitcom Happy End, manchmal schreibt das Leben einfach auch andere Geschichten.

Ende 2012 haben einige Leute geglaubt, dass die Welt untergeht. Wenn das wirklich passiert wäre oder passieren würde, gibt es einen Song, der überleben sollte?

Das ist interessant und unterscheidet sich von der Lonely Island Frage (überlegt). Ich würde mir etwas Hoffnungsvolles wünschen, ich denke, ich würde eine der frühen David Wilcox Platten wählen, am ehesten “New World”, das ist seit meiner Jugend bei mir hängen geblieben. Es muss auf jeden Fall hoffnungsvoll sein.

Und einer von deinen Songs ?

Ich würde sagen „Goodmorning“, der letzte Song auf “The Sparrow & The Crow“. Als ich ihn geschrieben habe, war ich zwar nicht sehr hoffnungsvoll, aber mit dem Song wollte ich versuchen, dorthin zu gelangen.

"Lions" erscheint am 17. Februar via Grönland Records. Im März kommt er wieder nach Österreich: Am 19. März spielt er im Radiokulturhaus eine FM4-Radioshow (man kann zeitnah Tickets via fm4.orf.at gewinnen), tags darauf im Posthof Linz (Tickets an allen bekannten Vorverkaufsstellen).

Bild(er) © Stephan Brueckler / Groenland Records
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