Das Kapitalismustribunal verhandelt von 1. bis 12. Mai im Brut Wien die mutmaßlichen Verbrechen des europäischen Kapitalismus. Klagen können davor von jeder Person hier eingereicht werden. Wir haben einige für euch gesammelt.
Patriarchat (© Angela Schlafmütze/Flickr)
„[...] Als Frau* erklärt dir das Patriacht du bist nichts als ein Stück Fleisch und der Kapitalismus zeigt dir wie du dich zum schönsten Stück Fleisch machst, am besten indem du 27 verschiede Produkte für deine Haare kosumierst. Oder dass der Gender Pay Gap immernoch existiert und Frauen* für ihre Arbeit 30% weniger verdienen? Deswegen müssen Gesellschaftliche Werte wie das Geschlecht oder der Gelderwerb in den Hintergrund geschoben werden. Als Frau*erklärt dir das Patriacht dass du bist nichts Wert bist und der Kapitalismus zeigt dir, dass es wahr ist.“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Bildungssystem (© barockschloss/Flickr)
„Die Aufgabe der Schule wäre es, uns dabei zu unterstützen uns zu entfalten und zu mündigen Bürger*innen zu entwickeln. Stattdessen wird der Bildungsbegriff vollkommen verzerrt und wird als ein Kosten-Nutzen-Verhältnis verstanden, indem jede*r so viel wie möglich in Bildung zu investieren hat, um den Wert der eigenen Arbeitskraft zu erhöhen. Um auf die Konkurrenz am Arbeitsmarkt vorzubereiten ist die Schule von Leistungsdruck geprägt, indem Wissen und Können in Ziffernnoten und Prozentzahlen ständig gemessen, verglichen und bewertet wird. [...]“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Jobcenter (© Christoph Muegge/Flickr)
„[...] Eine Woche später erhielt ich die Bewilligung: 50€ pro Monat. Ich hatte alle Angaben gewissenhaft gemacht um - wie ich glaubte - darzulegen, dass ich zwar eilig, aber nur auf einen kurzen Zeitraum begrenzt Leistungen benötigte. Das Standardschema, Durchschnittswerte aus halbjährigen Einkommensprognosen zu bilden, halte ich für zu abstrakt, um der Realität begegnen zu können: Wie soll ich von Geld, das ich im Juni - aller Voraussicht nach - verdienen werde, im Januar meine Kosten decken? [...]“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Finanzsystem (© Maik Meid/Flickr)
„Ich klage das Finanzsystem an, wider jeglicher Vernunft mit Derivaten und Produkten ohne tatsächlichen Gegenwert zu handeln. Ich klage alle daran Beteiligten an, diesen Unsinn in der Hoffnung auf Profit trotz besseren Wissens mitzumachen. Ich klage die politischen Vertreter der Europäischen Union und seiner Mitgliedstaaten an, Betreiber dieses Systems zu "retten", obwohl diese mit vollem Bewusstsein leere Werte spekuliert haben und gemäß der Regeln des Kapitalismus nun insolvent gehen und zur Verantwortung gezogen werden müssten. Ich klage alle an, die dieses System mittragen und weiterhin glauben, dass es schon irgendwie gutgehen wird. Ich klage mich an, dass ich - obwohl ich all das weiß - noch nicht wirklich versuche, alternative Räume zu schaffen, in denen andere Regeln und Werte gelten.“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Fashion-Industrie (© Victor Camilo/Flickr)
„Obwohl es seit den 90er Jahren eine positive Entwicklung in Richtung Fairtrade und Ökomode gibt, profitieren viele Textilhersteller immer noch von menschenunwürdigen und ausbeuterischen Arbeitsbedingungen ihrer ArbeiterInnen und nehmen Belastungen für Mensch und Umwelt in Kauf, um ihren Profit immer weiter zu steigern. Stellvertretend für unzählige Produzenten von Billigtextilien klage ich den Konzern Primark an, der das Prinzip der Fast Fashion perfektioniert hat und dessen Konzept auf ungehemmtem Massenkonsum von Billigtextilien basiert. Man muss nicht Textilmanagement studiert haben um zu verstehen, dass ein T-Shirt das 3,30 € kostet nicht unter fairen Bedingungen hergestellt sein kann. [...]“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Werbeindustrie (© clotho98/Flickr)
„Ich kann meine täglichen Wege in der Stadt nicht zurücklegen ohne von unzähligen Plakaten oder Anzeigen aufgefordert zu werden, bestimmte Produkte zu erwerben, die ich nicht benötige. Dauerhafte Werbung gibt mir das Gefühl, nur glücklich zu sein, wenn ich konsumiere. Daher klage ich JCDecaux an: Verschandelung des öffentlichen Raums durch Werbeflächen, Erzeugung von Bedürfnissen und somit vermeidbaren Konsum von Produkten, welche die Umwelt belasten, Ressourcen verbrauchen und teilweise bei menschenunwürden Bedingungen hergestellt werden. Belästigung durch Kaufbotschaften, welche derart in das Stadtbild integriert sind, dass man ihnen auf keine Weise entkommen kann. Zementierung dieses Zustandes durch jahrzentelange Verträge und den Bau von Stadtmöbeln, auf die Kommunen schwerlich verzichten können.“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Migrationspolitik (© Climatalk.in/Flickr)
„Hiermit klage ich alle Regierungen, GesetzesvereinbarerInnen und GesetzteshüterInnen an, welche nicht davon abhalten Menschen einen Status als "illegal" aufzudrücken oder diesen anzuerkennen. Jeder mit einem europäischen Pass weiß, wie problemlos man in die verschiedensten Länder einreisen kann und somit die Möglichkeit hat, sich frei auf der Welt zu bewegen. Dass ein Großteil der Menschen nicht von diesem Recht profitiert, ist eine Ungerechtigkeit, die schon viel zu lang anhält. Die Freiheit eines Menschen darf nicht vom Status seines/ihres Landes in diesem kapitalistischen System abhängig sein, sondern muss unabhängig von jeder wirtschaftlichen Ideologie stets respektiert werden.Da nun der Kapitalismus vorherrscht, mögen alle seine VertreterInnen daran erinnert werden: kein Mensch ist illegal!“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Egoismus (© chuck_heston/Flickr)
„Eine Gesellschaft in der egoistisches, gieriges und verlogenes Verhalten belohnt wird, wird immer auch Auseutung und Krieg, Verbrechen und Unterdrückung mit sich bringen. Doch schon in unseren Grundfesten der Gesellschaft - die soziale Anerkennung untereinander - wird versucht durch selbstprofilierung etwas zu erkaufen, das es nicht zu kaufen gibt. Solange es möglich ist, mehr zu haben oder zu sein als Andere, wird es vom Mensch verursachtes Unheil geben. Doch was genau ist das problem? Privat - Eigentum (lat. Privat - dt. beraubt)? Eine Ökonomie die auf Geldhandel basiert? Die überhaupt auf Tausch basiert? Ich weiß es nicht - doch ich glaube es muss herausgefunden werden - denn wir alle tragen Egoismus ebenso in uns wie Altruismus. Es ist nur die Frage wie wir unsere Wesenszüge fair belohnen, welche Wesenszüge wir in den Mittelpunkt unserer Ökonomie und damit unserer Gesellschaft stellen wollen.“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Tierindustrie (© to.wi/Flickr)
„Anklage im Namen der Tiere. Mit beispielloser Grausamkeit werden jährlich Milliarden Tiere qualgezüchtet, unter barbarischen Umständen gehalten und letztlich grausam getötet, sei es für das tägliche Fleisch, für Leder, für Pelze, für Daunen, für Milch und Eier, in Tierversuchslaboren, zum Vergnügen in Zirkussen und Delfinarien und im Fischfang-Raubzug durch die Meere. Dadurch werden dann auch noch die Lebensgrundlagen Indigener und Kleinbauern in anderen Ländern zerstört, die Regenwaldvernichtung befördert das 5 große Artensterben in der Welt. Diese brutale Tierausbeutung ist eng verschränkt mit der Ausbeutung der in diesen Tierindustrien arbeitenden Menschen.“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
Uns alle (© Amy West/Flickr)
„Ich klage an: UNS. Mich und jeden einzelnen von uns, denn wir alle sind tief verstrickt: Mit unserem Bankkonto, unseren Versicherungen, unserem Konsumverhalten (z.B. übermäßiger Fleichkonsum), mit unserer Lohnarbeit. Wir alle halten (mehr oder weniger) das Karussell am Laufen. Ich behaupte: wir alle, alle konsumieren mehr als für unser Wohlbefinden und Glück notwendig wäre. Warum? [...]“ Die gesamte Klage gibt es hier zu lesen.
DMD KIU LIDT – Die Manifestation des Kapitalismus in unserem Leben ist die Traurigkeit. So heißt es zumindest 2011 bei Ja, Panik. An welchen Verbrechen der Kapitalismus tatsächlich Schuld trägt, darüber werden an sieben Verhandlungstagen im Brut, das hierfür zu einem Gerichtshof umgewandelt wird, renommierte Persönlichkeiten wie etwa der Rechtsphilosoph Alon Harel, Graeme Maxton (The Club of Rome) oder die Soziologin Saskia Sassen diskutieren. Die Strukturen und Effekte des europäischen Kapitalismus sollen aufgezeigt werden. An jedem Tag gibt es einen anderen Themenschwerpunkt. Am 1. Mai wird außerdem das Buch „Das Kapitalismustribunal“ (Passagen Verlag Wien) präsentiert.
Das Besondere an dem Projekt ist, dass im voraus Klagen im Internet gesammelt wurden, die während des Tribunals verhandelt werden. Jede Person weltweit kann Klagen einreichen, jede Klage wird verhandelt. Einige davon haben wir in unserere Bildgalerie zusammengetragen.
Nähere Infos zum Kapitalismustribunal gibt es auf Facebook oder hier.