Waidmanns Heil?

Es kann wohl kein Zufall sein, dass der amerikanische Künstler Mark Dion seine neueste Werkgruppe „Concerning Hunting“ in der Kunsthalle Krems zeigt. Laut der Statistik Austria liegt das Land Niederösterreich vor allen anderen Bundesländern unangefochten auf Platz 1 in puncto Wildabschuss (366.069), Jagdkarten (33.026) und Anzahl der Jagdgebiete (3.311).

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Das historische Kernland (NÖ) pflegt, so scheint es, seine Traditionen mit aller Sorgfalt und den dafür nötigen finanziellen Mitteln. Zumindest für die bildende Kunst stellt es nach Wien die meisten Gelder zur Verfügung. Niederösterreich als Kunst- und Jagdparadies? Na ja, nicht wirklich! Letzteres wird jedenfalls von Mark

Dion einer kritischen Revision unterzogen.

Dabei stehen weniger die Natur und ihre Besonderheiten, als vielmehr der Umgang des Menschen mit seiner Umwelt im Zentrum seiner Überlegungen. Die institutionelle Definition dessen, was Natur ausmacht und nach welchen Parametern sie funktioniert, wurde bereits im 19. Jahrhundert durch die naturhistorischen Museen ideologisch einzementiert. Waren bis zu diesem Zeitpunkt die einzelnen Wissenschaftsgebiete noch im offenen Austausch, wurden durch die Aufspaltung in Geistes- und Naturwissenschaften die Zuständigkeiten klar voneinander abgesteckt. Dion stellt aber genau diesen Anspruch auf Definitionshoheit und Wissensmonopol in Frage. Darüber hinaus beschäftigt er sich mit den Präsentationsformen und den entsprechenden Ordnungssystemen der wissenschaftlich-taxonomischen Aufbereitung. Als Beispiel einer weiteren didaktischen Naturvermittlung sei hier das sogenannte Habitat-Diorama erwähnt, bei dem versucht wird, das präparierte Tier in möglichst authentischer Umgebung zu zeigen. Dies geschieht sowohl unter Verwendung plastischer Elemente als auch mit Hilfe illusionistischer Hintergrundmalerei. Die hier abgebildete Arbeit »Mobile Wilderness Unit« greift diese Präsentationsform in ironisch, subversiver Weise auf. Der Wolf wird zwar in seiner natürlichen Umgebung gezeigt, jedoch macht Dion keinen Hehl daraus, dass der Mensch bereits gravierende Spuren in der Landschaft hinterlassen und das Ökosystem nachhaltig verändert hat. Mit der Verwendung eines Anhängers als Sockelersatz bricht Dion auch mit den konventionellen, eher statischen Präsentationsformen der musealen Einrichtungen. Dass gerade jetzt wieder vereinzelt Wölfe auf heimischen Boden auftauchen (NÖ, Vorarlberg, Steiermark), erinnert an ein trauriges Kapitel aus dem 19. Jahrhundert, in dem Industrialisierung, Zersiedelung aber auch die gnadenlose Jagd den Wolf in Österreich ausrotteten.

Typologie des Jägers

Dion zeigt in seiner Ausstellung auch fünf Versionen eines Hochstandes, die jeweils einem Typus von Jäger zuordenbar sind. Da wäre zum Beispiel »The Librarian«, der eher an der literarisch-theoretischen Seite der Jagd interessiert ist und sich dementsprechend mit Büchern und romantischer Jägerliteratur umgibt. »The Dandy-Rococco« hingegen ist mit elegantem Interieur (Kristallluster, Sofa und zahlreichen Trophäen) ausgestattet und erinnert daran, dass die Jagd noch immer ein gewissen gesellschaftlichen Schichten vorbehaltenes Privileg ist. Im krassen Gegensatz dazu zeigt der Hochstand »The Slob« die primitive Ausformung des Jägerklientels, die ihren Schiessstand mit Bierdosen, Zigarettenstummeln und billigen Softpornos verkommen lassen. »The Glutton« zeigt hingegen den hedonistischen Jäger, der nicht nur aus sportlichen Gründen auf die Jagd geht, sondern die erlegte Beute auch tatsächlich verzehren will. Dementsprechend üppig ist auch die Ausgestaltung seines Standes mit Würsten und jeder Menge Wein. »The Ruin« ist hingegen ein in sich zusammengestürzter Hochstand, übersät mit Artefakten längst vergangener Jagdausübung. Die Ausstellung »Concerning Hunting« ist aber keineswegs eine Abrechnung mit der Jägerschaft, zu eindeutig sind ihre Verdienste rund um den Naturschutz und der Wildtierbewirtschaftung. Mark Dion: »Es ist weder eine Ausstellung für die Jagd, noch eine unverhohlene Ausstellung gegen die Jagd. Für mich ist es ein Seiltanz zwischen beiden«.

Mark Dions »Concerning Hunting« ist bis 28. Februar 2010 in der Kunsthalle Krems zu sehen.

www.kunsthalle.at

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