»Was ist das eigentlich, der österreichische Film?«
The Gap bat Mirjam Unger, Paul Poet, Nina Kusturica und Stefan A. Lukacs aka Istvan zum Gespräch über die Leidenschaft Film, die Herausforderung, Förderungen zu erhalten, Wünsche an die Kulturpolitik und Fragen nach Identität und Idealen.
von Barbara Fohringer, Michael MazohlAlle Fotos: Michael Mazohl
Mit welchen Herausforderungen seid ihr in eurer Arbeit konfrontiert?
Nina Kusturica: Beim Filmemachen braucht man eine Umgebung, die mitarbeitet und für diese braucht man eine Finanzierung. Das ist oft schwierig. Denn man kann erst in der Arbeit das Handwerk präzisieren, die eigene Handschrift schärfen und die Arbeit mit den SchauspielerInnen vorantreiben. Das Problem ist, dass wir als RegisseurInnen nicht so oft zum Zug kommen, nicht so oft am Set stehen wie etwa SchauspielerInnen oder andere Teammitglieder. Aber man kann – und das ist die Herausforderung – immer an sich arbeiten, neue Kategorien finden, um sich etwas zu erschaffen: Ich unterrichte, ich arbeite mit jungen SchauspielerInnen, ich schreibe.
Stefan A. Lukacs: Das geht mir genauso. Ich finde das Warten furchtbar, es ist zermürbend. Es ist so befriedigend und es macht mich so glücklich, wenn ich arbeiten darf. Aber ich versuche mir immer einzureden, dass das auch Teil des Filmemachens ist: Das Warten.
Mirjam Unger: Für mich ist die Lösung mittlerweile, diese Zwischenzeit mit Schreiben zu füllen. Ich schreibe ganz, ganz viel und mache auch sonst vieles gleichzeitig. Manchmal merke ich, dass meine Batterien leer werden, aber ich stehe gern unter Strom. Die Herausforderung beim Filmemachen besteht eben darin, viel Energie zu haben und zu behalten.
Paul Poet: Auch um zu überleben, das ist ein wichtiger Faktor. Fad wird mir nicht. Ich entwickle momentan fünf Spielfilme, ein Theaterstück und einen Debütroman, aber finanziell zurechtzukommen in dieser Zeit ist schwierig – eben durch die langen Laufzeiten, die Unsicherheit der Förderungen und die mangelnde Kontinuität. Da bleibt man schnell komplett mittellos auf der Strecke. Ich habe meinen letzten Film fast ohne Förderungen realisiert, ich hatte grad mal 7.500 Euro für die Herstellung zur Verfügung. Das ging überhaupt nur, weil es ein Interview-Film war, also sehr billig. Aber ich habe zwei Jahre selbst die ganze Festivalarbeit gemacht, die ganze Promotion, alles unbezahlte Tätigkeit. Ich war das letzte Mal vor acht Jahren auf einem Filmset.
Wie zufrieden seid ihr als FilmemacherInnen mit der aktuellen Förderungssituation?
Mirjam Unger: Ich habe mich gestern mit meiner Tochter unterhalten und sie erzählte mir von der derzeitigen Situation vieler junger SchauspielerInnen: Dass man für nichts oder für 500 Euro acht Wochen lang probt und dann alle Vorstellungen spielt – nur, damit man spielen kann. Da dachte ich mir: Okay, so schlecht geht es uns FilmemacherInnen auch wieder nicht. Trotzdem ist Geld natürlich immer ein Thema. Ich denke mir jedes Mal, dass es ein Wunder ist, dass ich durchkomme und dass alles so geht, wie es geht. Ich vertraue eben darauf, dass dies zukünftig so sein wird. Aber das geht nur, indem ich offen bin und sehr viele verschiedene Tätigkeiten ausübe.
Nina Kusturica: Ich finde, dass die eigentliche Qualität der österreichischen Filme nicht genug gefördert wird. Es wird viel Geld in Industrie- und Genre-Filme gesteckt, die man schon Produkte nennen muss, da man sie wie solche behandelt. Die kleine Kunstförderung, die etwa im BKA angesiedelt ist, in deren Rahmen ganz tolle Filme realisiert werden – Filme, bei denen es eben ums Handwerk und um die Handschrift geht, Filme, die eine politische und gesellschaftliche Haltung aufweisen, Filme, die maßgeblich zum internationalen Erfolg des österreichischen Films beitragen – wird vernachlässigt. Ich denke, dass aufgrund altmodischer Produktionsstrukturen sehr viel Geld in große Produktionen gesteckt wird. Diese Produktionsstrukturen sollten aber den tollen, künstlerischen Filmen, die vielleicht schauen, was Kino überhaupt sein kann, gerechter werden.
Paul Poet: Es herrscht ein komplett altmodisches Handwerksverständnis, wie Geschichten erzählt werden.
Mirjam Unger: Wir leben in einer sehr schnellen Zeit, aber bis ein Film realisert wird, dauert es eben Jahre. Schneller reagieren zu können, schneller zu arbeiten – auch in kleinen Teams – das wäre toll. Diese Behäbigkeit, diese Langsamkeit müsste hinterfragt werden.
Paul Poet: Viele Stoffe sind auch feig. Deine Heiligsprechung des BKA teile ich da nicht. Ich etwa hab in 25 Jahren Filmemachen von internationalem Ruf bislang keine einzige Herstellung vom BKA gefördert bekommen. Gerade beim ÖFI oder beim Filmfonds gibt es seit Jahren das relativ neue Bewusstsein, Genrefilme zu fördern, etwa auch Horrorfilme – ich bin ein großer Horrorfilm-Fan –, aber die Filme, die dann wirklich gefördert werden, funktionieren überwiegend nach komplett veralteten Rezepturen aus den 1990ern: 0815-Slasher, relativ gesichtslose Dutzendware. Die wenigen geförderten Filme, die sich da wirklich aus dem Fenster lehnen, wie etwa »Ich seh, ich seh«, haben dann oft den großen internationalen Erfolg, sowohl auf Filmfestivals als auch an der Kinokasse. Veronika Franz und Severin Fiala drehen nicht umsonst gerade ihren ersten englischsprachigen großen Studio-Film in Montreal. Es ist borniert und fehlgeleitet von den Förderungen, nichts zu wagen. Zudem gibt es die ganzen einschränkenden Vorstellungen darüber, wann man als FilmemacherIn welchen Film realisieren darf, die ganzen versteckten Förderregeln – etwa, dass das Debüt ein Kammerspiel sein muss, das ganz wenig kostet. Historische Stoffe dürfen erst ab dem dritten oder vierten Film gedreht werden. Das ist alles idiotisch. Das geht an den Inhalten vorbei und zeugt nicht von Lebendigkeit.
Welchen Stellenwert hat eurer Ansicht nach der österreichische Film im Ausland?
Stefan A. Lukacs: In Deutschland scheinen sie österreichische Filme zu lieben. Sie beneiden uns wahnsinnig um unsere Filmlandschaft. Das ist immer sehr lustig.
Nina Kusturica: In Österreich hat man oft das Gefühl, dass die FilmemacherInnen eben so über die Runden kommen, aber im Ausland mehr Anerkennung erhalten. Wobei natürlich immer die Frage ist: Wie wird Erfolg gemessen? Sind das Zahlen oder Kritiken oder gesellschaftliche Veränderungen, die ein Film vielleicht mittragen kann?
Mirjam Unger: Im Ausland wird der österreichische Film immer mit viel Humor verbunden, gar nicht mal so sehr mit Adjektiven wie schwer oder dröge.
Nina Kusturica: Das hat sich schon verändert in den letzten fünfzehn Jahren, seit den ersten großen Erfolgen von Seidl und Haneke.
Stefan A. Lukacs: Sogar Haneke hat jetzt Humor mit seinem neuen Film! Ich weiß nicht, aber der ist sehr lustig.
Nina Kusturica: Große Wertschätzung kommt dem österreichischen Film auch aus anderen Ländern entgegen. Ich war kürzlich mit einem Film in London zu Gast und natürlich auch bei einigen Diskussionen. In Großbritannien beneiden sie uns um unser Finanzierungsgerüst.
Mirjam Unger: Das Interesse an österreichischen Filmen ist auch innerhalb des Landes stark gewachsen: Man redet über die Filme, junge Menschen interessieren sich für sie. Ich habe wirklich das Gefühl, dass da etwas passiert ist. Besonders in den letzten ein, zwei Jahren. Es fühlt sich gut an.
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