Die Facebook-Seite des Suhrkamp Verlages ist vielleicht nicht der erste Ort, an den man denkt, wenn man es im Internet lustig haben möchte. Das stw-Gewinnspiel, dessen Gewinner heute bekannt geworden sind, ist aber ziemlich gelungen.
Es gibt Netflix, es gibt lustige Gifs, es gibt gratis Sticker im Facebook-Messenger und selbst, wenn man sich mal hinsetzt, um die "Suche nach der verlorenen Zeit" endlich ganz zu lesen, bekommt man vermutlich zwischen Seite eins und zwei mindestens einen sehr wichtigen Snapchat. Das Leben ist heute hart, die Konkurrenz groß, wenn man ein Buch ist. Ein wissenschaftliches noch dazu! Selten verlässt man als solches die Uni, wo man ohnehin nur kurz benutzt, quergelesen oder für ein schnelles Zitat missbraucht und dann auch noch am falschen Regalplatz zurückgelassen wird. Generationen von Bachelors, einer nach dem anderen, greift mal kurz zu – aber für die Ewigkeit ist das nicht.
Anstatt sich aber selbst und seine Schäfchen zu bemitleiden, – hat sich Suhrkamp Verlag wohl gedacht – könnte man sich ja auch einmal einen Spaß erlauben und ein bisschen auf Internet machen – mit User-Engagement oder wie das gerade heißt. Die Büchereien Wien können das ja auch. Was normalerweise völlig schief geht, ist Suhrkamp bestens gelungen: User sollten Titel für die jedem Studenten bekannte Reihe stw (suhrkamp taschenbuch wissenschaft) vorschlagen; die Gewinner wurden dann mit einem stw-Paket beschenkt. Aber nicht irgendwelche Titel, sondern, schon solche, die sich um ein aktuelles Thema drehen. Und weil Suhrkamp diese ganze Aktion klugerweise via Facebook kommuniziert hat, haben sich Internet-versierte Menschen Buchtitel ausgedacht, wie sie sich eben nur Internet-versierte Menschen ausdenken können. "Was ist das für 1 Life – Zur Beantwortung der Frage, wie man sich nur so hart gönnen kann" ist natürlich pures Twitter-Gold. Aber auch ein Titel wie "Meine Meinung, deine Deinung – Die Kommentarfunktion als Diskursboden" trifft sarkastisch den Zeitgeist und macht sich gekonnt und in so wenigen Worten über die häufig zu beobachtende völlige Unfähigkeit mancher Menschen, in Kommentaren auf einander einzugehen lustig. Nebenbei könnte man fast meinen, bekommt auch Suhrkamp selbst sein Fett weg – bei manchen Titelvorschlägen spürt man richtig, wie sich die Einsender dachten, dass einfach jeder Blödsinn wissenschaftlich klingt, wenn man nur an der richtigen Stelle das Wort "Poetik" einbaut. Die "Wissenschaftssprache", die sich ja in ihrem Regelwerk wenig von anderen Sprachen (also durchaus auch jener Sprache, die das Wort "ein(s)" durch "1" ersetzt) unterscheidet, wird von den Einsendern gekonnt auf die Schaufel genommen. Dass die Leute bei Suhrkamp genau diese Einsendungen ausgesucht haben, zeigt, dass sie das auch genau wissen. Und dafür kann man ihnen schon einmal gratulieren. Denn Selbstironie hat wirklich noch niemandem geschadet. Das einzige, was wirklich schade ist: dass sich unter den Gewinnern keine einzige Frau befindet.
(Aber ich habe ja auch nicht gewusst, dass es diesen Wettbewerb gibt. Zwinkersmiley)
Amira Ben Saoud hat sich immerhin 6 Jahre lang wissenschaftliche Bücher gegönnt. Da waren auch einige von stw dabei. Schön war das. Twitter: @oidaamira