Durch Social Media wissen wir jetzt mehr über die politischen Einstellungen unseres Netzwerks. Das kann schon mal eine Freundschaft gefährden.
Sechs meiner Freunde auf Facebook sind Fans der ÖVP. Bei drei davon vermute ich journalistisches Interesse hinter dem Like, bei den anderen weiß ich nicht, warum sie gerade dort auf „Gefällt mir“ geklickt haben. So ganz genau will ich das vielleicht auch gar nicht wissen.
I know what you liked last summer
Womit wir schon bei einem essentiellen Problem politischer Kommunikation in Social Media wären: Politische Meinungen können Freundschaften gefährden. Wo man früher oft gar nichts bis wenig über die politischen Einstellungen der Freunde oder Bekannten wusste, wird das in Social Media recht leicht sichtbar, und zwar nicht nur mit Likes, sondern auch mit Statusmeldungen und Freundschaften. Ansichten werden mit einer Selbstverständlichkeit geteilt als würden sie für die ganze Welt interessant sein.
Slacktivism, Clicktivism oder: Einfach nur nervig?
Vor allem jüngere User teilen gerne ihre politischen Positionen in den sozialen Netzwerken; laut einer Studie von ORI an einer amerikanischen Universität tun das gar 55 Prozent der 18- bis 25-Jährigen – ein Polit-Stammtisch quasi. Das gefällt aber nicht jedem, vor allem wenn es sich um besonders sendungsbewusste Polit-Poster handelt, die im Stundentakt zu Demos, der Unterstützung irgendeiner Aktion oder zum Besuch eines Parteievents einladen.
Das war’s mit der Freundschaft
Manche User blocken oder löschen Facebook-Kontakte aufgrund der politischen Einstellung, obwohl sie die Person sonst eigentlich ganz gut leiden können. Für Parteien kein leichter Ausgangspunkt: Wo die Hemmschwelle zum Posting eines Pro-Tierschutz-Artikels vielleicht nicht gar so hoch ist, fällt es vielen schwerer etwa die Grünen zu liken, obwohl sie die Ansichten vielleicht sogar teilen. Liest mein seit jeher schwarzer Arbeitgeber mit? Beleidige ich eh nicht die rote Erbtante? Das sind sicher Faktoren, die da eine Rolle spielen. Die Social-Media-User in Österreich sind also im Zwiespalt zwischen politischer Mitteilungsbedürftigkeit und Fremd- sowie Selbstzensur gefangen.
Wie sich das auf die einzelnen Parteien in Social Media auswirkt, lässt sich auf einen Blick im Politometer sehr schnell erkennen: H. C. Strache Fans haben anscheinend am wenigsten Bedenken, ihr Interesse am Parteiobmann der FPÖ öffentlich kundzutun. Dann kommt einmal lange nichts. Bis Sebastian Kurz, Heinz Fischer, Peter Kaiser und Klaus Werner Lobo auf den ersten fünf Plätzen folgen. Bei den Parteien führen Team Stronach vor den Grünen und der SPÖ. Populismus fährt anscheinend auch auf Facebook gut und diejenigen, die das gut finden, zeigen es auch gerne. Dass man durch diese neue Transparenz vielleicht ein paar Facebook-Freunde weniger hat, ist vielleicht auch nicht das Schlechteste. Immerhin weiß man, woran man ist – beziehungsweise war.
Lisa Stadler ist Social Managerin bei derstandard.at, auf Twitter und als Musikerin bei dem DJ-VJ-Kollektiv Etepetete aktiv.