Der »Essl Art Award CEE«, der zum 4. Mal stattfindet, gibt ein vielfältigen Einblick in das gegenwärtige Geschehen der sieben Kunstakademien aus den östlichen Nachbarländer. Aus 1000 eingereichten Projekte wurden 18 Kunstwerke ausgesucht und prämiert. Prof. Karlheinz Essl erzählt uns warum die jungen Künstler aus Mittel- und Südosteuropa ernst genommen werden sollten.
Österreich war nach dem zweiten Weltkrieg ein zutiefst intellekt- und kunstfeindliches Land, in dem die Gegenwartskunst wenig zählte. Kann man sagen, dass heute österreichische Museen, endlich die Wichtigkeit der Gegenwartskunst erkannt haben?
Karlheinz Essl: Auf jeden Fall kann man das sagen. Ich denke, es ist ein Verdienst der Künstler, die verkrustete Strukturen mit viel Mühe aufgebrochen haben. Die zentrale Kunstströmung in dieser Hinsicht war sicher der Wiener Aktionismus. Seither wurde Schritt für Schritt die zeitgenössische Kunst in die Köpfe der Menschen gebracht und hat auch entscheidend die Kulturlandschaft verändert. Die Museen müssen diesem Umstand Rechnung tragen. Als Privatmuseum haben wir uns ganz der zeitgenössischen Kunst verschrieben, das ist unser tägliche Brot und wir arbeiten daran, dass viele Menschen davon profitieren.
Sie kurzem gestallten Museen, wie Albertina, Belvedere oder das Kunsthistorische Museum ihre Sammlungen neu. Wird dieser Schritt gemacht um junges Publikum anzusprechen?
Zeitgenössische Kunst ist momentan für alle äußerst attraktiv. Als Sammler, der sich seit vierzig Jahren mit Gegenwartskunst beschäftigt, kann ich diesen Trend nur gutheißen. Ich hoffe aber auch, dass dieser Boom anhält. Vieles ist auch noch verbesserungswürdig, etwa wenn es um die Unterstützung wirklich junger Künstler geht.
Mit dem Fall des Eisernen Vorhangs hat sich ein riesiges neues Reservoire an Künstlern aufgetan. Der Galerist Ernst Hilger meinte in einem Interview für unsere Coverstory »Gegenwartskunst in Österreich«, dass im Kunstbereich von Mittel- und Südosteuropa nach 1989 Goldgräberstimmung herschte. Hat sich was verändert?
Entgegen der wirtschaftlichen Hiobsbotschaften ist der mittel- und südosteuropäische Raum im Kunstbereich auf jeden Fall interessanter denn je. Ich glaube, dass es noch viel zu wenig Kunstförderung in diesen Ländern gibt, besonders von staatlicher Seite. Die Kunstszenen vibrieren und die Künstlerinnen und Künstler brauchen Unterstützung, um arbeiten zu können. Wir haben im Jahr 2003 mit dem legendären Kurator Harald Szeeman die Ausstellung »Blut und Honig« gemacht, das war wegweisend. Es gibt auf jeden Fall viel zu entdecken und ich würde mir wünschen, dass diese Kunst abseits der großen Metropolen Westeuropas noch ernster genommen wird. René Block, der Vorsitzende der Essl Art Award CEE-Jury hat festgestellt, und diese Meinung teile ich mit ihm, dass sich besonders interessante Positionen oft gerade in der Peripherie abseits der Hauptstädte in den Ländern finden.
Der »Essl Art Award CEE« bietet die Möglichkeit, einen Einblick in das gegenwärtige kulturelle Geschehen von sieben Ländern Zentral- und Südosteuropas zu gewinnen. Welche Themen beschäftigen die jungen Studierenden?
Die jungen Künstler beschäftigen sich stark mit dem Thema Erinnerung. Man muss bedenken, dass gerade in Südosteuropa in den 90er Jahren noch Kriege getobt haben. Die Künstler waren in ihrer Kindheit also persönlich mit dem Krieg konfrontiert. Das wirkt sich auch auf das Schaffen aus. Erinnerung wird einerseits als kollektive Erinnerung als auch als persönliche Erinnerung thematisiert, also das, was in der eigenen Familie geschehen ist. Verbunden damit spielt die eigene Identität eine wichtige Rolle. Weiters sind Information und Dokumentation von Bedeutung: die Informationsflut mit der wir heute konfrontiert sind und wie wir damit umgehen. Auch die Situation der Künstler, die ökonomisch oft in prekären Lagen sind, wird thematisiert. Und die vorhin angesprochene Peripherie ist deshalb so interessant, weil dort Dinge schlummern, die nicht in den großen Metropolen geschaffen werden; hier sind Techniken und Sichtweisen zu finden, die ungewöhnlich und enorm interessant sind.
Wie werden die heutigen Ost/West-Gegensätze Europas in den Werken der Künstler dargestellt? Gibt es überhaupt noch Gegensätze oder bewegt sich die Kunstwelt in Ost und West auf der gleichen Ebene?
Es wäre gefährlich zu behaupten, dass es sich hier um die gleiche Ebene handelt. Die Künstler in den Ländern des Essl Art Award CEE haben viel weniger als bei uns die Möglichkeit, ihre Arbeit zu präsentieren oder auch als Künstler ein Auslangen zu finden. Das ist ein Gegensatz an sich. Was die künstlerische Qualität betrifft, so warne ich vor westlicher Arroganz, denn aus diesen Ländern kommen hervorragende Positionen. Thematisch, wie ich bereits erwähnt habe, gibt es ein breites Spektrum, das sich einerseits auf internationale Phänomene aber auch auf die spezifische Situation in den Ländern bezieht.
Viele Künstler des »Essl Art Award CEE«, die aus Zentral- und Südosteuropa kommen, sind mit Videos vertreten. Glauben Sie, dass der Schwerpunkt auf Videokunst im Zusammenhang mit der Herkunft der Künstler liegt?
Die Arbeit mit neuen Medien, also auch Video, ist heute für alle jungen Künstler interessant. Man darf nicht vergessen, dass die Preisträger des »Essl Art Award« alle noch studieren. Es findet sich aber auch höchst spannende Malerei. Wenn man in eine junge Kunstszene blickt, dann sieht man automatisch einen Medienmix, das ist auch gut so.
Neben den Werken der 14 ausgezeichneten Künstler wurden ebenfalls vier Collector’s Invitations ausgesprochen. Welche waren die Kriterien, die für die Auswahl gesprochen haben?
Meine Frau, Agnes Essl, hat die Jury des Essl Art Award CEE auf der Reise in alle beteiligten Länder begleitet. Sie kennt das Projekt wie keine andere. Die Collector’s Invitation ist ihre persönliche Entscheidung und ermöglicht ihr als Sammlerin, ihre eigene Wahl zu treffen. Das ist für ein Sammlermuseum eine interessante Ergänzung.
Als einer der vielen osteuropäischen Künstler, die in Wien studiert haben, hat Kamen Stoyanov heuer den »Otto Mauer Preis« gewonnen. Finden Sie, dass sich eine neue osteuropäische Künstlerwelle in Wien entwickelt hat, durch die Möglichkeit hier zu studieren?
Es wäre eine Schande, wenn Wien, das oft als „Tor zum Osten“ bezeichnet wird, nicht diese Chance wahrnimmt, auch eine Drehscheibe für junge internationale Kunst zu werden. Wir haben den Vorteil, hier an der Quelle zu sitzen, das sollte genutzt werden. Ich kann alle Aktivitäten, die sich hier in den letzten Jahren herauskristallisiert haben, nur sehr begrüßen und hoffe, dass der Austausch noch mehr wird. Wir werden mit dem »Essl Art Award CEE« auch in Hinkunft unseren Teil dafür leisten.
Essl Art Award CEE 2011
Young Art from Bulgaria, Croatia, Czech Republic, Hungary, Romania, Slovakia, Slovenia
Bis 12. Februar 2012 im Essl Museum zu sehen.