Ein Hintergrund-Interview mit Martin Drexler anlässlich unseres Wortwechsel-Themas »Wie beeiflussen Konferenzen und Festivals den IT-Standort Wien?«
Du bist oft zu Gast bei besten Digital- und Zukunftskonferenzen im In- und Ausland. Werden das wirklich immer mehr?
Konferenzen gab´s ja schon seit der Antike zu Sachthemen, da hat sich bis heute nichts geändert. Nur diesmal geht es vermehrt um den seltenen Rohstoff Wissen und das noch junge Digitalzeitalter, das man nach wie vor zu definieren versucht. Diese Konferenzen, zu denen ich eingeladen bin, sind aber immer absolut spannend, lehrreich und haben stets ein unglaubliches Potential an tollen neuen Kontakten und Sehensweisen. So etwas bleibt immer modern!
Können solche Medien-Konferenz einen Standort generell und nachhaltig pushen?
Im Grunde geht das ganz leicht, wenn man weiß, worauf es ankommen soll. Denn das Entscheidende ist das richtige Rezept für den entsprechenden Standort zu erarbeiten und umzusetzen und nicht nur einfach irgendwo eine weitere Konferenz zu machen, weil´s grad anderswo auch passiert.
Gibt es dafür international erfolgreiche Bespiele?
Da brauchen wir nur in Europa zu bleiben. Die SIME-Mutterkonferenz in Stockholm hat die Stadt und auch Schweden seit 15 Jahren konsequent zur führenden Digitalregion gemacht. Da bleiben Oslo, Helsinki und Kopenhagen schlichtweg chancenlos. Oder die DLD-Conferences in München seit 2005. Diese konnten den Burda Verlag nicht nur innerhalb kürzester Zeit als digitales Mediahaus überzeugend etablieren, sondern zusätzlich die bayerische Hauptstadt weltweit als aufstrebenden Medienstandort positionieren. Deshalb auch der schnelle Zuzug von internationale Digital-Firmen, Incubatoren, etc.. Wenn man am Münchener Flughafen landet, wird man nicht mit Notenzeilen aus dem vergangenen Jahrhundert, mit Werbung zu einem Esstempel oder einem Etablissement begrüßt, sondern mit „Welcome in Munich, the Silicon Valley of the Alps“. Der bayerische Staat investiert in den kommenden 3 Jahren satte 3 Milliarden Euro in den Wirtschaftsraum München, vornehmlich in „digital automotive“. Zusätzlich will sich München auch noch als führende Konferenzhauptstadt der Welt etablieren. So schnell können konsequent durchgezogenen Konferenzen einen Standort perfekt pushen.
Und Wien?
Erstens würde das hier definitiv den Rahmen sprengen und zweitens möchte ich niemandem etwas unaufgefordert vorschlagen. Es reichen aber schlichtweg evidente Fakten:
Scott Stern, „Distinuguished Professor“ am MIT, hat in der WKO bei der MIT EUROPE CONFERENCE 2013 festgestellt, dass Österreich seit 2003 kontinuierlich aus dem Innovations-Ranking der Industrieländer gerutscht ist. Hochqualifizierte Österreicher/innen und gut integrierte Migrant/innen verabschieden sich seit Jahren via „brain drain“ aus Österreich und heimische Start Up´s gehen seit Jahren in´s Ausland, weil sie hier niemanden für ihre weiteren Finanzierungsrunden gefunden haben. Mitunter bekommen diese dann z.B. als deutsche „start up´s“ Innovationspreise oder werden, wie dies grad der Fall ist, zu einer handverlesenen TechCrunch Gala von Obama in das Weiße Haus geladen. Da sollte der Handlungsbedarf grad für eine neue Regierung offensichtlich genug sein.
Um hier „hot spot“ für die Zukunft im Herzen Europas zu werden und auch nachhaltig zu bleiben, das muss man sich im internationalen Vergleich schlichtweg hart und überzeugend erarbeiten.
Der digital media strategist, Martin W. Drexler ist auch Professor für Multimedia & Kommunikationswirtschaft und Initiator einiger wichtiger Digitalkonferenzen, wie für die OCG zwischen 1999 und 2001 und der SIME VIENNA Conference in Wien gemeinsam mit Microsoft, der WKW, Ottakringer, Raiffeisen und dem ZIT.
Bild: Gil Cheng im Rahmen der Sime 2011.