Nur wenige Nicht-Mitglieder bekommen Zutritt in den fast elitären Kreis der schlagenden Burschenschaften. Lion Bischof, Student an der Hochschule für Fernsehen und Film München begleitete gemeinsam mit Kameramann Dino Osmanović die Burschen des Corps Germania München. Eine Interviewreihe in Kooperation mit Cinema Next – Junges Kino aus Österreich.
Drinnen herrsche Meinungsfreiheit, nach Außen soll er Verschwiegenheit bewahren, erklärt ein Mitglied des Münchner Corps Germania einem Neuankömmling. Lion Bischof, Student an der Hochschule für Fernsehen und Film München, hat sich zur schlagenden Verbindung Zugang verschafft und begleitet gemeinsam mit dem Kameramann Dino Osmanović die Burschen bei ihren Trinkfeiern, wöchentlichen Sitzungen und Fechtübungen. „Germania“ ist ein Dokumentarfilm in einem elitär-konservativen Setting und bietet den seltenen Einblick in ein sonst verschlossenes System. Am 31. Mai wird der Film beim IFFI – Internationales Filmfestival Innsbruck gezeigt. Ein Interview mit dem österreichischen Kameramann Dino Osmanović.
Wie hast du reagiert, als dich Lion Bischof fragte, ob du eine Doku über eine schlagende Verbindung filmen magst?
Als ich in Wien gewohnt habe, hatte ich die jährlichen Ereignisse um den Akademikerball verfolgt. Von daher war die politische Relevanz des Themas (mehr in Österreich als in Deutschland) etwas, was mich motiviert hat. Ich habe also nicht lange gezögert und ziemlich schnell zugesagt. Zum einen kenne und schätze ich die Arbeit mit Lion bereits seit der vorherigen Zusammenarbeit; zum anderen stillt das Filmemachen bei mir eine Neugier, in Welten und Leben einzutauchen, die ich sonst nicht kennenlernen würde. Dazu gehören auch Welten, welche mir fern sind, oder Lebensweisen, welche ich nicht nachvollziehen kann, wie eben das Leben in einer Studentenverbindung.
Wie filmt man Menschen, die man ideologisch möglicherweise nicht sympathisch findet?
Ich glaube, es hilft über die ideologischen Differenzen, mit den Protagonisten zu sprechen und sich nicht zu verstecken oder sogar zu verstellen. Das hat geholfen Vertrauen aufzubauen. In den 1,5 Monaten Dreh gab es manchmal auch Tiefpunkte, und da hat es immer geholfen, an den Film als Ganzes zu denken und sich nicht zu sehr über einzelne Szenen aufzuregen, die einen gegen den Strich gehen. Zudem hatten Lion und ich ein Ritual: Nach jedem Drehtag gingen wir etwas essen oder trinken, um nochmal über das Erlebte zu sprechen. So wussten wir stets, wo der andere steht und wo die Reise bzw. der Film zusammen hingehen.
Im Film sagt einer: Was drinnen passiert, dürfe nicht nach Außen dringen. Warum hat die Germania ausgerechnet einem Filmteam die Türen geöffnet?
Derzeit gibt es sehr wenige mediale Einblicke in die Verbindungshäuser. Durch diesen Mangel an Einblicken gibt es viele Mutmaßungen und Vorurteile, gegen welche sich die Verbindungsstudenten wehren. Die größte Sorge der Germanen war daher, dass wir dieses bereits vorhandene Bild bestätigen würden. Unsere Argumentation war, dass sich die Außenwahrnehmung nicht verändern wird, wenn der Blick nach Innen verschlossen bleibt. Und wenn es nichts zu verheimlichen gibt: Woher dann diese Angst vor „den Medien“? Der Dreh an sich war dann ein Balanceakt. Wir mussten oft vor Leuten, die das Haus besuchten, unsere Dreharbeiten rechtfertigen.
Glaubst du, die Corps-Mitglieder haben euch ihr wahres Ich gezeigt?
Der Film zeigt die Dynamiken in der Gruppe, die unterschiedlichen Beweggründe Mitglied zu sein und welche Erziehung in der streng hierarchischen Verbindung durchlebt wird. Dies wäre nicht möglich gewesen ohne das Vertrauen der Protagonisten. Es gab sicherlich Dinge – wie zum Beispiel die Mensur –, die im Verborgenen blieben. Wir haben gelernt mit diesen „Leerstellen“ umzugehen und sie in unser filmisches Konzept zu integrieren. So ist es uns dennoch gelungen, alles was uns für unsere Erzählung wichtig war, zu filmen.
Wie bist du vorgegangen, um ein authentisches Bild aus dem Innern des Corps zu vermitteln?
Um eine visuelle Form für den Film zu finden, haben wir in den ersten zwei Wochen nicht gedreht. Wir haben gelegentlich von den Situationen Fotos gemacht. Für die gesamte Dynamik während des Drehs war es auch hilfreich, dass wir nur zu zweit waren, also Lion und ich. Nach den zwei Wochen haben wir entschieden, dass wir den Film möglichst beobachtend und wertefrei fotografieren möchten. Der Gedanke dahinter war, dass dadurch die Zuschauer/innen mehr gefordert werden, selbst zu urteilen, was sie sehen, und so der Film mehr zu einem Dialog führt.Bei den Screenings fällt auch auf, dass, je nach dem, wie jemand sozialisiert ist, der Film unterschiedliche Reaktionen auslöst.
Ich habe trotz des nüchternen Blicks versucht, auf subtile Art Gegebenheiten zu verstärken. Beispielsweise gibt es viele Tischsituationen, in denen es eine klare Sitzordnung gibt. Durch die Zentralperspektive konnte ich somit gegebene Hierarchie in der Verbindung visuell festhalten und zeigen. Da wir die Gruppe als Protagonisten gesehen haben und nicht eine einzelne Figur, haben wir uns für das Cinema-Scope-Format entschieden. So entstehen breite Bilder, die uns ermöglichen, die ganze Gruppe im Bild zu haben, ohne mit der Kamera weit weg zu sein.
Wie ist die Situation junger Kameraleute in München bzw. Deutschland im Vergleich zu Österreich?
Bisher habe ich noch nicht allzu oft in Österreich gedreht. Ein Vergleich wäre daher schwierig zu ziehen. Ich würde mich aber natürlich freuen, wenn sich in Zukunft Projekte ergeben, da ich halb im Vorarlberg aufgewachsen bin und meine Eltern und viele Freunde in Österreich leben. Ich möchte visuell und thematisch anspruchsvolle Filme drehen. Mein bisheriger Eindruck ist: Um das Vertrauen von Kinoproduktionen zu bekommen, braucht man viel Geduld und Durchhaltevermögen. Diesen Weg zu gehen ist für mich alternativlos geworden, da ich mir keinen schöneren Beruf vorstellen kann.
„Germania“ ist am Donnerstag, 31. Mai, 19 Uhr, im Cinematograph im Rahmen eines Cinema Next Specials beim IFFI – Internationales Filmfestival Innsbruck (29. Mai bis 3. Juni) zu sehen.