Wien Outer Space

Die österreichische Autorin Sandra Gugic legt mit ihrem Debütroman "Astronauten" ein faszinierendes Psychogramm des Großstadtlebens vor.

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In einer Stadt, die ihnen nicht gehört, leben sechs Menschen unter vielen. Sie sind in die Wirklichkeit irgendwie hineingeraten, nachdem der ursprüngliche Plan, ein sorgenfreies Leben zu führen, nicht aufgegangen ist. In der richtigen Welt werden Großväter manchmal krank, gehen einst enge Freundschaften zu Bruch und oft ist klägliches Scheitern das einzige zur Verfügung stehende Fortbewegungsmittel.

Die sechs Astronauten, wie die Autorin ihre Figuren nennt, durchleben einen Sommer, der die Erwartungen von unbegrenzter Freiheit einmal mehr nicht erfüllt. Sie langweilen sich. "Langeweile interessiert mich als unmittelbarer Ausdruck von Leere und Stillstand, von Desillusionierung und Einsamkeit, als Fremdheitsgefühl gegenüber der äußeren Welt", erklärt Sandra Gugic. Dahinter stehe "die Sehnsucht nach zwischenmenschlichen Begegnungen, die nicht spurlos vorbeiziehen, nach äußeren und inneren Veränderungen, die nachhaltig sind".

Großstadtgeflecht

Spurlos geht im Roman der 38-jährigen Wienerin aber kaum ein Augenblick vorüber. Wie in der Physik heißt es hier: In einem abgeschlossenen System ist die Summe der Energien konstant. Alles, was die Figuren tun, beeinflusst auf die eine oder andere Weise das Leben der anderen. Jeder Moment hat eine Geschichte, einen Grund und die Großstadtmenschen recyceln sie immer wieder. Selbst in der Anonymität der Stadt ist es schwer eine Insel zu sein, denn es ist uns nicht egal, ob unsere Mitmenschen leben oder sterben.

Darko und Zeno sind vielleicht nicht mehr so gut befreundet wie früher, doch sie denken aneinander, wenn etwas passiert. Alen sollte sich vielleicht lieber von Mara fernhalten, doch irgendetwas hat sie, von dem er möchte, dass sie es mit ihm teilt. Und wer schießt da eigentlich die ganze Zeit mit kleinen Plastikkügelchen auf Eichhörnchen und Passanten und sprayt Sätze wie: "Meine Mutter nennt mich Hurensohn" an die Wand?

Sandra Gugic versteht die Welt sehr gut. Sie weiß sich die richtigen Begegnungen und Eindrücke für ihren Roman zu borgen und erschafft damit viel Authentizität. Besonders Sprache als Ausdruck von Identität zu vermitteln ist ihr gelungen. "Sprache ist notwendig, um sich gegeneinander oder gegen die Welt zu behaupten wird aber auch als Mittel zur Ausgrenzung eingesetzt, als Signal für Gewalt. Nichts erzeugt mehr Missverständnisse und Katastrophen als Kommunikation", so Gugic. Deshalb scheitern auch die Astronauten immer wieder daran, miteinander zu kommunizieren, doch sie geben nicht auf.

Zwischen Lapse und Relapse

Es ist ein Buch, für das man Geduld braucht, denn streng genommen passiert darin nicht viel. Doch Gugic kennt die Angst ihrer Figuren und die Erschöpfung darüber, dass immer alles gleichzeitig passieren muss. Sie kennt Freundschaften, die sich nicht gut erklären lassen, hat erfahren, dass Dinge meistens nicht davon einfacher werden, dass man begreift, wie kompliziert sie sind und sie weiß, dass nur Kinder von Suchtkranken den Unterschied zwischen lapse und relapse im Duden nachschlagen.

"Astronauten" ist voll mit perfekten Sätzen, die man notieren und auswendig lernen will. Nur manchmal rennt man als Leser in eine Sackgasse. Zwar wird einem etwa anfangs erklärt, dass Darko, Zeno und die anderen jeden Abend in einem bestimmten Park beginnen, doch ist davon dann kaum mehr die Rede, obwohl man den Figuren so nahe kommt, dass man meint, davon wissen zu müssen, wenn sie wirklich jeden Abend in diesem Park wären. Dennoch: Ein bemerkenswertes Debüt.

Sandra Gugics Wien-Roman "Astronauten" (C. H. Beck) erscheint Ende Jänner.

Bild(er) © Dirk Skiba
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