Wiener Festwochen 2022: Von der »Last Night on Earth« bis zur Sex-Positivity-Performance

Es ist wieder Festwochen-Zeit! Und das Festival steht heuer ganz im Zeichen der »Neu-Erfindung«. Ein Überblick über das gewohnt dichte Programm in sieben Stationen.

© Hand mit Auge

Die Suche nach Strategien des Neu-Erfindens sei eines der Leitmotive des diesjährigen Festival­programms, so Festwochen-Intendant Christophe Slagmuylder: »Viele der präsentierten Werke verweisen auf eine Gesellschaft, die nicht mehr dort ist, wo sie bisher war … aber auch noch nicht an einem neuen Ort. Wir müssen altbekannte Muster hinter uns lassen und neue erfinden. Wir brauchen Veränderung. Aber was soll sich ändern und wie können wir eine Vorstellung von dem ›Neuen‹ gewinnen? Theater­bühnen sind potenziell fruchtbarer Boden für das Entstehen dieses Neuen. Sie geben Zukunfts­szenarien Form, laden Fiktion und Spekulation als prominente Gäste ein.«

Die letzte Nacht auf Erden

Wesentlicher Ansatz der Wiener Festwochen ist dabei neben der Produktion und Präsentation neuer künstlerischer Werke das Verschränken diverser künstlerischer Disziplinen und Ausdrucksformen. Bestes und reichweiten­stärkstes Beispiel: die wie gewohnt live im Fernsehen über­tragene Eröffnung, die heuer – unter der Leitung von Regisseur und Autor David Schalko – den Titel »Last Night on Earth« trägt. Eine letzte Nacht auf Erden, bevor der Trip beginnt. Eine Nacht als Auftakt zu einem Festival noch unbekannter Formen, Gemeinschaften und Visionen. Eine Nacht, in der Spaceships erstmals miteinander Kontakt aufnehmen. Bevor wir uns zu neuen Planeten aufmachen. Eine Nacht, in der wir uns ins All tanzen. Für die musikalische Gestaltung zeichnen Kruder & Dorfmeister verantwortlich. Es wirken mit: Bilderbuch, Sofia Jernberg, Liquid Loft, Caroline Peters, Wiener Sing­akademie, Yung Hurn, Hand mit Auge (Visuals) und Gerd Schneider (Licht). Termin: 13. Mai, 21:20 Uhr, Rathausplatz

Österreichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music © Hannah Aders

Von Arabella Kiesbauer bis Roberto Blanco

Wien bekommt ein neues Museum, das Österreichische Museum für Schwarze Unterhaltung und Black Music. Es beherbergt ein umfassendes Archiv an Schallplatten, Magazinen, Autogrammen und Erinnerungsstücken, die an einem lebendigen Ort der Vermittlung und Diskussion von Schwarzer Kunst und Geschichte ausgestellt werden. Kuratiert von Joana Tischkau, Anta Helena Recke, Elisabeth Hampe, Frieder Blume und Dalia Ahmed versammelt das Museum Geschichten von Schwarzen Künstler*innen und Entertainer*innen, die in der weiß dominierten deutschsprachigen Unterhaltungs­industrie zu Prominenz gekommen sind – von Arabella Kiesbauer und den Rounder Girls bis hin zu Mola Adebisi und Roberto Blanco. Die Ausstellung wird ergänzt von Performances, Vorträgen, Panels und Konzerten von aktuell in Österreich lebenden Schwarzen Künstler*innen, Aktivist*innen und Medien­schaffenden. Die Eröffnungs­party bestreiten Rapper T-Ser, die DJs Tonica Hunter und Tmnit Ghide sowie Special Guest Grace Marta Latigo aka OGG aka Original Gangster Grace. Eröffnung: 14. Mai, 18 Uhr, ÖMSUBM (Belvedere); Ausstellung: 15. Mai bis 11. Juni, Dienstag bis Sonntag: 11 bis 18 Uhr, Donnerstag: 11 bis 21 Uhr, montags an Feiertagen geöffnet

Klassik und Improvisation, Hip-Hop und Techno

Für den libanesischen Klangkünstler Tarek Atoui gibt es viele Möglichkeiten, Sound zu erleben. Für die Wiener Festwochen fertigt er – inspiriert von der reichen Sammlung historischer Instrumente im Musikverein – zwei neue außer­gewöhnliche Musik­instrumente an, denen die Luft als Soundquelle dient. In ihnen verbindet sich eine besondere Musikalität mit faszinierenden taktilen und skulpturalen Qualitäten. Atouis vierteilige Programm­reihe »Souffle Continu« lädt dazu ein, sich mit Gehörlosen, Amateur*innen und Profis der klassischen Musik, Improvisation, Hip-Hop und Techno auf eine musikalische Reise zu begeben. Termine: 20. Mai, 20 Uhr, Musikverein; 24. Mai, 20 Uhr, Ruprechtskirche; 3. Juni, 20 Uhr, Das Werk; 10. Juni, 16 Uhr, Fußballverein 1210 Wien

»To Speak Light Pours Out« © Rolf Arnold

Lust, Widerstand und Solidarität

Intensive Interaktion mit dem Publikum und spielerische Erlebnisse für alle Sinne kennzeichnen die Arbeit von Kat McIntosh. In »To Speak Light Pours Out« eröffnen vier Performerinnen mit Percussion und Stimmen einen Raum des gemeinsamen Hörens. Kraftvolle Beats synchronisieren die Herzschläge und poly­rhythmische Klänge unter­streichen die positive Unruhe der politisch-poetischen Texte. Lust, Widerstand und Solidarität! Der kollaborative Abend formuliert den Wunsch nach einer Veränderung von Sprache und Welt – und entwirft vielfältige Formen eines vor Lebenslust vibrierenden Seins. Termine: 22., 23. und 24. Mai, jeweils 20:30 Uhr, Brut Nordwest

Tribute an einen, der Musik und Kunst prägte

Peter Rehberg, dem im Vorjahr verstorbenen Wiener Musiker und Gründer des Labels Editions Mego, widmen die Festwochen eine würdige, lange Nacht voller Musik und Weg­begleiter*innen. Künstlerin Gisèle Vienne: »Durch seine einzigartige und inspirierende Arbeit, die er in all unsere gemeinsamen Projekte einbrachte, durch sein enormes Musik­wissen und als innovativer und eigenwilliger Label­manager war Peter Rehbergs Einfluss gewaltig. In dieser zentralen Rolle hat er sowohl die Musik, die darstellende wie auch die zeit­genössische Kunst nachhaltig geprägt. All dies macht ihn seit Mitte der 90er-Jahre zu einer Leitfigur in der Kunst. Sein Einfluss wird noch lange Zeit andauern.« An »A Tribute to Peter Rehberg and Editions Mego« wirken mit: Caterina Barbieri, Chra, Electric Indigo, Fennesz, Finlay Shakespeare, General Magic & Tina Frank, Hecker, Inou Ki Endo, Jung an Tagen, KMRU, Nik Colk Void, Russell Haswell und Tin Man. Termin: 28. Mai, 21 Uhr, Das Werk

»Einstein on the Beach« © Markus Selg

Rauschhaftes Musiktheater

»Einstein on the Beach« ist ein futuristisches Werk zwischen Installation, Ritual und Theater. Die Theater­erneuerin Susanne Kennedy und der bildende Künstler Markus Selg inszenieren zum ersten Mal eine Oper. Dabei werden Grenzen gesprengt: jene zwischen Mensch und Maschine, Realität und Simulation, jene zwischen Theater, bildender Kunst und virtuellen Welten. Inspiriert vom unkonven­tionellen Genie Albert Einstein, schufen Philip Glass und Robert Wilson mit »Einstein on the Beach« ein Meister­werk des 20. Jahr­hunderts, das mit allen Regeln der Oper bricht und keiner linearen Erzähl­struktur folgt. Aus der Trance in die Utopie – rausch­haftes Musiktheater als Grenz­erfahrung. Termine: 10. Juni, 19 Uhr, Halle E im Museumsquartier; 11. Juni, 18 Uhr, Halle E im Museumsquartier

Sexuelle Befreiung continued

Inspiriert von Carolee Schneemanns Performance »Meat Joy« aus dem Jahr 1964, ergründet der Choreograf Michiel Vandevelde gemeinsam mit Ensemble-Mitgliedern der Münchner Kammerspiele und Akteur*innen der Sex-Positivity-Szene das heutige Verständnis von Sexualität. »Joy 2022« stellt sich Fragen wie: Wo stehen wir – Jahrzehnte nach der sexuellen Revolution der 1960er-Jahre? Wie können wir uns weiterhin für Befreiung einsetzen, sinnliche Praktiken jenseits normativer Klischees versuchen? Eine sinnlich-wilde Komposition aus Bewegung, Text und persönlichen Erfahrungen der Performer*innen. Termine: 11. und 12. Juni, jeweils 20 Uhr, Volkstheater

Die Wiener Festwochen finden heuer von 13. Mai bis 18. Juni an diversen Veranstaltungs­orten in ganz Wien statt.

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