Menschliche Intimität wird zunehmend digital, Technik durchdringt unseren Alltag und unsere Körper. Klar, da muss Kunst ran, dachte sich das Paraflows-Festival.
Wenn man sich bewusst die Frage stellt, mit wie viel Technik unsere Körper verschmelzen, kommen einige Fragen auf. Abgesehen davon, dass Laptops, Smartphones, Kopfhörer, Uhren unsere ständigen Begleiter sind, sind es auch Prothesen, Herzschrittmacher, Glasaugen und Implantate, die in uns und mit uns funktionieren und sogar teilweise am Leben erhalten. Denn genau das ist im technischen Sinne die Definition eines Cyborgs. Klingt vielleicht unspektakulärer als im Science-Fiction, aber unheimlich ist es trotzdem irgendwie.
Nähe und Distanz
Vor allem übergeben wir den digitalen Geräten, die uns Alltag und Arbeit erleichtern unsere gesamte Privatsphäre. Nicht selten hört man von Freunden, von denen man sich eine Festplatte ausleiht: »Bitte pass gut auf, da ist mein Leben drauf.« Unser Laptop, Smartphone oder Ipad weiß, wofür wir uns interessieren, welche Pornos wir schauen und mit wem wir kommunizieren. Andererseits ermöglicht Kommunikation über soziale Netzwerke oder Skype ein breites Spektrum an »Nähe« zu anderen. Hält man sich an die Netiquette, können auch Emotionen vermittelt werden, und eine neue Selbstdarstellung bzw. Selbsterfahrung entsteht. Man wird zu einem anderen, selbstbewussterem Wesen im »Distanz-Kontakt«. Leicht kann dabei die Kontrolle verloren werden oder man selbst zum Opfer von Voyeurismus und sexueller Phantasien werden.
Intimität, das ist das Thema des 9. Paraflows-Festivals. »Intimacy« wird in drei Bereiche unterteilt. »Plug-In« beschäftigt sich mit Techniken der Verbindung, am zweiten Tag wird sich unter dem Stichwort »Exploit« mit Verwertung auseinandergesetzt und zu guter Letzt fragt das Symposium mit »Care« nach der Erotik der Geräte und den Pflegeverhältnissen zwischen Mensch und Maschine.
Besucher als Voyeur
Eine der Künstlerinnen, die bei Paraflows gastiert, ist Maria Petschnig. Ihre Video-Installationen lassen keinen passiven Blick zu. Beim Betrachten schlüpft man gezwungenermaßen auch in die Rolle des (perversen) Voyeurs. Auch der Österreicher Peter Wehinger hat ins Internet gestellte Selbstfotografien von Männern mittleren Alters nachgezeichnet. Nicht als etwas Abartiges, sondern als Akzeptanz ihrer Handlungen infolge einer Midlife-Crisis. Mit einem Augenzwinkern eben.
»Eliza Effect«
Maayan Sheleff, Eran Hadas und Gal Eshel – alle drei aus Israel – entwarfen Frankie, den dokumentarischen Roboter. Ein Bot, der herausfinden soll, was Mensch sein bedeutet. Das zusammengebastelte Ding bestehend aus Oldschool TV-Gerät, Kamera, Mikro, Boxen und einem Smartphone – das seine »Gehirnaktivität« steuert – antwortet und fragt mit »Gestik« passend zu den Schlagworten, die ihm sein Gegenüber bereitstellt. Frankie referiert einerseits auf den Eliza Effect, andererseits ist es ein umgekehrter Turing-Test. Output des Experiments ist die schnelle Adaptierung der Person, die ihm gegenüber sitzt an die Tatsache, dass sie mit einer deutlich erkennbaren Überwachsungskamera gefilmt wird. Hier wird nach dem Verschwimmen der Privatsphäre und der eigenen Kontrolle darüber gefragt.
Das Paraflows findet vom 12. September bis 12. Oktober 2014 im Künstlerhaus statt.