Extra flexibel

Am Freitag wird Wien wiedermal London sein. Murlo bringt auf Einladung von Vihanna und Blvze seine Interpretation von UK Club Music ins Aux Gazelles. Uneingeschränkte Empfehlungen dafür.

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Die meiste Zeit führen wir in der Redaktion extrem anspruchsvolle Genrediskussionen (Witz). Schaut dann so aus:

"Du, wie würdest du denn das nennen, was der Murlo macht?"

"Hm, Future Grime? Du?"

"Post-Internet-Trap, vielleicht."

Geeinigt haben wir uns schließlich auf Vapor Grime. Nicht so sehr, weil wir unbedingt ein Wort dafür brauchen, sondern eher um Menschen, die nach Genres fragen, auch eine Antwort geben zu können, die jegliches Weiterfragen im Keim erstickt. Was man nämlich ungefähr antworten müsste, wenn jemand die Musik Murlos in Worten beschrieben haben wollte, wäre: "Klingt als wären ganz viele Kaugummis aus einem Automaten auf ein Midi Keyboard mit Panflöten-Preset gefallen, während eine Katze auf einem 20 Euro Elektro-Drum-Kit für Kinder im 4/4 Takt herumgesprungen ist und zwar in einer Geschwindigkeit, dass du extrem fein dazu tanzen kann, während du dir 3D Architektur Renderings römischer Tempel in einem Kubus unter der Erde anschaust, den du dir aber nur einbildest." Das kommt hin, könnte aber für klassische Wanda-Hörer etwas abschreckend wirken.

Genug Verrückte

Global gesehen ist der Murlo-Sound natürlich überhaupt nicht singulär. Leute wie Future Brown fahren da jetzt schon länger erfolgreich damit und auch letzte Woche sorgte Lotic, der nicht gerade als Aushängeschild der Zugänglichkeit gelten kann, in Wien für ein volles Haus. Auf Rinse FM, dem Eldorado dieses Sounds, machen sie ja auch durchgehend Programm – dürfte also genug Verrückte geben, die genau solche Musik produzieren und ich liebe jeden einzelnen von ihnen. Was Murlo speziell macht, ist dass er in seiner Post-Genre-ness nochmal extra flexibel ist. Der junge Mann, der zur Zeit in London residiert, kann zwar diese fette Internet-Mucke produzieren, aber auch fast schon Pop. Als DJ ist er überhaupt nochmal aufgeschlossener – da wird dir dann auch Calypso und Dancehall um die Ohren gehaut, frage nicht. Netterweise haben die Menschen von Blvze und Vihanna genau das erkannt und den guten Jungen in ein Flugzeug gesetzt und hergeholt. Dank großartiger technischer Möglichkeiten wie E-Mail, war es möglich, ihm schon vorab ein paar Fragen zukommen zu lassen.

Beginnen wir mit Komplimenten: Ich mag ja am liebsten an dir, dass du so vielseitig bist – als Produzent und DJ. Was magst du denn am liebsten an dir als Musiker?

Ha, danke! Mir macht Spaß, dass ich innerhalb eines Sets machen kann, was ich will. Das ist dann zach, wenn ich zu einer Show komme und Leute ein 100% Eigenproduktions-Set oder vielleicht ein spezifisches Genre erwarten. Ich habe gelernt meine Sets immer mit genug meiner eigenen Tracks aufzupeppen, sodass ich mich gehen lassen kann und dann auch dort lande, wo ich hinwill.

In deiner visuellen Arbeit scheinst du sehr von der Antike fasziniert zu sein. Griechische Kunst wird ja oft als originell und technisch perfekt gesehen, während römische Kunst – grade bei Skulptur – manchmal als Abklatsch gilt. Wie hältst du es mit Originalität? Wie wichtig ist sie für Kunst und Musik heute?

Ich glaube, der Grund, warum mich die Ära anzieht, ist, dass mich der menschliche Körper fasziniert. Wenn wir heutzutage über Originalität sprechen, hat das immer so eine wichtigtuerische Aura, etwas Pompöses. Es ist wichtig, in neue Richtungen zu gehen, aber das muss auf natürliche und ehrliche Weise passieren. Musik und Kunst ist beides sehr persönlich und je mehr du dich damit beschäftigst, was andere Leute tun, desto mehr wird es dich beeinflussen. Das kann schädlich sein. Aber wenn du Gleichgesinnte findest, kann Einfluss eben auch großartig sein. Am Ende des Tages: Do you.

Würdest du dieselbe Musik machen, wenn du nicht in London wohnen würdest? Oder ist in Internet-Zeiten wurscht, wo man ist?

In London zu leben und in England aufgewachsen zu sein hat mich definitiv geformt. Nicht nur das Ausgehen, auch einfach da sein, da essen, da schlafen – alles hat einen Einfluss beim Musikmachen. Musik im Netz: problematisch ist das, wenn man Kontexte nicht zu versteht, die aber für einen Sound wichtig sind. Der Vorteil bei Musik im Netz ist, dass du einfach ein ganzes Genre von Anfang bis zum Ende erforschen kannst. Etwas, was vor dem Internet nicht einfach war.

Gabs einen speziellen Track, der dich völlig umgehauen hat?

Vor ein paar Jahren, als ich das ganze Zeug von Leuten wie Shriekin, Gage, Pixalot, Slackk, Bloom, Mr Mitch … (ich sollte da 40 Leute nennen) bekommen habe. Das klang wie etwas, was ich noch nie zuvor gehört hatte. Aber das passiert immer noch im Club: Irgendeine blöde Bassline beginnt und ich muss sofort alles stehen und liegen lassen, haha.

Wen hast du am Radar, wen kannst du uns empfehlen?

Es gibt so viele Leute, die interessante und leiwande Musik machen. Schaut’s euch mal meine NTS-Shows an, da hab ich sie alle dabei. Ich will wirklich niemanden auslassen.

Und was können wir am Freitag erwarten? Sagen wir, in drei Worten?

UK-Club-Music.

Murlo kommt am Freitag ins Aux Gazelles zu Blvze x Vihanna.

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