Tove Lo macht Pop und kommt aus Schweden. Ganz richtig, aus Schweden. Die Dame kann also gar nicht anders, als überdurchschnittlich großartig zu sein.
Jedem, der über ein halbwegs gut funktionierendes Paar Ohren verfügt, wird es schon mal aufgefallen sein: Die Schweden haben es irgendwie mit gutem Pop. Das fing an mit Ikonen wie ABBA, Roxette oder Ace of Base, ging dann über zu fast schon grotesk zelebrierten Bubblegum-Exzessen wie den A*Teens, fand seinen absoluten Höhepunkt im weiblichen Pop-Heiland Robyn und brachte zuletzt Namen wie Lykke Li, Niki & The Dove oder Loreen hervor. Ganz abgesehen von Produzenten und Songwritern wie Mastermind Max Martin, der seit 20 Jahren ununterbrochen verdammte Überhits rauspfeift. Man könnte ewig so weitermachen, zu eurem eigenen Schutz vor einer Überdosis Pop-Awesomeness ist an dieser Stelle aber Schluss. Man will sich gar nicht ausmalen, was passiert wäre, hätte man hier die nicht minder talentierten Nachbarn aus Dänemark und Norwegen auch noch berücksichtigt.
Tickende Schwedenbombe
Während Avicii sich großer Bekanntheit erfreut, aber mehr in die Dance-Ecke geht, gibt es in den Zehner Jahren mit Elliphant, Erik Hassle, Icona Pop oder NoNoNo eine Reihe von schwedischen Acts, die sich auf das ehemalige Wesentliche im Pop beschränken. Eine von ihnen ist Tove Lo. Die ist 24 Jahre jung, kommt aus Stockholm und ihre Haare sehen scheinbar permanent so aus, als wären sie nicht ganz trocken geworden. Nachdem sie irgendwelchen Plattenfirmen-Fuzzis ihre Songs aufgedrängt hatte und schnell unter Vertrag genommen war, fand sie sich ruckzuck in Studios mit Max Martin und Xenomania. Dort agierte sie zwar nur als Songwriter für andere Künstler, macht sich aber im Lebenslauf sicherlich nicht schlecht. Jetzt erschien mit "Truth Serum" ihre erste eigene EP, und die klingt ebenso melancholisch wie mitreißend.
Liebe und Drogen
Mit düsteren, an The xx erinnernden Klängen beginnt "Not On Drugs" und gipfelt in einem alles wegfegenden Refrain. "I’m not on drugs, I’m just in love". Super. Schwedenpop vom Feinsten. Auf "Paradise" gibt’s ein paar Drum’n’Bass-Anleihen, die Toves rauchiger Stimme jedoch nichts anhaben können und ihr sogar recht gut stehen. Der dritte Track, "Over", führt die finstere Stimmung, die bisher auf "Truth Serum" herrscht, lückenlos weiter – mit einer Prise mehr Zucker. Und wieder geht es irgendwie um Liebe und Rauschgift. Das scheint ihr wirklich zu liegen, in "Habits" wird diese Thematik nämlich noch mal lyrisch perfektioniert. Der Song samt Video ist zwar schon fast ein Jahr raus, hat in der Zeit jedoch nichts an Großartigkeit verloren. "Gotta stay high all the time to keep you off my mind". Spätestens bei diesen phänomenalen wooohohohoooos ist man ihr völlig verfallen.
"Habits" fühlt sich ein bisschen an wie das Herzstück dieser EP. Nicht zuletzt weil er am Ende nochmal als Remix auftritt. Mit viel Glück schafft es der Track auch auf das erste richtige Album, das noch dieses Jahr erscheinen soll. Den Abschluss bildet "Out Of Mind", der mit peitschenden Synths und repetitivem Refrain einen weiteren Erguss der von Tove Lo scheinbar registrierten Marke "Ich-bin-scheißtraurig-aber-meine-Melodien-steigen-irgendwohin-empor" darstellt. So viel Trübsinn und Verzweiflung hier vermittelt wird, so sehr will man die grausam ehrlichen Lyrics und Bombast-Hooks im Vollrausch mitgröhlen.
Danke, Schweden. Thank you for the music, aber auch danke für diese offenbar zutiefst gefrustete Seele, die so schöne Songs schreibt und singt. Auf Albumlänge darf die Hauptakteurin aber auch gerne mal ein bisschen unbeschwerter sein. In erster Linie weil wir hören wollen, ob sie das überhaupt kann. Übrigens: Wenn man auf Anagramme steht, wird aus Tove Lo ziemlich schnell "Love To". Zufall? Wahrscheinlich.
Tove Los EP "Truth Serum" erschien am 3. März via Universal Music.