Viele Menschen verbringen in Büros die meiste Zeit im Jahr. Obwohl viel vom flexiblen Büro geredet wird, in dem man sich wohlfühlen soll, sind Großraumbüros nicht unbedingt schlecht. Ein Interview mit den britischen Stardesignern Tom Lloyd und Luke Pearson über große Veränderungen und regionale Unterschiede.
PearsonLloyd zählt zu den führenden britischen Designbüros, mit Kunden wie den InterContinental Hotels, Lufthansa oder Fritz Hansen. Für den Büromöbelhersteller Bene haben sie einige Möbelserien entworfen, mit denen sie den Kampf gegen graue Bürotristesse antreten. Kürzlich wurde ein Möbel der "Parcs"-Serie der MAK-Sammlung übergeben. Guter Anlass, mit den beiden Designspezialisten über die Bürorealität von gestern, heute und morgen zu sprechen.
Wie sieht es in Ihrem Büro aus?
Tom Lloyd: Es fühlt sich nicht wie ein klassisches Büro an, sondern wie ein Studio, vollgestopft mit Prototypen und Skizzen, dazwischen stehen Sessel und Tische herum, die wir entworfen haben. Es herrscht Chaos. Wir haben extrem wenig Platz, weil sich unser Studio mitten in London befindet, und hier ist Fläche verdammt teuer. Weil wir aber laufend Mitarbeiter aufnehmen, wird es immer schwieriger, in so einem kleinen Büro das zu tun, was man beabsichtigt.
Luke Pearson: Wir haben auch viele Boards herumstehen, auf die wir etwas draufpinnen. Da stehen wir dann davor und diskutieren Arbeitsschritte. Dann gehen die Leute wieder auf ihre Plätze und arbeiten daran weiter. Sehr direkte Kommunikation, sehr dichte Atmosphäre.
"Stehen" ist ein gutes Stichwort. Seit Jahren wird es als temporäre Alternative zum ewigen Sitzen und den lähmenden Sitzungen propagiert. In der Realität scheint sich das aber wenig durchzusetzen.
TL: Wir haben erst im Herbst mit Bene ein Programm namens "Timba" vorgestellt, das genau dafür gedacht ist, z.B. mit einem hohen Hocker und Tisch mit Holzbeinen. Auch in der "Parcs"-Serie gibt es ein paar Elemente, die fürs Stehen gedacht sind. Einst war das Stehen nur trendy, jetzt versteht man tatsächlich, was die Vorteile sind. Es ist effizienter und vor allem gesünder, nicht nur zu sitzen.
Gibt es etwas, was Sie konkret in Ihrem Büro gerne ändern würden?
LP: Ich hätte gerne mehr Zonen, die ihre Persönlichkeit je nach Bedarf ändern können. Es ist ein Fakt, dass im Großraumbüro die Zonen davon beeinträchtigt sind, was rundherum passiert. Ideal wäre ein Ort, der für ein Projekt wie eine Insel genutzt wird, und danach wieder für ein anderes Projekt. Wir haben ja durchschnittlich rund 20 Projekte gleichzeitig am Laufen. Im Großraumbüro ist eine Fokussierung das Schwierigste.
Sie arbeiten für global agierende Unternehmen. Wie kann man Möbel entwerfen, die in Japan genauso funktionieren wie in Brasilien, in den USA oder in Europa?
TL: Bei unserer "Parcs"-Serie gibt es unterschiedliche Elemente, die man aussuchen kann, sodass hoffentlich für alle möglichen Bedürfnisse und Kulturen etwas Passendes dabei ist.
Gab es Entwürfe, die gar nicht funktioniert haben?
LP: Ja, das liegt in der Natur der Sache. Man versucht im Designprozess, möglichst viel Klarheit zu erreichen, aber eben erst die Praxis zeigt, was nicht funktioniert. Das kann technische Gründe haben, aber einfach auch eine Geschmacksfrage sein.
TL: Die großen US-amerikanischen Firmen haben immer davon geträumt, das globale Produkt zu machen. Aber natürlich können sie das nicht. Allein schon in Europa gibt es so viele regionale Unterschiede, die für Amerikaner komplett unverständlich sind. Deshalb haben sie sich emotional von Europa zurückgezogen.
LP: Für uns, die wir in Großbritannien leben, ist es zum Beispiel sehr überraschend, wie linear und rationalistisch Büromöbel in Deutschland oder Österreich normalerweise sind. Unsere Entwürfe sind wesentlich softer. Das sind die kleinen Unterschiede. Manchmal braucht es eine ganze Generation, bis Neues gelernt ist. Für uns ist das das Spannendste: die Vielfalt der Bedürfnisse.
Was ich mich immer gefragt habe: Wie finden Designer heraus, wie ihre Büromöbel tatsächlich genutzt werden? Kriegt man überhaupt verwertbares, nicht gefiltertes Feedback?
TL: Eine schwierige Sache. Wir hatten einen Kunden, der die Arbeitsabläufe und Bewegungen seiner Mitarbeiter minutiös beobachtet und aufgezeichnet hat. Aber das ist die Ausnahme. Quantitative Messungen sind sehr teuer, daher müssen wir oft auf Feedback in Form von Anekdoten zurückgreifen, zum Beispiel von den Sales-Mitarbeitern, vom Kunden, vom Markt.
LP: Es gehört zu unserer Kompetenz als Designer, all diese Informationen zu filtern und für uns nutzbar zu machen.