Wortwechsel: Was macht KI mit unserer Musik?

Spätestens seit der Song »Heart on My Sleeve« mit KI-generierten Stimmen von Drake und The Weeknd für Aufsehen sorgte, zeigt sich, dass die Konsequenzen von generativer KI für die Musikszene kein Problem der Zukunft mehr sind. Wo es noch vor wenigen Jahren um spielerische Kunstexperimente wie das Fortschreiben unvollendeter Symphonien ging, sind die Einsatzgebiete und die damit einhergehenden Problemfelder heutzutage vielfältig. Was sind die rechtlichen Probleme, die sich bei generativer KI auftun? Wer wird zukünftig welche Musik wie schreiben? Was ist die Rolle von Kreativität, von Virtuosität? Haben menschliche Musiker*innen noch einen Platz, wenn die KI spontan Musik für jede Mood und jeden Vibe generieren kann?

© Eva Kelety / Moritz Morast / Maria Frodl

Riotweiler

Vocalist Drug Searching Dogs

Drug Searching Dogs mit Riotweiler in schwarzer Balaklava (Foto: Moritz Morast)

The future is dog music

Wuff. Ich sehe nicht die sogenannte künstliche Intelligenz als die größte Bedrohung für Kreativität oder Originalität in der Musik, sondern die Branche, die Musikindustrie selbst. Sie ist durch ihre Profitorientierung überreguliert, steif und langweilig geworden. Außerdem wird die sogenannte künstliche Intelligenz nicht der Grund für den Niedergang der Musikindustrie sein, sondern vielmehr die ungleiche Verteilung von Macht – wie auf sämtliche Lebensbereiche anwendbar. Das ganze Modell der Musikindustrie basiert darauf, dass ein paar Leute entscheiden, was populär ist. Je besser die sogenannte künstliche Intelligenz nun wird, desto geringer wird die Relevanz dieser Leute für den Rest der Gesellschaft. Ist es das, was sie fürchten? Haben sie Angst, dass sogar Tiere die Songs schreiben können, die sie uns jetzt vorsetzen? Ist es nicht komisch, wie die Industrie eine »Uns gehört alles«-Haltung gegenüber etwas eingenommen hat, das ihr eigentlich nie zustand?
Wenn ich jemandem einen Ratschlag für den Einstieg in die Musikindustrie geben soll, dann wäre es der, die aktuellen Tools zu erlernen und zu nutzen. Denn wenn du sie beherrschst, bist du der Zeit voraus und es wird viel einfacher sein, sich abzuheben. Oder: Lass es einfach sein. Denn die Musikindustrie ist wie eine Hundezone, sie hat große Barrieren um sich herum, und wenn man einmal drin landet, ist es schwer, allein wieder herauszukommen. Knurr!

Was wäre überhaupt das Problem daran, seinen Job an die sogenannte künstliche Intelligenz zu verlieren, wenn man seinen Lebensunterhalt nicht »verdienen« müsste, sondern Menschen sich auf eine Art organisieren würden, die allen ein gutes Leben ohne Leinen garantierte? Selbst wenn ein KI-System in der Lage ist, seine menschlichen Schöpfer zu ersetzen, ist das auf lange Sicht vielleicht keine schlechte Sache für die Menschheit. KI-Systeme sind gut darin, Muster vorherzusagen und Prozesse zu optimieren, und das könnte für unsere Art zu wirtschaften besser sein als ein paar Tausend hoch bezahlte Angestellte. (Vorausgesetzt wir können Menschen von der Macht fernhalten und länger Urlaub machen.) The future is dog music. Underground für immer!

Übrigens, dieser Text wurde ebenfalls von einer KI generiert und übersetzt – oder?

Riotweiler ist Vocalist des Wiener Noise-Trios Drug Searching Dogs. Die Lyrics der Band entstehen durch Füttern von textgenerierender Software, deren Ergebnisse anschließend editiert und arrangiert werden.

Sabine Reiter

Geschäftsführende Direktorin Mica

Sabine Reiter (Foto: Maria Frodl)

Ohne Menschen keine Originalität

Beim Thema KI muss ich oft an die Satiresendung »Max Giesinger und die deutsche Industriemusik« von Jan Böhmermann denken. Der Satiriker seziert zunächst die Fließbandfertigung von Songs nach Schema F und lässt dann Schimpansen einen Songtext schreiben – aus Tweets von Influencer*innen, Werbeslogans, Textzeilen aktueller Popsongs und Kalendersprüchen. Dazu wird eingängige Musik komponiert. Der Song »Menschen Leben Tanzen Welt« klingt nach deutschem Pop mit leichten Irritationen, aber wenn man nicht so genau hinhört, fällt das nicht weiter auf.

Das entspricht den aktuellen Ergebnissen komponierender KI: Sie kann Musik »im Stil von«, »in dieser und jener Stimmung« und Ähnliches hervorbringen. Überraschung geht anders: einen Wow-Moment habe ich bei KI-generierter Musik noch nicht erlebt. Aber die Produktion von Musik, die nicht weiter stört, weil man sie einordnen kann, Musik nach gängigen Mustern, erleben wir schon lange. Möglicherweise freuen sich also einige Musikfirmen mit dem Geschäftsmodell »Mainstream«, dass sie für weite Teile ihrer Musikproduktion keine oder nur noch wenige Menschen brauchen. KI wird ohnehin schon seit geraumer Zeit als Kompositions- und Produktionshilfe eingesetzt.

Kritisch wird es allerdings dann, wenn die künstlich generierten Inhalte der KI bestehenden Musikwerken zu sehr ähneln. Dies wäre eine Verletzung des Urheberrechts. Umgekehrt ist es schon seit einigen Jahren möglich, mit Hilfe von KI Musik – z. B. für Videos – zu generieren, die einzigartig und urheberrechtlich unbedenklich ist.

Die KI kann also zwar etwas Einzigartiges schaffen, aber sie ist immer nur so kreativ, originell und innovativ, wie die Person, die sie benutzt.

Musiker*innen und Bands hingegen sind mehr als Musik auf Tonträgern oder im Video. Sie sind Menschen und Künstler*innen und waren als solche immer schon Projektionsflächen für Sehnsüchte, Haltungen, Identitäten. Natürlich können auch Kunstfiguren von KI erfunden werden. Live-Konzerte echter Menschen werden sie jedoch nicht ersetzen. Avatar-Konzerte verstorbener Rockstars werden uns aber vermutlich in Zukunft nicht erspart bleiben. Möglicherweise mit neuen, KI-komponierten Songs.

Sabine Reiter leitet das österreichische Musikinformationszentrum Mica – Music Austria. Sie ist Vorstandsmitglied der IG Freie Theater und der Vertrauensstelle Vera sowie Mitglied im Stiftungsbeirat des Arnold Schönberg Center.

Peter Vieweger

Präsident AKM

Peter Vieweger (Foto: Eva Kelety)

KI-Produktionen neben anderen Genres

KI ist nicht die erste technische Innovation, die für einen enormen internationalen Hype sorgt. Viele, vor allem Musikschaffende, sind mehr als skeptisch, ob KI für sie Segen oder Fluch bedeuten kann. Entscheidend wird aber auf lange Sicht der mögliche negative Einfluss auf die Wertschöpfung im Musikbusiness werden.

Kann es für Hersteller von KI-Software möglich werden, über Wahrnehmungsverträge mit Verwertungsgesellschaften Tantiemen für mit KI produzierten Hits zu kassieren? Das geltende Urheberrecht sollte das verhindern, zumindest in Österreich. Von großer Bedeutung werden jedenfalls die angekündigten Regelungen der Europäischen Kommission für die kommerzielle Anwendung von KI und Chat GPT sein. Es ist zu hoffen, dass der Einfluss der unzähligen Lobbyist*innen der marktbeherrschenden Internetriesen in Brüssel die einschränkende Wirkung solcher Regelungen nicht zu sehr beeinflussen wird.

Es drängt sich außerdem die Frage auf, ob die Millionen von Daten, derer sich die KI bedient, von urheberrechtlicher Relevanz sind. Eine Erfassung würde sicherlich eine kaum bewältigbare Herausforderung bedeuten.

Aus künstlerischer Sicht bin ich zumindest sicher, dass Emotionen beim Komponieren, Texten und Singen einerseits und bei den Musikfans andererseits nicht völlig durch KI-Musikproduktionen ersetzt werden können. Ähnlich wie Technomusik, die ja synthetisch produziert wird und besonders in den 90er-Jahren einen großen internationalen Stellenwert hatte, wird es in Zukunft zwar KI-Produktionen geben, aber nur neben allen anderen musikalischen Genres.

Allemal formieren sich bereits Größen der Popmusik mit der Ankündigung, vehement alles in ihrer Macht Stehende zu unternehmen, um eine Entmenschlichung der Musik durch Entwicklungen im KI-Bereich zu verhindern. Dieser Intention kann ich zu 100 % zustimmen.

Peter Vieweger ist Präsident der Verwertungsgesellschaft AKM – Autoren, Komponisten und Musikverleger. Er ist Komponist, Produzent, ehemaliger Falco-Gitarrist und Bandleader.

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