Wovon man nicht sprechen kann

… darüber muss man singen. Killed By 9V Batteries machen Musik, die lärmt und liebt. Zwischen Noise, Krautrock und 80er-Gitarrensoli hat sich auf dem neuen Album »The Crux« aber auch eine gehörige Menge Popaffinität eingeschlichen.

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Es ist die Geschichte von Bands wie Pavement, Sebadoh, Dinosaur Jr. oder den Pixies, welche als kauzige Eigenbrötler mit manisch-depressiven Isolationshymnen der Indie-Musik neuen Antrieb verliehen. Und es ist die Geschichte der Band Killed By 9V Batteries: Viel zu oft, um es als Zufall abzutun, entsprang die großartigste Musik nicht den Straßen hipper Metropolen, sondern dem Mief der tiefen Provinz, wo das Land weit und der Horizont flach ist. Fernab von Szene-Diktaten, an Orten, in denen man Alternativkultur nur dann findet, wenn man danach sucht, sprießt dafür die Kreativität wie ein seltenes Gewächs zwischen Heugabel und Mistkübel aus dem Boden. Auf der Suche nach sich selbst und der persönlichen Verortung im Sich-Fremd-Fühlen führt der Weg ins Zentrum der Aufmerksamkeit erst viel später in die Kunst- und Kultur-affinen Stadtbiotope und an mehr Ohrmuscheln Gleichgesinnter. Dabei entsteht oft jene Art von unverhohlener Eigenständigkeit, wie sie in den urbanen Kulturfabriken nur schwer zu finden ist.

Gegründet im steirischen Weiz in der Zeit der gemeinsam verbrachten Jugend, machten die 9V Batts zuallererst einmal Lärm. Wolfgang Möstl, Mario Zangl, Philipp Ludersdorfer und Mario Loder war es aber nicht gut genug, ihre Eltern zu verschrecken. Sie gingen nach Graz und Berlin, um den Lärm aufzunehmen. Und bauten, ohne es wirklich darauf anzulegen, einen kleinen, aber euphorischen Zirkel an Zuhörern auf, für die die 9V Batts all das beinhalteten, was dem Rock’n’Roll österreichischer Bauart oft fehlte: Witz und Coolness, genuschelte Feingeistigkeit und geschriene Brachialität, manische Sehnsucht und depressive Verstimmung. Es ist eine Musik, die das Gefühl hinterlässt, das sie aus etwas Freiem heraus entstand, aus dem Bedürfnis zuerst einmal Spaß am Musikmachen zu haben, statt Trends oder Attitüden hinterherzulaufen.

Rocken mit Patrick Pulsinger

Killed By 9V Batteries machen etwas, das man schon oft gehört hat – aber schon lange nicht mehr so gut, und noch nie kam es von so nah her. »The Crux«, das neue, dritte Album der Batteries, ist wirklich, wirklich tolle Indie-Musik. Das Lo-Fi-Geschrammel der vier Steirer wurde vom Wiener Technopionier Patrick Pulsinger als Produzent mit einem klaren und akzentuierten Klangbild versehen. Was jedoch nicht bedeuten soll, das die Batteries nicht mehr punkrocken, und auch nicht, das sie jetzt auf Electronica machen. »The Crux« wirkt – Steve Albini lässt grüßen – poliert und dreckig, catchy und unorthodox. Auch die Noise-Affinität ist nicht verloren gegangen, sondern irgendwie erwachsen geworden und in eine Art analoge Vintage-Ästhetik überführt worden. Der glamouröse Slacker-Pathos von »Need More New Wracks« eröffnet das Album mit dermaßen furiosen Gitarrentürmen, das man meint, ein Stück essentieller Indie-Musik aus den frühen 90er wiederentdeckt zu haben.

»Quit your job and work for free, the worst of total anarchy«, singt Wolfgang Möstl in »Worst Of Total Anarchy«, der Single-Auskoppelung des Albums. Der Song ist wie ein ungeschliffener Diamant, der mit seinen New Wave- und Shoegaze-Anleihen das Potenzial zum transeuropäischen Underground-Hit hat. »Impulse Control« klingt mit unaufhörlichen Tempi-Wechsel und Laut-Leise-Klangeruptionen wie klassisches Batts-Material, oder auch wie ein verlorengegangenes Sub Pop-Kleinod. Hymnisch tönt der Albumcloser »Set Something On Fire«: Groß ausgelegte Melodiebögen krachen aufeinander und münden in einem furiosen Destillat aus Pop, Punk und Noise. »The Crux« ist in diesem Sinne mehr als eine Ansammlung von Stücken. Das Album ist wie ein Fluss, dessen sonnenglitzernde Oberfläche immer Raum für subjektive Interpretation lässt, und dem auch in den lauten Momenten ein leises Understatement gelingt. Es sind Lieder, die man lieber selbst singen würde, anstatt sie zu zerreden.

Was den zwölf Stücken der Platte zugrunde liegt, ist eine scheue, aber onmipräsente Melodienverliebtheit. Verträumt-zurückgelehnter Gesang legt sich auf fiepende Analog-Elektronik und verstimmte Gitarren-Mutationen. Und hinter jeder Menge Krach verbergen sich die liebevollsten Spätsommermelodien jenseits von Portland oder Seattle. Das honigtröpfelnde Songwriting setzt aber so unterschwellig an, das es nie wirklich auffällt, sondern höchstens mal aus dem Klangtumult hervorschielt. Es ist alles ganz unaufdringlich. Und wird langsam und kaum merkbar immer präsenter. Bis dann der nächste Sommer kommt.

Interview mit Wolfgang Möstl, Leadsänger der 9V Batteries:

In welchem Kontext ist euer neues Album “The Crux“ entstanden?

Die meisten Songs haben wir im Sommer geschrieben, insofern ist es wohl auch eine Sommerplatte. Die Lieder sind zwar in den unterschiedlichsten Phasen entstanden, aber es hat alles einen Fluss. Wenn ich das Album höre sind da die zwei Jahre, die wir aufgenommen haben, auch wenn es von außen wie eine einzige geschlossene Jamsession klingen mag. Wir haben in unserem Studio in Graz jede Probe aufgenommen. Wenn wir gerade kreativ sind, jammen wir nicht nur, sondern arbeiten jedes Mal mindestens eine Nummer fertig aus. Die rohen Brocken nehme ich dann mit nach Hause und singe drüber. So sind am Ende über 35 Songs entstanden.

2010 haben wir kleine Touren gespielt, in Italien, Slowenien, Mazedonien – und da hat sich dann ergeben, welche Nummern wir auch live spielen können. Wir haben dann darüber beraten, was vom Material auch im Albumkontext funktionieren würde. Es war echt viel »kruder Scheiß« dabei – Krautrock, Dance, Noise. Wir wussten, dass das nächste Album komplett abgedreht werden wird. Jedes Bandmitglied hat darauf eine Liste erstellt, welche Songs aufs Album kommen sollen – jedenfalls haben wir die Nummern alle angehört, jeder hat seine Favourites aufgeschrieben, und das hat lustigerweise eh ziemlich übereingestimmt. Und uns war klar, dass es diesmal in eine spezifische Richtung geht: Zwischen Lärm- und Jam-Improvisationen haben wir immer wieder Sachen geschrieben, die wirklich, wirklich poppig waren.

Wodurch kam der Kontakt mit Patrick Pulsinger zustande? Wie war es, mit einem elektronischen Musiker eine Indie-Platte aufzunehmen?

Der Kontakt ist eigentlich so entstanden: In Graz haben wir eine Jam-Session mit Bul Bul gemacht. Am gleichen Tag hatten wir auch getrennt voneinander Konzerte – und dann entstand die Frage, wer geht zu Bul Bul und wer geht zu uns. Der Sänger von Bul Bul meinte: »Ja, der Patrick Pulsinger, der kommt eh zu euch, der findet euch so klass.« Und ich hab gefragt: Wer ist Patrick Pulsinger? – ich hab wirklich überhaupt keine Ahnung gehabt, wer das ist. Als ich mich dann informiert hab, dachte ich nur: boah.

Ein Jahr später war es dann so weit: Wir wollten das neue Album aufnehmen, und zwar diesmal nicht zuhause oder im Proberaum, sondern in einem Studio und mit einem Produzenten. Da fiel mir dann auch wieder Bul Bul ein, deren Album von Pulsinger produziert wurde. Wir haben ihn angeschrieben. Er schrieb sofort zurück und hat uns eingeladen, in sein Studio nach Wien zu kommen. Er ist ein unglaublicher Typ – extrem euphorisch, sofort dabei vom ersten Treffen an. Wir sagten ihm, welche Vorstellungen wir hatten. Wir wollten einen Analog-Sound, einen halligen, sehr natürlichen und warmen Schlagzeugklang, und er antwortete sofort: ja so machen wir das.

Nach dem ersten Treffen war klar, das passt. Er hatte Studios und Ideen im Kopf, genau die Sachen, an die wir auch gedacht haben. Bis auf Bul Bul hat Pulsinger auch noch kaum Artverwandtes produziert. Patrick hat allerdings in den 90ern auch viel Indie gehört, ging in die argen Konzerte im alten Chelsea, er konnte echt was anfangen mit unserem Sound. Nachdem ein Förderantrag an den österreichischen Musikfonds leider abgelehnt wurde, mussten wir Studio und Produktion selber zahlen – aber es war von Anfang an klar, der Patrick Pulsinger muss dabei sein, unbedingt. Wir hätten auch drauf scheißen können und selber aufnehmen, aber wir wollten einfach, das diese Zusammenarbeit zustande kommt – auch, wenn es uns die nächsten paar Jahre finanziell verfolgen wird. Die ersten Aufnahmen, noch ungemischt, haben aber schon so fett geklungen, das uns allen klar war, dass es sich auszahlt, dass wir das riskieren. In drei Studiotagen haben wir dann die 15 Nummern eingespielt, analog und auf First Take.

Manche Instrumentierungen auf »The Crux« klingen sehr exotisch. Stimmt es, dass ihr für das Album eigene Musikinstrumente gebastelt habt?

Mich hat das schon immer interessiert, Instrumente selber zu bauen. Und auf einmal hab ich damit angefangen. Jeden Monat hab ich irgendein Instrument gebaut, manchmal Sachen, die einfach nur Lärm machen – eine Snare mit Gitarrensaiten und einen Tonabnehmer drübergespannt – und hab in jede Nummer etwas davon eingebaut. Dass wir irgendwann mal poppig werden, Nummern schreiben, die außer uns noch irgendwer hören kann, daran haben wir niemals gedacht. Jeder andere hätte mich aus dem Studio gehaut damit – aber hier hat jeder gewusst, das kann man bringen, die Nummern sind in der Struktur so poppy und catchy, das macht’s interessanter und nicht räudiger oder trashiger.

»The Crux« von Killed By 9V Batteries erscheint am 30.9. via Siluh Records. Am 29. 9. wird das Album beim Waves Vienna Festival präsentiert.

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