You have to follow the music

The Frames, The Swell Season, The Commitments, Once, Falling Slowly – einige gewichtige Schlagworte, die recht grob die erstaunliche Karriere von Glen Hansard umreißen. Bei einem entspannten Gespräch erzählt uns Hansard über den Umgang mit plötzlichem Erfolg, die Spätfolgen des gewonnenen Oscars und die Wichtigkeit von Entspannung im Leben – und wie Grasrauchen auf Jamaika eine nicht unwesentliche Rolle dabei spielen kann.

Aus rechtlichen Gründen werden Artikel aus unserem Archiv zum Teil ohne Bilder angezeigt.

Nach 20 Jahren als Bandleader der irischen Folkrockband The Frames gründete Glen Hansard mit seiner damaligen Partnerin, Sängerin & Pianistin Markéta Irglová, das Bandprojekt The Swell Season. Mit seinem ersten Soloalbum "Rhythm And Repose" schlägt der irische Sänger & Songschreiber nun das dritte musikalische Kapitel seiner Karriere auf. Obwohl Hansard sich selbst nicht als Schauspieler sieht, gelangte er gerade durch seine Rollen in "The Commitments" und "Once" zu weltweiter Berühmtheit. Für "Once", den Low-Budget-Überraschungserfolg von 2006, erhielt Glen Hansard zusammen mit Markéta Irglová den Oscar für den besten Originalsong „Falling Slowly“.

Im Rahmen der Premiere des Harvest Of Art-Festivals in Wiesen empfängt uns Hansard im Backstageraum, einem umgestalteten Eisenbahnwaggon. Konzentriert widmet er sich gerade der Erstellung der Songliste für seinen in Kürze bevorstehenden Auftritt. „Ob diese für jedes Konzert geändert wird?“, werfe ich ein. „Nun, einige Teile werden immer geändert, einige Teile bleiben gleich, aber heute wird alles geändert und an das Festival angepasst“, sagt Hansard und ergänzt, „in den USA haben wir mit bis zu 13 Musikern gespielt, und ich versuche gerade herauszufinden, wie man die Setlist mit nur fünf Leuten spielt, das ist interessant“. Was gleich zu Beginn auffällt, Glen Hansard wirkt extrem entspannt, was nicht zuletzt seiner Auszeit zu verdanken ist, über die er uns später noch erzählen wird. Außerdem ist der in Irland aufgewachsene Sänger natürlich mittlerweile Routinier, was Auftritte anbelangt, hat er doch von der Pike auf seine musikalischen Sporen auf der Straße verdient – ähnlich wie im Film "Once", der stark auf Hansard´s Vergangenheit basiert.

Glen Hansard: Etwas, das ich wirklich mag, ist, in eine Livesituation hinein zu gehen, in der du nicht sicher bist, was dich erwartet. Es ist besser, wenn es nicht zu vorhersehbar ist, also dann mit dem zu arbeiten, was sich aus dem Moment heraus ergibt. So wie hier auf dem Festival, wo du dich mit der Situation arrangieren musst, das kann sehr aufregend sein. Mit The Swell Season hatten wir das Glück, in vielen schönen Theatern mit Sitzpublikum zu spielen. Und ich denke, jeder Künstler würde es vorziehen in einem Raum voller Leute zu spielen, die dich kennen und deine Musik schätzen. Aber dann gibt es diese Spannung, wenn du versuchst ein Publikum erst für dich zu gewinnen, und das ist prinzipiell das, was einen „Busker“ (Straßenmusiker, Anm.) ausmacht. Wenn du beginnst, auf der Straße zu spielen, spielst du immer vor Fremden. Daher wird es Teil deines Konzepts, in jeder Situation davon auszugehen, dass dich niemand kennt.

In "Once" wie auch in "The Commitments" spielst du einen Musiker. Hast du dir überlegt, die Schauspielerei zu intensivieren und auch mal andere Rollen anzunehmen, die nichts mit Musik zu tun haben, oder war gerade der Musikbezug für dich ausschlaggebend?

Seit Once sind mir verschiedene Rollen angeboten worden, interessante Rollen, keine Musiker. Aber nachdem ich kein Schauspieler bin, habe ich den Luxus zu sagen, ich würde nie etwas machen, solange ich mich nicht regelrecht gezwungen fühle, es zu tun. Als Musiker habe ich diesen Luxus. Du schreibst nur dann einen Song, wenn du wirklich „musst“. Mit einer Rolle nimmst du einen Job an, für die nächsten drei Monate stehst du um Fünf in der Früh auf, und du gibst diesem Projekt 100% deiner Energie. Ich denke nicht, dass das auf viele Dinge zutrifft, die mir angeboten werden, das meiste fühlt sich an wie ein Job, aber nicht wie ein Job den ich mag. Es gab nur ein oder zwei Projekte, die auf mich zukamen, wo es mir leid getan hat, dass ich sie nicht machen konnte, weil ich mit Musik beschäftigt war. Aber du musst der Musik folgen.

Hat sich nach dem Erfolg von "Once" und dem Oscar viel verändert – persönlich wie auch beruflich?

Nun, beruflich natürlich. Uns wurde das größte Geschenk gegeben, von dem jeder Künstler träumt, nämlich ein Publikum. Das ist alles, was du dir immer gewünscht hast. Und wenn du ein Publikum bekommst, heißt das nicht, dass es bleiben wird, es bedeutet nur, dass das Publikum auf dich aufmerksam wird. Und das war die größte Chance, die wir daraus ziehen konnten. Aber um deine Frage zu beantworten: Ich würde sagen, es hat sich alles geändert und es hat sich nichts geändert. Der ganze Rahmen hat sich geändert, aber im Wesentlichen sind unsere Freunde immer noch dieselben.

Kommen wir zu deinem neuen Album "Rhythm And Repose", dein erstes Soloalbum. Was ist für dich persönlich der Hauptunterschied zwischen Glen Hansard als Solokünstler und The Swell Season bzw. The Frames, abgesehen von unterschiedlichen Besetzungen?

Das ist schwer zu beantworten, da es drei verschiedene Dinge sind. Als Songschreiber denke ich muss man über das singen, wo man gerade steht, sowohl in Bezug auf die Zukunft als auch die Vergangenheit. The Swell Season hat existiert, weil es aus mir und Markéta (Markéta Irglová, Anm.) bestand. Die einzige Möglichkeit, dieses Projekt weiterzuführen, wäre durch sie und mich. Aber wir sind verschiedene Wege gegangen. Markéta lebt nun in Island, und sie hat alleine zwei wunderschöne Platten gemacht.


Sie hat ja, glaube ich, auch auf deinem Soloalbum gesungen?

Ja, sie hat auf meinem Album gesungen. Oh, wir sind gute Freunde, aber wir fanden es notwendig, nicht mehr zusammen in einer Band zu sein. "Once" war ein schönes Kapitel unseres Lebens, währenddessen und auch davor war alles sehr intensiv, und ich werde das nie vergessen, solange ich lebe. Markéta wird immer ein Teil von mir sein, und für mich persönlich wird sie möglicherweise die wichtigste Beziehung bleiben, die ich je hatte, so kurz sie auch war. Daher ist es auch wichtig für mich, dass The Swell Season momentan nicht existiert, das ist ganz logisch.

Ich finde mich also alleine in New York wieder, habe Songs geschrieben, bin mit Freunden rumgehangen und dachte, es wäre das Natürlichste auf der Welt, in ein Studio zu gehen und einige Songs aufzunehmen. Ich habe nicht über eine Glen Hansard-Platte nachgedacht, nicht über eine Swell Season-Platte, nicht über eine Frames-Platte. Irgendwie wusste ich, dass ich sie nicht mit meinen Freunden, mit The Frames, machen wollte, denn es war persönlicher. Und ich fühlte, dass es keine Rockplatte werden würde, und The Frames sind bzw. können zumindest eine Rockband sein. Ich habe nie wirklich über eine Glen Hansard-Platte nachgedacht, aber ich denke, ich habe möglicherweise immer darauf hingesteuert, und jetzt fühlte ich, dass es an der Zeit war.

Wenn du ein neues Album aufnimmst, hast du eine Art Masterplan, eine Vision, wie das Album im Endeffekt klingen soll? Denn wie du bereits sagtest, waren The Frames mehr eine Rockband und seit The Swell Season ist deine Musik viel ruhiger und noch emotionaler geworden.

Ja, denn ich werde älter. Wie ich gesagt habe, du singst über das, wo du gerade stehst. Und wenn du älter bist, hast du nicht mehr so viel Angst. Ich bin sehr relaxed (lacht). Mein Leben ist sehr gut, und ich möchte ehrlich sein damit. Für mich ist die schlechteste Musik jene, die von Leuten gemacht wird, die zu alt dafür sind. Wobei ich nicht darüber nachgedacht habe, ob das Album sanft wird, oder ob es mein Alter reflektiert. Aber was ich in dieser Zeit wirklich erkannt habe war, dass Erholung sehr wichtig ist. Ebenso wichtig wie Arbeit, daher habe ich das Album auch "Rhythm And Repose" (Rhythmus und Ruhe/Erholung, Anm.) genannt.

Seit dem Erfolg von "Once" bin nicht zur Ruhe gekommen. Und erst als ich eine Pause eingelegt habe, hat sich etwas in mir verändert. Plötzlich fühlte ich mich o.k. in Bezug auf den Erfolg. Ich habe lange mit mir gerungen als es passierte, da alles sehr schnell ging. Wenn du 20 Jahre in einer Band warst, hast du all diese 20 Jahre gekämpft, und du ringst mit allem, was du tust, sogar mit deinem Erfolg. Also habe ich eine Auszeit genommen, um mir das bewusst zu machen. Und nun (zögert, als wäre es ihm unangenehm, es zuzugeben), um ehrlich zu sein, fühle ich mich sehr relaxed. Ich weiß nicht, ob das gut ist oder schlecht (lacht laut).

Vielleicht hast du einfach mal eine Auszeit vom ganzen Rockzirkus gebraucht…

Ja, ich ging nach Jamaika, ich habe davor noch nie Urlaub gemacht. Und ich liebe jamaikanische Musik, also ging ich für zwei Wochen nach Jamaika und habe nichts getan. Ich habe viel Gras geraucht, das in Jamaika sehr mild ist, denn ich bin eigentlich kein Raucher, und ich hörte viel großartige Musik. Ich habe einfach abgeschaltet, was sehr wichtig ist, deine Seele öffnet sich.

Wenn du Songs schreibst, legst du zunächst mehr Wert auf die Melodien oder auf die Texte?

Nun, die besten Songs sind die, die aus dir heraus kommen, unwillkürlich. Fast wollte ich sagen, als würde man sie auskotzen, aber das beschreibt es nicht sehr schön (lacht). Ein guter Song wird einfach auf dich zukommen. Damit meine ich nicht, dem Komponisten die ganze Verantwortung abzusprechen, aber die guten Dinge tendieren zu dir zu kommen, wenn alles rundherum passt, oder auch wenn alles beschissen ist. Also im Grunde ist es unbewusste Arbeit, die du später bewusst bearbeitest. Es kommt formlos und schön, und später meißelst du´s in eine Form, wobei gute Songs sehr wenig bearbeitet werden müssen, sie kommen einfach aus dir heraus.

Ich finde deine Stimme sehr beeindruckend, da du einerseits ganz sanfte Töne anschlagen und dann wiederum unglaublich laut schreien kannst, wie etwa der “Broken Hearted Hoover Fixer Sucker Guy” im Film "Once". Hast du dafür ein spezielles Stimmtraining, oder war deine Stimme immer schon sehr variabel einsetzbar?

Nein, überhaupt nicht. Ich fühle mich, als hätte meine Stimme erst während der letzten zehn Jahre wirklich zu mir gefunden. Und auch hier finde ich, man verdient sich seine Stimme, auf dieselbe Art, wie man sich seinen Song verdient. Und der Wille wird dabei oft unterschätzt. Talent ist großartig, Talent ist wichtig, aber das Wollen ebenso, so wie wenn man sagt: „Ich will ein Sänger sein“. Das Singen auf der Straße hat mir definitiv geholfen. Wenn du aufwächst und die Songs anderer Leute spielst, was du als Straßenmusiker ständig machst, auch das hat mir definitiv geholfen, da du den Gesangsstil anderer Leute lernst. Für mich war es alles in allem Van Morrison, der mich am meisten beeinflusst hat.

Auch Cat Stevens?

Nein, es ist witzig, denn diesen Vergleich höre ich oft. Ich mag Cat Stevens, aber ich habe keine Verbindung zu ihm. Ich fühle seine Musik nicht in derselben Art, wie ich Van Morrison fühle. Aber ich würde jedenfalls sagen, man verdient sich seine Stimme, und ich bin nun glücklich damit. Meine Gesangsstimme scheint nun definitiv zu einem Punkt gekommen zu sein, wo sie nach mir klingt.

Das Interview ist zuerst erschienen in: Freies Magazin FM5, Juli 2012

Newsletter abonnieren

Abonniere unseren Newsletter und erhalte alle zwei Wochen eine Zusammenfassung der neuesten Artikel, Ankündigungen, Gewinnspiele und vieles mehr ...