Zurück auf dem Schnepfenstrich

Bei der Stadtführung ”Sündiges Wien“ lernt man viel über die Geschichte der Prostitution in der Stadt, über die Anfänge des Kondoms und die fiktive Dirne Josefine Mutzenbacher. Wir haben uns auf ihre Wege getraut und uns umgesehen, welche ungewöhnlichen Stadtführungen es fernab der touristischen Pfade noch gibt.

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Die Prostituierte Josefine Mutzenbacher hatte 33 000 Liebhaber, schon mit fünf Jahren sexuelle Vorlieben und dennoch nie eine Geschlechtskrankheit oder Schwangerschaft – alleine diese drei Fakten sind zusammen so unglaubwürdig, dass es sich bei besagter Dame nur um eine fiktive Romanfigur handeln kann. Das schmälert ihre Faszination doch nicht im geringsten. Mit ihr als wiederkehrende Leitfigur führt Alexandra Stolba durch die Wiener Altstadt und klärt auf über die Zustände im ältesten Gewerbe der Welt vom Mittelalter bis heute.

Der Fiaker als mobiles Bordell

Schon seit 2004 ist sie Stadtführerin und nimmt Einheimische und Touristen auf verschiedenste Touren mit durch Wien. Die Stadt einmal von einer anderen Seite und nicht nur den Stephansdom von allen Seiten kennen zu lernen, ist dabei die Prämisse. So lernt man bei der Führung ”Josefine Mutzenbacher – auf den Wegen der Lust im Alten Wien“, dass die so genannten ”Grabennymphen“ früher am Schnepfenstrich am Kohlmarkt standen. Und dass sich Männer zu Casanovas Zeiten vor dem Sex mit Speckschwarte einrieben, bevor Kondome aus Ochsenblinddarm Mode wurden. Besonders kurios ist auch die ”Porzellanfuhre“: Ein Codewort für Fiaker-Fahrer, das bedeutete, dass die Kutsche gerade zum Bordell wird. Und vor allem, dass es egal ist, wohin der Fiaker fährt. Es geht vielmehr darum, wie er fährt – so vorsichtig, als ob er Porzellan transportieren würde.

Die thematischen Stadtführungen richten sich zwar eher an Einheimische, die ihre Stadt erkunden wollen. Doch auch Touristen schätzen den alternativen Ansatz und die thematische Nische der Führungen. Da geht es einmal um die Skandale der Habsburger, um die Musikhauptstadt Wien oder um den Wiener Schmäh in Dialekt und Sprachwissenschaft. Auf der Webseite von Wienführung und den Wiener Spaziergängen findet man weitere Infos über die verschiedenen Themen der alternativen Stadttouren.

Lieber Untergrund oder Worst Of?

Weniger sündig aber für U-Bahn-Fans sicher nicht weniger spannend ist die Tour ”Keller & Co“, die durch den Untergrund der Stadt führt. Da erfährt man, welcher Kanal in ”Der Dritte Mann“ zu sehen ist und was es mit dem Gerücht auf sich hat, es habe einen Verbindungskanal zwischen Schönbrunn und Hofburg gegeben.

Eine weiter Alternative zu den schon fast unerträglich schönen Gebäuden Wiens, bietet die Ugly Vienna Tour. Der Brite Eugene Quinn führt dabei mit trockenem Humor zu den hässlichsten Bauwerken der Stadt. Dazu gehört zum Beispiel ein Umspannwerk mitten im ersten Bezirk oder das Ungarische Kulturinstitut, das zumindest äußerlich wenig mit Kultur zu tun hat. Das ”Haus der Zeit“ am Karmelitenmarkt ist auch Teil der Führung und lässt an der Außenfassade Brüste und Spermien erahnen. Dort könnte sich die Ugly Vienna Tour mit der Führung zum ”Sündigen Wien“ also wieder treffen. Ungewöhnlich wäre das allemal.

Die Tour ”Josefine Mutzenbacher – auf den Wegen der Lust im Alten Wien“ findet ganzjährig samstags und in der Hauptsaison von April bis Oktober dienstags jeweils um 14 Uhr statt. Die Ugly Vienna Tour haben wir auch schon mitgemacht und hier darüber geschrieben.

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